Vorwort

Die nachfolgenden Skizzen sind in ihrem ersten Entwurf für den Hamburgischen Korrespondenten geschrieben und in dessen 139. Jahrgang No. 126, 132, 138, 144, 150, 162, 168, abgedruckt. Sie bezweckten nichts Weiteres, als ein größeres Publikum darauf hinzuweisen, wie die Hamburgische Wohltätigkeit, deren uns von Lappenberg gegebene Statistik eben in neuer Auflage erscheinen sollte, auch während des Mittelalters lebendig gewesen ist; es war darin der Versuch gemacht, die Wohltätigkeit Hamburgs im Mittelalter in einigen Bildern zur Anschauung zu bringen, welche natürlich weder den Gegenstand erschöpfen, noch überall Neues bringen konnten. Mehrfach von Hamburgischen Freunden dazu aufgefordert, diese Skizzen zusammenzustellen, habe ich mich lange bedacht, ob ich jene anspruchslos aufgetretenen Artikel durch den Wiederabdruck, beziehlich durch eine Überarbeitung der weitergehende Anforderungen stellenden Kritik aussetzen sollte; insbesondere das Interesse jedoch, welches einige der besprochenen Anstalten neuerdings hervorgerufen haben, hat mich jenes Bedenken überwinden lassen.

Eine Geschichte der geschilderten Institutionen habe ich natürlich nicht geben wollen; wäre das der Fall gewesen, würde statt eines dünnen Heftes kaum ein starker Band ausgereicht haben. Hier und da lag mir schon eine Bearbeitung vor, die ich benutzen, auf die ich verweisen konnte; Einiges, das ich hier nur angedeutet, hoffe ich selbst einmal ausführlicher behandeln zu können; Anderes muss Denen überlassen bleiben, denen die Umstände eine eingehendere Beschäftigung mit dem Gegenstande gestatten.


Hamburg, November 1869. Karl Koppmann.

Die mittelalterliche Wohltätigkeit hat durchaus religiöse Beweggründe. Die Armenpflege war nicht die Sache der Gemeinden, sondern wurde von der Kirche gehandhabt; auch diejenigen Werke der Wohltätigkeit, zu deren Ausübung sich mehrere Laien vereinigten oder die von dem Einzelnen verrichtet wurden, geschahen nicht wie heutigen Tages im Interesse der Humanität, sondern aus religiösen Beweggründen. Der Geber gab, wie man sich ausdrückte, um Gottes willen, gab, könnte man sagen, nicht als Mensch, sondern als Christ. Soll also von der mittelalterlichen Wohltätigkeit Hamburgs die Rede sein, so ist es unvermeidlich, vorher von den Institutionen der christlichen Kirche zu sprechen, an welche diese Wohltätigkeit sich anschloss.