Zweite Fortsetzung

Überschauen wir aber zuvörderst das Leben des vortrefflichen Mannes, so drängt sich uns vor Allem eine Beobachtung auf: der gefährliche Zwiespalt zwischen dem Schriftsteller und Rabbiner existiert für ihn nicht. Er huldigt auch nicht jener gefährlichen Zweiseelentheorie, welche Abraham Geiger einst so scharf gegeißelt hat. Er hat den Mut, das, was er als Schriftsteller erforscht hat, auch als Rabbiner zu bekennen. Er hat die Besonnenheit, das, was ihm als Rabbiner heilig ist, auch als Schriftsteller zu schonen. Selten waren in einem Manne Forschertrieb und Herzensfrömmigkeit so zu harmonischer Einheit verbunden, wie bei Herzfeld. Von diesem Standpunkte aus muss man sein Leben und Schaffen betrachten, um dieses wie jenes zu verstehen und beiden gerecht zu werden.

Als Herzfeld auftrat, lag die Wissenschaft des Judentums, der er sein Leben zu weihen beschlossen hatte, noch in ihren Anfängen. Freilich, diese Anfänge waren vielverheißend und konnten einen jungen Forscher wohl verlocken, dieses Gebiet zu betreten. Bereits hatte Rappaport seine sechs grundlegenden Biographien abgeschlossen, Luzzatto hatte seine grammatischen und kritischen Arbeiten begonnen; vor Allem aber lag das klassische Grundbuch dieser Wissenschaft, die „Gottesdienstlichen Vorträge“ von Zunz, bereits vor, das einen weiten Einblick in das Gesamtgebiet dieser Wissenschaft eröffnete.


Es begann sich das Dichterwort zu erfüllen:
„Fern im Osten wird es helle — Alte Zeiten werden jung.“
Nur zwei Pfade, die in dieses Gebiet führten, waren bis dahin noch fast unbetreten: das der Bibelkritik und das der Altertumsforschung. Noch hielt das religiöse Herkommen die Geister fest in seinem Bann, so dass nur Wenige wagten, die traditionellen Anschauungen über die Verfasser und die Abfassungszeit der einzelnen biblischen Bücher, sowie über die dunkelste Periode der jüdischen Geschichte vom babylonischen Exil bis zur Makkabäerzeit zu durchbrechen.

Herzfeld war einer der Ersten, welche es wagten, dieses Gebiet zu betreten. Mit dem Freimut, der ihn während seines ganzen Lebens auszeichnete , wagte er sich furchtlos in dieses Gebiet. Seine erste Arbeit war eine Übersetzung und Erläuterung des Buches Kohelet (Braunschweig 1838). Wie man sieht, reizte den jungen Gelehrten gerade das Schwerste und Rätselhafte. Es ist interessant zu hören, wie Herzfeld seinen Plan auffasste. Er hatte die löbliche Gewohnheit, in den Vorreden zu den wichtigsten seiner Werke darüber Auskunft zu geben und dem Leser wie dem Richter so gewissermaßen einen Einblick in die Werkstatt seines Schaffens zu gewähren. Seine Vorreden sind darum von besonderem Interesse; ja, noch mehr, sie sind gewissermaßen autobiographische Selbstbekenntnisse von nicht gewöhnlicher Bedeutung.

In der Vorrede zu seinem ersten Buche legt Herzfeld die Art der Entstehung desselben dar: „So oft ich bei Durchlesung der Bibel an Kohelet kam, tat es nur weh, gerade in diesem Buche, in welchem ein antibiblisches Element so offen zu Tage liegt, den Zusammenhang zu vermissen; denn ein dunkles Gefühl, ruhend auf dem Glauben, dass Ein Geist, der Geist der Frömmigkeit, alle unsere heiligen Schriften durchwehe, sagte mir, dass wer bei Kohelet Herr sei aller seinen Fäden des Zusammenhanges, auch im Stande sein müsse, jenes feindliche Element enger einzuschließen und zu überwältigen. Dass alle mir bis dahin bekannt gewordenen Versuche, den Zusammenhang des Buches anzugeben, für einen Mann von strengen Anforderungen als gescheitert anzusehen sind, hat nicht mehr angefeuert, als davon abgeschreckt, auch einen Versuch zu machen. Ich nehme wohl diesen Worten alles Anmaßliche, durch die aufrichtige Versicherung, dass ich damals nicht im entferntesten an eine Veröffentlichung meines etwaigen Fundes dachte; nichts weiter als eine Privatarbeit sollte es sein und bloß zur Übung unternommen. Nun suchte ich alles über Kohelet einmal Gelesene und Gehörte für eine Zeitlang aus dem Kopfe zu tun und las ihn dann nur mit Hilfe der Konkordanz, wie ich öfter tue. Erst als sich mir ein Zusammenhang des Buches ergab, stieg in mir der Gedanke auf, nach Kommentaren desselben zu greifen und in dem Falle, dass diese nicht schon dasselbe enthielten, bekannt zu machen, was ich gefunden hätte . . . sodann habe ich, was über den Zusammenhang in Kohelet geschrieben ist und mir zugänglich war, treulich nachgelesen und — für den von mir gefundenen Zusammenhang mich entschieden, ob mit Recht, ist wiederum nicht meines Anteils. So entstand in mir der Entschluss der Veröffentlichung und mit dem Gedanken an das Publikum machte ich mich an die Bearbeitung des Einzelnen. Zuerst ging ich an die alten Versionen . . . Jetzt kamen die in hebräischer Sprache abgefassten Kommentare an die Reihe, und die gar nicht dürftige Ausbeute, welche ich noch aus ihnen habe holen und in meinem Werkchen zu Tage legen können, zeigt, dass meine Vorarbeiter dieselben nicht in solchem Grade benutzt zu haben scheinen, als sie es verdienen. Endlich ging ich an die Kommentare der christlichen Gelehrten; sie waren unergiebig mit Ausnahme des sehr braven Knobel, welchem ich viel verdanke. Nachdem ich das vorrätige Material gesammelt und durch selbstständige Studien zu vermehren gesucht hatte, wandte ich mich an die Verarbeitung desselben."

So suchte Herzfeld schon bei Beginn seiner literarischen Tätigkeit, die Leser in die Art seines Schaffens einzuführen. Ob ihm nun aber sein erster Wurf auch wirklich gelungen? Darüber mag uns das Urteil eines großen Kenners belehren, denn kein Geringerer als Leopold Zunz hat über dieses Werk öffentlich gesprochen. Seine Anzeige desselben in den „Israelitischen Annalen“ (1839, 102) war sicher die wirksamste Empfehlung für den

Autor. In dieser Anzeige erklärt Zunz, der bekanntlich ein strenger Kritiker war, unumwunden; „Das von tüchtigen Kenntnissen unterstützte besonnene Studium des Verfassers hat eine Arbeit geliefert, die durch berühmte Vorgänger nicht überflüssig gemacht wurde . . . Den gründlichen Kommentar empfehlen wir jedem Lernbegierigen.“ Das war nicht bloß eine Empfehlung des Kritikers für seinen Autor, sondern ebenso sehr ja, noch mehr, des Lehrers für seinen treuen Schüler.

Wer sich einmal mit Kohelet gründlich beschäftigt hat, den muss sein Weg notwendig in jene dunkle Periode führen, in welcher wir wahrscheinlich die Entstehung des Buches zu suchen haben, in jene Periode einer Fremdherrschaft, die über Israel ihre eiserne Rute schwang, in jene Zeit der Gärung und der religiösen Skepsis, des Ringens und Zweifelns, der feindlichen Parteien und Streitenden Weltanschauungen, die uns den wehmütigen Ruf des Predigers verständlich macht: „Eitelkeit, alles Eitelkeit, Alles ist eitel!
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Handelsgeschichte der Juden des Altertums
Braunschweig 011 Alte Münze am Kohlmarkt (nach Beck). Abgebrochen 1723

Braunschweig 011 Alte Münze am Kohlmarkt (nach Beck). Abgebrochen 1723

Braunschweig 012 Tür aus der alten Münze (Nach Pfeiffer)

Braunschweig 012 Tür aus der alten Münze (Nach Pfeiffer)

Braunschweig 013 Gotischer Kelch aus dem Kreuzkloster

Braunschweig 013 Gotischer Kelch aus dem Kreuzkloster

Braunschweig 014 Die Burg Dankwarderode als Barockbau (nach Beck)

Braunschweig 014 Die Burg Dankwarderode als Barockbau (nach Beck)

Braunschweig 015 Die Burg Dankwarderode von Osten vor dem heutigen Umbau

Braunschweig 015 Die Burg Dankwarderode von Osten vor dem heutigen Umbau

Braunschweig 016 Dankwarderode im jetzigen Zustand. Westansicht

Braunschweig 016 Dankwarderode im jetzigen Zustand. Westansicht

Braunschweig 017 Dankwarderode im jetzigen Zustand. Ostansicht

Braunschweig 017 Dankwarderode im jetzigen Zustand. Ostansicht

Braunschweig 018 Bierbaumsches Haus (die frühgotischen Reste befinden sich auf der Schmalseite rechts)

Braunschweig 018 Bierbaumsches Haus (die frühgotischen Reste befinden sich auf der Schmalseite rechts)

Braunschweig 019 Alte Pfarrbibliothek bei St. Andreas

Braunschweig 019 Alte Pfarrbibliothek bei St. Andreas

Braunschweig 020 Der Altstadtmarkt. Links die Martinikirche, rechts das Altstadtrathaus

Braunschweig 020 Der Altstadtmarkt. Links die Martinikirche, rechts das Altstadtrathaus

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