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„Wir könnten es in unseren Bezirk aufnehmen; wir könnten ihm akademische Herrlichkeiten und studentische Rechte gewähren. Wir könnten — —“
Der große Klaus erhob sich plötzlich zu seiner ganzen Länge, reckte sich, dass es aussah, als würde er die Decke einstoßen, und sprach mit leuchtenden Augen: „Wir könnten es zu unserer guten und getreuen Residenz ernennen! Wir könnten in seine Mauern einziehen als König von Bützow und könnten der Stadt einen Namen machen unter allen Städten des obotritischen Landes.“
Polle Becker zog ihn an seinen Rockschößen nieder auf den Stuhl.
„Nun, sei nur nicht ganz verdreht! Willst du vielleicht der König von Bützow sein?“
Klaus Motte wehrte den ziehenden Armen.
„Ich fühle den Beruf dazu in mir; willst du mir wehren? Ich werde dort einziehen! Ich werde, erster Chargierter der Obotritia, zu meinen andern Würden auch diese Würde mit Mut und Hoheit zu tragen wissen! Ich werde meinen Hofstaat mit mir führen; ich werde meine junge Gemahlin — “
Da lachten die beiden andern so, dass er innehalten musste.
„Und wer soll diese, deine junge Gemahlin vorstellen?“
Klaus Motte behielt seinen würdigen Ernst.
„Wer anders als unser dritter Chargierter, Georgius Hannemann, der schlank ist am Leibe? Er hat ein zierliches Antlitz und dürfte wohl in seiner ausgedehnten Verwandtschaft in dieser ehrenfesten Stadt Rostock Tanten, Muhmen, Basen oder sonstige Verwandtschaft besitzen, die ihn ausstaffieren werden mit allem, was ihm ein holdes weibliches Ansehen verleihen mag ...“
Wieder krähte Heins helle Trompetenstimme dazwischen: „Ich weiß was — ich weiß was! Unsere Tante Susanne, die hat ein apfelgrünes Seidenkleid mit so ’ner langen Schleppe!“
„Dies Kind hat mehr Verständnis für die Suche als ihr! Das sehe ich schon, Polle; das Lachen ziert den Narren; das ist ein altes Wort. Dich ernenne ich zu meinem Hofnarren. Der Platz ist bisher noch unbesetzt.“
„Und ich? Und ich?“, schrie Hein, dem dieser krause Einfall geradezu köstlich dünkte.
Klaus Motte sah auf ihn hinab, strich ihm wohlwollend mit der Hand über den kurz geschorenen Kopf und zitierte:
  „Es war ein junger Page;
  Blond war sein Haar, leicht war sein Sinn,
  Der trug die seidne Schleppe
  Der jungen Königin.
  Lassen wir dich als Pagen der Königin — —“
„Stopp“, rief Georg Hannemann. „Setze dem Jungen keinen Floh ins Ohr! Der hat schon allein genug Dummheiten im Kopf. Wenn du dich nicht muckmäuschenstill verhalten kannst, Heinz, setz ich dich vor die Tür.“
Da krabbelte Hein wieder in seinen Ofenwinkel, lauschte nur auf jedes Wort, das die drei Studenten sprachen, und schrieb es sich hinter die Ohren. Die berieten jetzt aber allen Ernstes, wie man einen würdigen Einzug in die alte, ehrenwerte Stadt Bützow halten könne, und ob die braven Bützower wohl geneigt seien, auf solchen Studentenulk einzugehen und ihn nach Kräften mitzumachen.
„Der Bürgermeister ist ein Vetter meiner Mutter“, sagte Georg. „Der ist einem guten Witz nie abgeneigt, und langweilig genug mag er es in dem Landstädtchen da haben. Wir werden ein Schreiben an ihn richten, und den Einzug seiner Bützowschen Majestät zum ersten April — Polle, was ist es wohl für ein Wochentag?“
„Mittwoch!“
„Also zum Mittwoch, den ersten April mittags drei Uhr ansagen. Dann mag sich die Stadt auf uns einrichten.“
„Wehende Fahnen, Triumphpforten, Ehrenjungfrauen, Empfangslieder — das ist das mindeste, was wir erwarten können.“
„Jawohl, und wir werden uns mit Orden und Ehrentiteln ,revanchieren’. Das ist ein schönes fremdes Wort für solch feierliche Handlung. Polle, du darfst deinen Geist auch mal anstrengen! Erfinde Orden und Ehrenzeichen, entwirf etwas, male hier auf diesen Bogen die verschiedensten Abzeichen, mit denen ich, Klaus, der erste König von und zu Bützow, Bürgermeister und Rat der Stadt ehren werde, wenn ihre lobreichen Empfangsreden meiner Würde genügen.“
„Du mein Schreck“, seufzte Polle Becker. „Entwerfen? Orden und Ehrenzeichen — nur so aus dem Handgelenk? Wenn man wenigstens einen Tuschkasten hätte! Du, du hinter dem Ofen, kleiner, aber eifriger Geist dieses Hauses, hast du nicht so was?“
„So ’n Malkasten?“, fragte Hein. „O ja, den hab ich. Soll ich ihn mal holen?“
„Eile und schaffe ihn herbei!“
Hein rannte. Doch als er binnen zwei Minuten wiederkam, schlich hinter ihm Rüpel in die Tür. Er trug eine tote, fette Ratte im Maul und legte sie vor dem großen Klaus auf den Boden.
„Pfui, Spinne, was bringst denn du daher?“, schrie der und fuhr nicht schlecht in die Höhe. „Ist das so das übliche Gastgeschenk deines Hauses, Georgius?“
„’ne Ratte? Darüber regst du dich nicht mehr auf, wenn du erst mal ein Jahr hier in einer von den alten Hafenstraßen gewohnt hast. Die sind hier zahlreicher als die Bewohner, und es ist seit fünfhundert Jahren eine ungelöste Frage, wer Herr bleiben wird, die Menschen oder die Ratten.“
„Und dieser Köter schleppt sie noch in die Stuben?“
„Dieser Köter ist der Busenfreund meines kleinen Bruders und betreibt den Rattenmord ebenso sehr zu unserm Nutzen wie zu seinem eigenen Vergnügen. Wenn er solch besonders auserlesenes Exemplar der Gattung erlegt hat, dann trägt er es herbei und erwartet mit vollem Recht eine Belobigung. Da du gerade in der Stimmung bist, Orden und Ehrenzeichen auszuteilen, so erkenne ihm nur den ersten Orden, den großen Rattenorden mit Katzenschwanz und Mäuseohren zu!“
Darauf beugte sich der große Klaus zu Rüpel, der erwartungsvoll vor ihm saß, und streichelte ihn, was Rüpel mit vergnügtem Schwanzwedeln hinnahm.
„Du bist wirklich ein guter Köter, und mein Hofmaler und Hofnarr in einer Person soll dir den Orden entwerfen. Polle, zeichne den großen Rattenorden mit Mäuseschwanz und Katzenohr! Oder war es umgekehrt? Na, es kommt nicht so genau darauf an. Wir werden ihn diesem tapfern Herrn Hund umhängen, wenn wir hinaufziehen in unsere gute und getreue Stadt Bützow.“
Polle Becker zeichnete. Als der Rattenorden fertig war und sehr belobt wurde, entwarf er den grünen Bierorden mit Hopfenlaub und Heringsflossen, dann den grauen Y-A-Orden, der dem dümmsten unter den Korpsfüchsen zuteil werden sollte. Inzwischen beredeten der große Klaus und Georg Hannemann die Kleider und Kassenfragen, denn es war nicht so einfach, einen ganzen Hofstaat mit allem, was dazugehört, von heute auf morgen auszustaffieren; die Obotritia hielt auf ihren Ruf und wollte sich nicht lumpen lassen. Als sie aber zum Mittagessen endlich auseinander gingen, hatten sie auch das Schriftstück aufgesetzt, das dem Bützower Bürgermeister die Ankunft seines hohen Herrn ankündigen sollte.
Der Bürgermeister Möbius schüttelte nicht wenig den Kopf, als er am folgenden Tag einen Brief erhielt, in großmächtigem Umschlag, mit sieben roten Siegeln verschlossen und auf allerfeinstem Kanzleipapier geschrieben. Denn dieser Brief lautete:

„Unsern guten und gnädigen Gruß zuvor! Dem ehrsamen Bürgermeister und einem wohllöblichen Rat unserer guten Stadt Bützow tun wir hiermit kund und zu wissen, dass wir, Klaus der Erste, König von Bützow, Graf von Rostock, vieler Flecken und Bierdörfer Herr, gesonnen sind, am kommenden Mittwoch als am ersten April die Sonne unserer Huld aufgehen zu lassen über unsere liebe Stadt und ihre Einwohner, indem wir uns entschlossen haben, mit unserer teuren und liebwerten Gemahlin und unserem gesamten Hofstaat an eben diesem Tage zu einem freundwilligen Besuch einzutreffen. Und vermuten wir uns von unserer lieben Stadt und ihren wohlgesinnten Einwohnern einen warmen, gastlichen Empfang, denn wir haben beschlossen, nicht mit Auszeichnungen zu kargen, und uns huldvoll zu erweisen gegen alle, die solche Huld wohl zu verdienen wissen.


Wir werden aber einziehen auf der Straße, so von dem Bahnhof einführt in die Stadt, und sollen seidene Polster in schwellenden Wagen für uns bereit sein auf dem Bahnhof, damit unser erlauchter Fuß nicht genötigt ist, auf dem Rappen eines gewissen Schusters in Bützow einzuziehen. Auch werden wir in einem der zahlreichen Gasthöfe einkehren und einen Umtrunk tun mit unsern lieben Getreuen, worauf wir mit schwindendem Tage wieder hinweggehen werden und heimkehren nach unserer derzeitigen Residenz Rostock.
Gegeben am 25. des Märzmondes.
Gezeichnet
Klaus I., König von Bützow.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hein Hannemann