Börse. - Alster. - Jungfernstieg. - Stadtbrand 5. bis 8. Mai 1842. - Kirchen. - Stadtbibliothek. Das alte Wahrzeichen Hamburgs.

Im Innern der Stadt macht das kaufmännische Leben sich vorzugsweise Mittags auf der *Börse bemerklich. Zwischen 1 und 2 Uhr sieht man hier einen grossen Theil der Handelswelt Hamburgs versammelt, an 3 bis 4000 Menschen, um geschäftliche Angelegenheiten zu besprechen und abzuschliessen. Ein Blick von der Gallerie auf dieses eigenthümlich summende Gewühl, einem grossen Bienenstock nicht unähnlich, ist merkwürdig. Das stattliche Gebäude am Adolphsplatz, kurz vor dem Brande (S. 39) fertig geworden, ist bei diesem unbeschädigt geblieben, obgleich die ganze Umgebung verbrannte. Die beiden Gruppen oben neben dem Giebel der Vorderseite sind von Kiss. Eine Treppe hoch ist die Seite 36 genannte Börsenhalle Abonnements-Institut mit Restauration, Lesezimmer u. dgl, der Versammlungsort vor und nach der Börsenzeit. Die Commerzbibliothek im Börsengebäude ist reich an neuern Werken der Geographie, Statistik und neuern Geschichte. In den Börsen-Arcaden ist der Beginn einer städtischen Gemäldesammlung, täglich von 12 — 4 U. geöffnet. Der Börse schräg gegenüber ist das neue Bankgerbäude. Die Sitzungen des Handelsgerichts, aus zwei rechtsgelehrten Präsidenten und 10 Kaufleuten als Richtern bestehend, Mont, Mittw., Donnerst u. Sonnab., von 10 Uhr an, sind im interimistischen Rathhaus (ehemal. Waisenhaus) in der Admiralitätsstrasse, öffentlich mit mündlicher Verhandlung. Kaufleute und Juristen sind überhaupt die Regenten dieses kleinen Freistaates. Das neue Rathhaus wird ehestens auf dem freien Platz hinter der Börse, der Alster zugewandt, erbaut werden.

Neben der Elbe hat Hamburg noch einen kleinen Fluss, die Alster, welche von Norden her aus dem Holsteinischen kommt, ausserhalb der Stadt ein grossartiges, von Wiesen, Gärten, Promenaden und Landhäusern umgebenes Wasserbecken (die Aussen-Alster), innerhalb des Walls ein kleineres Bassin (die Binnen-Alster), 2300 Schritt im Umfang bildet, welches von den Promenaden der beiden Jungfernstiege, des Alsterdamms und des Walls bei der Lombardsbrücke eingefasst ist (S. 40). Diese Promenaden sind, zumal an Sommer-Abenden, der Vereinigungspunct der schönen Welt, die sich auch häufig mit Wasserfahrten hier belustigt, oder an den „Regatten“ der Ruder-Clubs ergötzt. Schaaren von Schwänen seit Jahrhunderten auf der Alster heimisch und Winters durch testament. Verfügung einer alten Dame unterhalten, ziehen auf beiden Bassins umher. Die Alster, welche die 1854 vollendete neue Stadt-Wassermühle in der Poststrasse treibt, durchfliesst die Stadt in 2 Hauptarmen, die durch Kastenschleusen mit den vielen Elbarmen oder Canälen (Flethe) in Verbindung stehen, von denen die niedriger gelegene Altstadt zum Nutzen der Waaren-Magazine durchschnitten ist. Aeusserst bewährt haben sich die beim Neubau 1842 angelegten unterirdischen gemauerten Abfluss-Canäle (Siele), welche den Unrath aus den Häusern und Gassen in sich aufnehmen und mittelst Alsterspülungen in die Unter-Elbe führen.


Der Hafen am Frühmorgen, die Börse um 1 Uhr und der Abend an der Alster, umfasst das Sehenswürdigste von Hamburg; es sind die Brennpuncte des Hamburgischen Lebens.

Ein furchtbarer Brand zerstörte am 5. bis 8. Mai 1842 fast ein Viertheil der Stadt. Ein neues Hamburg ist aus der Asche erstanden, von groarartigen und zum Theil auch geschmackvollen Gebäuden, welche der Stadt nun den Ruhm einer schönen gebührend sichern. Der Gegensatz zwischen dem alten und neuen Hamburg tritt nirgend greller hervor, als in der Breiten Strasse, in der Nähe der Jacobikirche: an der Südseite, die vom Brand verschont blieb, das kleine Gewerbe in bürgerlichen Wohnhäusern, wie sie das 17. u. 18. Jahrd. schuf (mittelalterl. Gebäude sind in Hamburg selten), gegenüber hohe vielstöckige Neubauten.

Unter den nach Verhältniss der Volkszahl geringen Anzahl von Kirchen wird vor allen die *Nicolaikirche, im englisch-gothischen Stil mit durchbrochenem Thurm hervorragen, die an der Stelle der abgebrannten aufgeführt wird. Sie liegt am Hopfenmarkt, dem belebtesten Markt Hamburgs, reich an See- und Flussfischen, dem schönsten Fleisch und allen Arten von Gemüsen, Obst und andern Esswaaren. Die *Petrikirche, ebenfalls abgebrannt, ist im goth. Stil des 14. Jahrh. neu erbaut. Der Thurm-Rumpf, welcher dem Brand widerstand, ist als Branddenkmal stehen geblieben. Die Catharinen-, Jacobi- und Michaliskirche blieben verschont. Die letztere, 1750—1765 im Zopfstil erbaut, hat einen der höchsten (456’) Thürme in Europa, von welchem man die ausgedehnteste *Aussicht über Stadt and Elbe, fast bis zur Nordsee, nördlich über einen Theil von Holstein and südlich von Hannover hat. Man wendet sich an den Kirchenbeamten Appel, welcher In der Nähe des westl. Portals, Englische Planke Nro. 2 wohnt, and für 1 Pers. 1 M., 2 Pers. 1 ½ M., für 3—8 Pers. 2 Mark erhält.

Zu den schönsten Gebäuden, welche der Brand verschont hat, gehört das 1834 im ital. Stil aufgeführte Bibliothek- und Schulgebäude, in welchem die unter dem Namen Johanneum bekannte gelehrte Anstalt, das academische Gymnasium und die Realschule vereinigt sind. In dem Hauptflügel befindet sich die musterhaft aufgestellte Stadtbibliothek mit 5000 Handschriften, 20,000 Dissertationen und 200,000 gedruckten Büchern, an Seltenheiten nicht arm, besonders zur biblischen Literatur aus dem Nachlass des hebräischen Philologen Wolff und des Hauptpastors Goeze, durch seine Fehde mit Lessing bekannt. Im Erdgeschoss das an transatlantischen Gegenständen reiche obwohl erst vor 15 Jahren gegründete naturhistorische Museum, für Fremde tägl. von 11—1 U. zugänglich, und das noch jüngere Museum für Hamburgische Alterthümer, in welchem das früher im Dom befindliche alte Wahrzeichen Hamburgs: ein Grabstein, darauf ein Esel den Dudelsack bläst, mit der Umschrift „de Welt heft sick ummekehrt, drum hebbe ick arme Esel pipen glehrt.“