Hein Hannemann – eine Identifikationsfigur - Konzept

Autor: Sophie Kloerß Psdn. W. v.d. Mühle (1866-1927) Romanschriftstellerin und Kinderbuchautorin, Erscheinungsjahr: 1923

Neuaufgelegt: 2014
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hein Hannemann, Sophie Kloerß, Kinderbuch, Jugendbuch, Abenteuerroman, Mecklenburg, Rostock, Warnemünde, Bad Doberan, Bützow, Rostocker Heide, Sympathieträger, Identifikationsfigur, Hafenstadt, Hansestadt, Sturmflut, Sittenbild, Stadtgeschichte, Lebensretter, Seenot, Stephan Jantzen
Hannemann, geh du voran! … Kaum hat man den Spruch im Ohr, da ist man sicher, ihn zu kennen, ihn zumindest schon einmal gehört zu haben. Fündig wird man bei den „Sieben Schwaben“. Der Hannemann ist der mit den „größten Stiefeln an, dass dich das Tier nicht beißen kann!“ Im übertragenen Sinne: der Mutige, der mit dem größten Ungestüm – das ist unser Hein Hannemann.

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Ob seine Schöpferin Sophie Kloerß auch an den Hannemann aus den „Sieben Schwaben“ dachte, als sie die Kinderbuchfigur „Hein Hannemann“ erfand, wurde leider nicht überliefert. Aber es ist durchaus denkbar, wo auch in Rostock die Zahl Sieben eine große Bedeutung hat, und Hein ein Kind der Hafenstadt an der Warnowmündung ist.

Die Originalausgabe von „Hein Hannemann. Eine Geschichte von der Waterkant“ erschien in der Kamerad-Bibliothek im Jahre 1923 – leider geriet sie in den 40 Jahren deutscher Teilung in Vergessenheit, aber das lag gewiss nicht an der Autorin Sophie Kloerß und ihrer farbenprächtigen Erzählung. Zu damaliger Zeit war es keine Selbstverständlichkeit, dass eine Frau Abenteuer für Halbwüchsige veröffentlichte, insbesondere für Knaben, denn an die richtete sich das Sortiment der „Kamerad-Bibliothek“, deshalb wurde die bereits bekannte und erfolgreiche Schriftstellerin unter dem klangvollen Pseudonym „Wilhelm von der Mühle“ verlegt. Erschienen ist der Band in der „Union Deutsche Verlagsgesellschaft Stuttgart – Berlin – Leipzig“ und ist nicht nur von einem regionalen Publikum gelesen worden.

An der Begeisterung der Leserschaft für Hein Hannemanns Abenteuer kann es auch nicht gelegen haben, denn der kleine Hein steckte in einem liebevoll gehüteten, aber völlig zerlesenen Exemplar und kam in der Aktentasche von Herbert Müller, damaligem Vorsitzenden des Fördervereins der Wismarer Stadtbibliothek, in unsere Verlagsräume. H. Müller, eremitierter Professor an der Hochschule Wismar, kam mit der Bitte und Hoffnung zu uns, dem Helden seiner Kindertage aus den vergilbten Seiten und damit aus der Frakturschrift herauszuhelfen und dem frechen Naseweis neues Leben einzuhauchen, damit Hein vielen weiteren Kindergenerationen Freude mache. Und so ist es gekommen, dass das vierblättrige Kleeblatt, bestehend aus Hund Rüpel, Hein Hannemann, Jochen Möller und Fritz Merowius, erneut sein Wesen treibt und über Rostocks Speicher, Straßen und Plätze tobt.

Wiederum ist Prof. Müller der lebendige Beweis, dass Hein Hannemanns Geschichte Kinder in ganz Deutschland in Atem gehalten hat, denn der Pensionär stammt aus dem Süden der Republik. Hein Hannemann hat also das Potential über die Grenzen der eigentlichen Handlungsorte zu wirken, die Stadt Rostock, das Seebad Warnemünde und die Ostsee jungen wie erwachsenen Lesern im gesamten deutschsprachigen Raum auf eine amüsante und charmante Weise näher bekannt zu machen.

Höchstwahrscheinlich war es so, dass 1945 in vielen Bibliotheken Kinder- und Jugendliteratur aus dem Kaiserreich und der Weimarer Republik gleich der aus dem „Dritten Reich“ entwidmet wurde und aus den Beständen verschwand. Beispielsweise wegen der nicht mehr gebräuchlichen Frakturschrift. Gegen eine Neuverlegung mag es aber auch schlicht ideologische Vorbehalte der neuen Machthaber gegeben haben, weil Hein auch überall dort anzutreffen war, wo ein DDR-Bürger ohne eine entsprechende schriftliche Berechtigung keinen Zutritt erhielt, wie dem Stadthafen, der Unterwarnow oder dem offenen Meer. Vielleicht lag es aber auch schlicht an der Uneinigkeit über die Verwertungsrechte, denn Sophie Kloerß’ Werke sind erst seit dem Jahre 1997 gemeinfrei. Da nimmt es leider nicht Wunder, dass ihre wunderbaren Bücher in Vergessenheit geraten sind.

Doch bereits auf den ersten Seiten dieser liebenswerten Geschichte erobert Hein Hannemann das Herz eines jeden Lesers, da beweist der flachsblonde rotznäsige Fünfjährige all seinen Mut und einen starken Charakter. Weil Steuermann Krischan Predöl keine Anstalten macht, einen Welpen, der zum Ertränken ins eiskalte Wasser geworfen worden ist, zu retten, macht der Junge einen Satz auf die Reling des Dampfers „Phönix“, schreit: „Nu wirst wohl reinspringen“, und schwapp, schlägt das Warnowwasser über seinem blonden Schopf zusammen. Was nun folgt, lässt sich denken und ist der Beginn einer innigen Freundschaft und Liebe zwischen Hein und Hund Rüpel. Doch keine Angst, wir haben es nicht länger mit einem Fünfjährigen zu tun. Hein schafft es binnen weniger Seiten bis in die sechste Klasse und erlebt als Schüler der Großen Stadtschule gemeinsam mit seinen Freunden lustige, spannende, gruselige aber auch gefährliche Abenteuer. Im besten Falle könnte die Lektüre den Wunsch wecken, Hein Hannemanns Vaterstadt einen Besuch abzustatten, durch die Schnickmannstraße zu schlendern, um dort das Kontor- und Speicherhaus des alten Hannemann zu suchen, vom Stadthafen aus nach Warnemünde zu „dampfen“, um Hannemanns Großvater, dem dekorierten Lotsenkapitän, „Am alten Strom“ oder vor dem Lotsenhaus zu begegnen. Und wenn dann der obligatorische Gang durch das beliebte Ostseebad vorne am Kopf der Mole endete, könnte er in naher Zukunft sogar auf den in Bronze gegossenen Hein stoßen, wie er träumerisch auf die See hinausblickt und nach dem Schiff ausschaut, das ihn einmal als Matrosen an Bord nehmen wird. Der, der Hein kennt, wird dem kiebigen Jungen an die Nase fassen, damit sie nicht aufhört in der Sonne zu glänzen und ihm allzeit gute Fahrt wünschen. Diejenigen, die das erste Mal auf den Knaben und seinen Mischlingshund stoßen, werden vielleicht neugierig und vertrauen der Empfehlung, es lohne sich, den zukünftigen Matrosen als literarische Figur kennenzulernen und seinen Spuren durch die Stadt und die umliegenden Dörfer bis nach Bad Doberan und Bützow zu folgen.
Seit dem Erscheinen der Erstausgabe sind 90 Jahre vergangen und doch hat dieses Kinderbuch nichts Antiquiertes, Überlebtes an sich. Im Gegenteil. Vermittelte Werte wie Liebe zum Elternhaus, den Geschwistern und Großeltern, Tierliebe, Kameradschaft, Freundschaft, Verlässlichkeit, Weltoffenheit, Wissbegier und Mut sind nicht hoch genug zu schätzen.

Aber Hein und seine Freunde können noch weit mehr, als gut unterhalten. Sophie Kloerß’ Figuren spiegeln die Gesellschaft der bald 800-jährigen Stadt. Da ist Heins Vater, der in der Schnickmannstraße ein aus Backsteinen gefügtes Kontor- und Lagerhaus mit Ladengeschäft für Kolonialwaren betreibt, das seit 150 Jahren im Familienbesitz ist. Das Haus, seine Bewohner und sein Inventar verkörpern kaufmännische Tradition im besten Sinne. Hauptgeschäft ist jedoch der Seehandel mit Russland und Schweden. Hein sieht seine Bestimmung darin, als Matrose, Steuermann und später sogar als Kapitän auf einem der Schiffe zu segeln, die vom Vater oder älteren Bruder befrachtet werden. Schifffahrt, Handel, Fischfang, Forstwirtschaft, Lotsenwesen, Handwerk, Gewerbe und Wissenschaft, in alle Wirtschaftszweige, die Rostock zu dem gemacht haben, was es ist, steckt Hein seine Nase hinein. Aber auch das Rostocker Umland, seine Dörfer und Bauernstellen und die darin verwurzelten Menschen bleiben nicht unerwähnt. Wie wir heute wissen, hat die 1866 in Wandsbeck als Sophie Keßler geborene Autorin erst 1895 geheiratet, einen Oberlehrer Heinrich Kloerß, der im Rostocker Umland beheimatet war. Die weitverzweigte Familie ihres Mannes erhält auch einen Auftritt, indem Hein mit Warnemünder Jungens über Dietrichshagen, Elmenhorst und Rethwisch nach Doberan zieht und mit seinem treuen Begleiter Rüpel den dortigen Herbstmarkt unsicher macht. Von 1898 bis 1903 lebte Familie Kloerß in Rostock, später in Schwerin. Der Heimat ihres Mannes muss sie sehr zugetan gewesen sein, denn ein Jahr bevor „Hein Hannemann“ das Licht der Öffentlichkeit erblickte, erschien ihr Roman aus der Franzosenzeit „Die Stranddistel“, der ebenfalls in Rostock und Warnemünde angesiedelt ist.

Doch zurück zu Hein und seinen Abenteuern. Seinen Großvater, Lotsenkommandeur in Warnemünde, verehrt Hein besonders. Sophie Kloerß hat den achtbaren Mann, der in seinem ereignisreichen Leben 100 Menschen aus Seenot gerettet hat, zwar nicht Stephan Jantzen genannt, aber unverkennbar Anleihen bei der in Warnemünde und Rostock so bekannten Persönlichkeit genommen. So wundert es nicht, dass Passagen aus „Hein Hannemann“ in die Rockoper „Die Flut“ eingeflossen sind. (2013) Die Aufführungen anlässlich des „Stephan-Jantzen-Jahres“ haben große und durchweg positive Resonanz erhalten.

Und schon sind wir bei einem geschichtlich verbürgten Ereignis, der großen Flut von 1872, die Hein und seine Freunde als Gäste im großelterlichen Haushalt in Warnemünde überleben. Sophie Kloerß versteht es meisterlich, genauestens recherchierte Details in ihre Geschichte einzuweben und die Dramatik des lebensbedrohenden Ereignisses auf ihre Figuren zu übertragen. Der Leser leidet förmlich mit den flutgeplagten Warnemündern, und fiebert bei der Rettung so vieler Menschen und Tiere mit. Die Kraft der Elemente wird so eindringlich beschrieben, dass man als Leser die Schreckensbilder vor Augen hat. Das ist große Kunst und macht dieses Werk zu etwas Besonderem. Die Vergänglichkeit des Seins, alles Materiellen wird eindrücklich und sprachgewaltig dargestellt. Der Gefahr, von den Gewalten der Natur von einem Tag auf den anderen verschlungen zu werden, dieser Gefahr, der sich Seeleute, Fischer und Küstenbewohner bewusst sind, müssen sich auch Hein und seine Freunde stellen.
Aber es brechen auch wieder vergnügliche Tage an, an denen dem Kleeblatt nach allerlei Schabernack und Unsinn ist. Da erinnert Hein an „Michel aus Lönneberga“ oder an „Pippi Langstrumpf“, an die weltbekannten Figuren von Astrid Lindgren. Und man besinne sich, die beiden Skandinavier sind erst 50 Jahre alt, da hat der Rostocker Hein bald noch mal so viele Jahre auf dem Buckel und ist doch kein bisschen krumm vom Alter. Keck wie eh und je hüpft er durch Rostocks Straßen, ärgert Bodenmeister August mit seinen Rosinendiebereien, foppt Schutzmann Pommerenke mit seinen Streichen. Rostock sollte diesen literarischen Schatz heben, seine Kinder mit dem kleinen Helden im Zuge des Deutschunterrichts bekannt machen. Theater- und Filmprojekte, man denke an „Pippi Langstrumpf“, „Michel aus Lönneberga“, die „Heiden von Kummerow“, „Tom Swayer“ und „Huckleberry Finn“, könnten folgen und hätten sogar eine internationale Wirkung. Mit dem jungen Matrosen „Hein Hannemann“ können sich Rostocker Kinder identifizieren, seine Abenteuer sind mit bekannten Plätzen verortet. Wer selbstbewusst seine Zukunft gestalten will, braucht auch eine Rückbesinnung auf sein Herkommen, Hein kann dazu die nötigen Impulse liefern.
Wie wäre es, wenn Hein Hannemann über die Ostsee segelte und seine Kollegen, die Kinderbuchfiguren der Ostseeanrainer, zu einem Festival anlässlich der Hanse Sail einladen würde. Das gäbe ein Hallo, wenn kostümierte Heins und Pippis, Rüpels und Herr Nilssons durch den Stadthafen oder über den Neuen Markt und andere Straßen und Plätze wirbelten. Schutzmann Pommerenke würden graue Haare wachsen. Ein Spaß für die ganze Familie und gleichzeitig ein prägendes Erlebnis, von dem auch die folgenden Kindergenerationen profitieren könnten. Eine Tradition nimmt immer irgendwann, irgendwo ihren Anfang. Rostock könnte zur Hein-Hannemann-Stadt werden, zur Hüterin eines literarischen Erbes.
Erste Schritte auf diesem Wege sind bereits getan. Der Titel „Hein Hannemann. Eine Geschichte von der Waterkant“ ist im Sortiment des Lexikus Verlages Edition Godewind in Antiquaschrift und nach den Regeln der neuen Deutschen Rechtschreibung erhältlich. Der Verlag arbeitet eng mit dem Hanse Sail Verein zur Förderung traditioneller Schifffahrt auf der Ostsee e. V. und der Hanse Sail Gesellschaft zusammen. Der Hanse Sail Verein hat dankenswerterweise bereits einen Bastelbogen zum Thema „Hein und Rüpel“ entwerfen und herstellen lassen, und Bastelveranstaltungen organisiert, auch trägt er zur Verbreitung des Lesestoffes bei. Der junge Matrose Hein ist dabei, Maskottchen der Rostocker Hanse Sail zu werden. Der Lexikus Verlag hat sich mit freundlicher Unterstützung von Herrn Karl Matthes an die plastische Umsetzung eines Hein Hannemanns gemacht und von Dirk Detlefsen drei Köpfe in Ton modellieren lassen. Die Drei sind in den Räumlichkeiten des Hanse Sail Vereins zur Begutachtung ausgestellt.

Altes Kinderbuch gewinnt neue Fans. NDR Nordmagazin vom 20.10.2014 19:30 Uhr. 1923 veröffentlichte Sophie Kloerß den Roman üebre die Abenteuer des Hein Hannemann. Fast war er in Vergessenheit geraten. Doch seit der Neuauflage wächst die Fangemeinde wieder.

Altes Kinderbuch gewinnt neue Fans. NDR Nordmagazin vom 20.10.2014 19:30 Uhr. 1923 veröffentlichte Sophie Kloerß den Roman üebre die Abenteuer des Hein Hannemann. Fast war er in Vergessenheit geraten. Doch seit der Neuauflage wächst die Fangemeinde wieder.

Hein Hannemann im Blitz

Hein Hannemann im Blitz

Hein Hannemann, Illustration aus der Ausgabe

Hein Hannemann, Illustration aus der Ausgabe "Hein Hannmann" aus dem Jahre 1923

Hein Hannemann auf großer Fahrt. Cover

Hein Hannemann auf großer Fahrt. Cover

Hein Hannemann FB04

Hein Hannemann FB04

Hein Hannemann, Hein präsentiert

Hein Hannemann, Hein präsentiert

Hein Hannemann, mit Pippi in Schwerin

Hein Hannemann, mit Pippi in Schwerin

Hein Hannemann Puppen und Bücher

Hein Hannemann Puppen und Bücher

Hein Hannemann, hat einen Paten, Peter Stein

Hein Hannemann, hat einen Paten, Peter Stein

Hein Hannemann, Pate, Peter Stein

Hein Hannemann, Pate, Peter Stein

Hein Hannemann, Guatemala 01

Hein Hannemann, Guatemala 01

Hein Hannemann, Ende gut alles gut

Hein Hannemann, Ende gut alles gut

Hein Hannemann, Felix und Rüpel bei Außenaufnahmen im Rostocker Stadthafen

Hein Hannemann, Felix und Rüpel bei Außenaufnahmen im Rostocker Stadthafen

Hein Hannemann, Innaufnahmen 06

Hein Hannemann, Innaufnahmen 06

Hein Hannemann, Freundschaftsbild, Bastelfiguren

Hein Hannemann, Freundschaftsbild, Bastelfiguren

Hein Hannemann, Schneidermeister Andreas Kiefer

Hein Hannemann, Schneidermeister Andreas Kiefer

Hein Hannemann, Neujahrsgrüße

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Maskottchen für Rostock. Hein Hannemann - Rostocker Jung wird immer Bekannter. Blitz 10.05.2015

Maskottchen für Rostock. Hein Hannemann - Rostocker Jung wird immer Bekannter. Blitz 10.05.2015

Hein Hannemann und Pippi Langstrumpf im Strandkorb

Hein Hannemann und Pippi Langstrumpf im Strandkorb