Verfassung
Verweilen wir einen Augenblick bei der Verfassung des Hansabundes, so erhellt schon aus der ganzen Entstehungsgeschichte desselben, dass der Charakter seiner Verfassung wesentlich abweichen muss von den Staatenbündnissen neuerer Zeit. Gewohnheit, Herkommen und vorzüglich das Bedürfnis des Augenblicks haben hier auf die Gestaltung des Bundes eingewirkt, und nicht ein bestimmter, abstrakter, konsequent durchgeführter Gedanke. An Verfassungsparagraphen im modernen Sinne dürfen wir daher nicht denken, wenn wir von der innern Einrichtung des hanseatischen Bundes sprechen. Übrigens sind die Urkunden lange nicht ausreichend genug, um uns ein vollständiges Bild von dem ganzen innern Bau zu geben; auf viele Fragen suchen wir vergebens Antwort zu erhalten. Ja wir wissen nicht einmal mit Bestimmtheit, welche Städte zu einer bestimmten Periode zum Bunde gehört haben. In der Zeit von 1400—1500 werden in den Urkunden erwähnt: Amsterdam, Anklam, Arnheim, Ascherslebcn, Berlin, Bolsward in Friesland, Braunschweig, Bremen, Breslau, Briel, Buxtehude, Campen, Colberg, Cöln am Rhein, Krakau, Kulm, Danzig, Deventer, Dörpe, Dortmund, Dortrecht, Duisburg, Einbeck, Elbing, Elburg, Emden, Emmerich, Frankfurt a. O., Göttingen, Goslar, Greifswald, Groningen, Halberstadt, Halle in Sachsen, Hamburg, Hameln, Hannover, Harderwyk, Helmstedt, Hervorden, Hildesheim, Kiel, Königsberg, Lemgo, Lübeck, Lüneburg, Magdeburg, Pr.-Minden, Münster, Nimwegen, Northeim, Osnabrück, Paderborn, Quedlinburg, Reval, Riga, Rostock, Rügenwalde, Roermonde, Soltwedel, Stade, Stargard, d. i. Neustargard in Pommern, Stavern, Stendal, Stettin, Stolpe, Stralsund, Soest, Thorn, Uelzen, Wesel, die Deutschen auf Wisby oder Gothland, Wismar, Zirkzen, Zütphen und Zwoll — also etwa sechsundsiebzig. Wann indessen diese verschiedenen Städte aufgenommen sind, lässt sich urkundlich nicht bestimmen. Diese sämtlichen Städte erscheinen in einer Einteilung zuerst nach Dritteln, später nach Vierteln. In einer Urkunde vom Jahre 1347 erscheint zum ersten Male die Einteilung des „gemeinen Kaufmanns“ in drei Drittel: 1) in Lübeck, die wendischen Städte und die Sachsen und die dazu gehören; 2) in Westfalen und Preußen und die dazu gehören; und endlich 3) in die von Gothland, Livland und Schweden (d. h. die eingebürgerten Deutschen in den schwedischen Städten) und die dazu gehören. Diese Eintheilung bezieht sich freilich nur auf die deutschen Kaufleute in Flandern, sie ist jedoch später auch auf den gesammten Verein der Städte und Kaufleute übergegangen und ist wohl die ältere Einteilung geblieben, bis erst etwa zweihundert Jahre nachher die Einteilung in vier Quartiere aufkam. Die Oberleitung des Ganzen hat Lübeck und besorgt, wie in einer Art engeren Ausschusses mit den Vororten Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald die laufenden Geschäfte. Ein schriftliches Gesetz, welches Lübeck zum Bundes-Haupte erhoben hätte, ist nie gegeben worden. Was nun die Gegenstände betrifft, die auf den Tagfahrten behandelt wurden, so wurde Alles, was irgend wie auf die hansischen Zwecke Bezug hatte, in die gemeinschaftlichen Verhandlungen hineingezogen. Die Verfassung des Bundes, die Zusage der Hilfe, die Beilegung der Streitigkeiten unter den Mitgliedern, die Zuerkennung der Strafen gegen die Übertreter der Gesetze, die Beliebung neuer Statute, um das Recht, den Handel und die Seefahrt aufrecht zu erhalten, die Beilegung der ausgebrochenen Tumulte in den Städten, die glückliche Beendigung der Fehden, welche von einzelnen Gliedern mit Fremden oder von mehreren gemeinschaftlich zur Aufrechthaltung der Comtoire geführt wurden, die Bewilligung neuer Abgaben und Strafen: alles das waren Gegenstände der Verhandlungen auf den Tagfahrten. — Was die Art und Weise der Beschlussfassung betrifft, so sollten zufolge eines Statutes die Städte nach der Ordnung, wie sie sitzen, von der rechten Seite an, stimmen, und keinem Drittel von ihnen es erlaubt sein, für sich aufzustehen und mit einander abgesondert zu beratschlagen. Die Strafen zur Durchführung der Beschlüsse waren sehr verschieden. Die höchste Straft, welche der Bund kannte, war die gänzliche Ausschließung von den Rechten und Freiheiten der Genossenschaft; mit einem Verhanseten durfte kein Bundesmitglied Verkehr haben. Kann man dies den großen Bann nennen, so gab es auch noch einen kleinen, der, wie es scheint, darin bestand, dass die Deputierten der Stadt zu keinem Hansetage zugelassen wurden, doch mochten auch noch manche andere Beraubungen hansischer Freiheiten damit verbunden sein. Endlich konnte auch der Bund noch Geldbußen, die von geringen Summen bis zu hundert Mark Silbers, oder selbst bis zu fünfzig, ja hundert Mark Goldes, auch wohl noch höher hinauf stiegen, —
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