Die Hausmittel

Ein Wörterbuch für Jedermann. Zum Besten der Armen.
Autor: Mellin, Christoph Jakob Dr. (1744-1817) deutscher Arzt und Publizist, Erscheinungsjahr: 1786
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hausmittel, Mellin, Wörterbuch, Krankheiten, Artzneikräfte, Volksarzneien
Die Erforschung: der Arzneikräfte durch Analyse des Wirkungsprozesses.
Volksarzneien.

Die Kenntniss der Arzneikräfte schreibt sich ursprünglich von zufällig gemachten oder absichtlich wiederholten Beobachtungen her, wie sie sich in dem Gebrauch der Volksheilmittel aller, auch unkultivierter Völker, finden. Der Genuss arzneikräftiger Nahrungsmittel, der Geruch, Geschmack der Arzneien oder zufällige Vergiftungen bei Tieren und Menschen führten zu solchen Beobachtungen, und Erfahrungen, die bei den vielfachen Berührungen des Menschen mit der Aussenwelt der Aufmerksamkeit sich von jeher, wie jetzt, bei wilden und zivilisierten Völkern aufdrängten. Die Schriften von Rehmann (Volksheilmittel der Russen, in den russ. Sammlungen für Naturwissenschaft), St. Hilaire (plantes usuelles des Brösils), Ainslie (materia medica indica) Bumph (hortus amboinensis), Rheede (hortus malabaricus), Mellin (Hausmittel, Frankfurt 1781), Osiander (Volksarzneimittel, Tübingen 1828), geben Auskunft über die Kenntniss der Wirkungen der Volksheilmittel. Überall lassen sich darin immer schon zwei Seiten unterscheiden: einmal die physiologischen oder pathologischen Wirkungsaktionen auf die Funktionen (harntreibend, purgirend, betäubend); dann aber die Wirkung gegen gewisse Krankheiten: gegen Schlangenbiss, Wunden überhaupt, gegen Wassersuchten, Fieber, ohne Rücksicht auf die Art der Wirkung.

In den Traditionen über diese Arzneikräfte ist überall Wahres und Falsches vermischt, um so mehr, als alle, und besonders die therapeutischen Arzneiwirkungen relativ sind, und unter verschiedenen Umständen, je nach dem Vor- und Zurücktreten der einzelnen Aktionen der Gesammtwirkung, sehr verschiedenartig erscheinen können, wodurch die einfachen sinnlichen Beobachtungen sehr trügerisch werden. Der Fingerhut vermindert in vielen Fällen den Puls, in andern macht er Fieber; Opium wirkt in vielen Fällen krampfstillend und schmerzstillend, in anderen aber nicht; die China heilt in vielen Fällen das Wechselfieber; aber es gibt Fälle, wo sie das Fieber vermehrt. Die Arzneien zeigen unter verschiedenen Umständen verschiedene Kräfte. Es bleibt daher Sache einer wissenschaftlichen Untersuchung, die gewöhnlich sehr widersprechenden Erfahrungen über die Volksheilmittel näher zu prüfen, und die Umstände und Bedingungen zu studieren, unter denen eine Arznei durch die einzelnen Glieder ihrer Gesammtwirkung bald so, bald anders wirkt.

Aus: Natürliches System der allgemeinen Pharmakologie nach dem Wirkungsorganismus der Arzneien. Schultz-Schultzenstein, Carl Heinrich Prof. Dr.: Die Heilwirkungen der Arzneien nach den Gestzen der organischen Verjüngung.
1846
Hausmittel? Nun ja doch das wird Pfuscher machen! Nicht mehr, als schon da sind. Die Profession der Ärzte ist doch einmal die größte in der Welt, wie dieses Gonell der Hofnarr des Herzogs von Ferrara Alphons von Este durch folgenden lustigen Streich bewiesen. Er begab sich früh in einer Nachtmütze mit einem großen Hut darüber, verbundenem Gesicht und umgeschlagenen Mantel auf die Straße; jeder der ihn antraf fragte, was fehlt dir? Die Antwort war, ich habe erschreckliche Zahnschmerzen: Und jeder sagte ihm ein Mittel dagegen, welches er aufzuschreiben schien, aber statt dessen den Namen der Person anmerkte. Er kam nach Hof zurücke, spielte eben die Rolle, und erhielte von den Hofleuten ebenfalls Ratschläge. Endlich ging er nach den Zimmern des Herzogs, der ihm aber, als er ihn kaum sah, schon entgegen rufte, Goneli was fehlt dir? der Herzog erhielt in den wehmütigsten Ausdrücken ebenfalls die Nachricht von den heftigsten Zahnschmerzen, war auch so gleich mit seinem Rat bei der Hand; Gonell aber warf seinen Anzug und Binde ab, und schrie Ew. Durchlaucht sind also auch Arzt! Hier fuhrr fort, ist die Liste der Namen meiner Ratgeber, es sind deren 200 und ich bin nur eine Straße gegangen, ich wette mehr als 2 Tausend zu finden, wenn ich die ganze Stadt durch ginge.

Gonell scheint noch heute Recht zu haben; und es ist also der beste Rat, die Ärzte suchen es nur dahin zu bringen, dass die vielen Rathgeber nicht schädlich werden. Ich hoffe auch durch diese Blätter, sie sind aber zur Zeit nur ein Versuch, etwas dazu beizutragen. Daher habe ich die Form eines Wörterbuchs gewählt, zugleich aber ein Register der Krankheiten beigefügt, um in beiden Fällen dem Leser zu Hilfe zu kommen.

Unter den Hausmitteln begreife ich alle in- und äußerliche Mittel, die Jedermann ohne den Arzt zu fragen, eigenmächtig gebraucht oder gebrauchen kann. Ich wünsche nur dass mein Zweck, die Belehrung derer, die keine Ärzte sind, dahin gedeihen möge, dass sie einsehen mögen, wo und wann und wie nötig die Kunst sei.
Kempten den 23. Sept. 1785.
Mellin