Aderlassen

Man lässt jährlich ein oder mehr mal zu Ader und bedenkt nicht, ob es nützlich oder schädlich. Der Bauer hat die Gewohnheit eine so genannte Kreuzläße, das heißt auf dem rechten Arm und linken Fuß und umgekehrt wenigstens einmal vor zunehmen. Und der Grund dazu ist? der Rat seines Baders. Die Erfahrung lehret, dass eine zu große Ausleerung von Blut auf einmal, schwäche, und wiederholtes Aderlassen macht die Leute fett, aufgedunsen, und endlich wassersüchtig. Und doch glaubt man sich durch das Aderlassen vor Krankheiten zu schützen. Soll man also gar nicht, oder wann soll man zu Ader lassen? Antwort: Wer gesund ist fange nie an, sich an das Aderlassen zu gewöhnen. Wer einmal sich dieser Gewohnheit schon überlassen, bemühe sich nach und nach, in dem er jedes mal die Aderlasse einen, auch 2. Monate länger verschiebt, wieder ihrer los zu werden. Und wer endlich krank ist, überlasse die Entscheidung ob das Aderlassen in seiner Krankheit nützlich, nötig oder nicht, einem Kunstverständigen.

Kann man aber nicht auch in gesunden Tagen zu viel Blut bekommen, und solches durch das Aderlassen vermindern? Es ist wahr, aber noch besser würde es sein, wenn man die Ursachen zur Vollblütigkeit suchte zu vermeiden. Bei einer mäßigen Kost und hinlänglicher Bewegung und Arbeit, würde dieser Zweck können erhalten werden. Wir sehen dass der Bauer nur im Winter, wo er viel sitzt und bequemer lebt, vollblütig wird, dahingegen der Städter, bei starken und oft kostbaren Mahlzeiten, guten Bier, oder Wem, viel Schlaf und wenig Bewegung, und guter Esslust, Sommer und Winter es wird oder werden kann. An ihm lassen sich die Zeichen der Vollblütigkeit erkennen lernen. Sie sind folgende: Röte des Gesichts und aufgelaufene Adern; unruhiger Schlaf; Müdigkeit und Betäubung der Glieder bei geringer Bewegung; Kopfschmerzen und öfters darauf folgendes Nasenbluten, oder andere Blutflüsse u. s. w. Solche Leute sprechen von Wallungen des Blutes, es ahndet sich das Aderlassen und sie müssen bei der Gewohnheit bleiben, weil sie ihre Lebensart nicht ändern können und wollen. Wie viel Blut soll man weglassen? Für Erwachsene sind 6 bis 8 Unzen gewöhnlich. Auf die Zeichen im Kalender zu sehen, ist so wohl bei gesunden als kranken Tagen, und in diesen noch mehr Torheit.


Auf die Wahl der Adern kommt nichts an, wenn der Bader nur die sieht, welche er treffen will. In Krankheiten bestimmt der Puls als die sicherste Anzeige das Aderlassen. Ein paar Beispiele sollen zum Unterrichte der Bader die Sache deutlich machen. In dem Blutschlagfluss, wo ein starker voller Puls, ein rotes Gesichte, geschwollener Hals, stark aufgelaufene Adern, Hitze, Röcheln auf der Brust bemerkt werden, muss man reichlich zu Ader lassen und es nach etlichen Stunden, wenn es sich nicht bessert, wiederholen. Nach dem Aderlassen gibt man reizende Clystiere. (S. Clystiere) Man muss in diesem Fall weder den Kranken rütteln, noch ihm starke Riechgeister vorhalten , auch keine Blasen ziehen, Wo aber die eben gesagte Zeichen nicht da sind, ist das Aderlassen schädlich und also zu vermeiden.

Im Seitenstechen, wenn der Puls hart und die Hitze stark ist, muss ebenfalls reichlich zu Ader gelassen werden; wenn kein Auswurf erfolget, oder Blutklumpen ausgehustet werden, und die Hitze und das Seitenstechen erneuern sich nach 6 oder 8 Stunden, so wird die Ader wieder gesprengt.

Es gibt auch einige unglückliche Folgen nach dem Aderlassen. Manchmal gibt es Blutunterlaufungen, und der Teil an welchem die Ader geöffnet worden, schwillt an. Ist der Fehler gering, so hilft ein mit Brandwein befeuchtetes aufgelegtes Bäuschlein. Verteilt sich aber das stockende Blut nicht, sondern geht in Vereiterung über, so lege man das Diachylonpflaster auf und brauche es so lange, bis auch das sich selbst öffnende Geschwür damit geheilt wird.

Sollte die Entzündung so heftig sein oder werden, dass der Brand zu befürchten, so muss ein Wundarzt schröpfen, Einschnitte machen, u. s. w.

Ein anderer Zufall ist der, wenn bei dem Aderlassen ein Nerve verletzt wird. Schmerzen, Entzündung, Brand, und wenn der Nerve ganz durchschnitten ist, eine Erstarrung des Glieds, sind die Folgen desselben, die Behandlung aber erfordert einen Mann von Kenntnissen und Geschicklichkeit.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hausmittel