Hamburgs deutsche Juden bis zur Auflösung der Dreigemeinden 1811

Zur Geschichte der Juden in Deutschland
Autor: Grunwald, Max (1871-1953) Rabbiner in Hamburg und Wien und Autor von Werken zur jüdischen Geschichte und Volkskunde, Erscheinungsjahr: 1904

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hansestadt Hamburg, Juden, Judentum, Kulturgeschichte der Juden, Hamburgische Geschichte, Hamburger Juden, Jüdische Gemeinde, fremde Juden,
Wie meine „Portugiesengräber auf deutscher Erde", will diese Arbeit zunächst Ausschnitte aus der Geschichte der Hamburger Juden liefern. Ein Blick auf die Inhaltsangabe und in die ersten Kapitel zeigt, dass hier auch für die allgemeine, insbesondere die Kulturgeschichte der Juden mancher Aufschluss geboten wird. Am ausgiebigsten findet sich die Familiengeschichte bedacht.

Die Verwaltungen des Hamburger Staatsarchivs, der Hamburger Stadtbibliothek, der Gemeindearchive in Hamburg und Altona, der Vorstand des Vereins für Hamburgische Geschichte, die Herren Rabb. E. Duckesz, Altona und Sigm. Seeligmann, Amsterdam, vor allem Herr Dr. J. Heckscher, Hamburg, haben den Fortgang der Arbeit, — die Familien Warburg in London, Hamburg und Berlin, der Deutsch-Israel. Gemeindebund und die Alliance israél. univers., die Veröffentlichung in dankenswerter Weise gefördert.

Im einzelnen sei noch bemerkt, dass von den Hamb.-Altonaer Drucken nur die bis etwa 1860 erschienenen berücksichtigt *) und die Grabschriften **), bis auf wenige Ausnahmen, nur bis 1811 aufgeführt worden sind.

Meine Übersiedlung von Hamburg nach Wien während der Drucklegung hat die Verifizierung der Daten erheblich erschwert, wodurch Berichtigungen am Schluss der Arbeit in unliebsamer Anzahl erforderlich wurden.

Aus Rücksichten der Ökonomie ist der ursprünglich geplante Umfang dieser Schrift durch Anwendung kleinerer Typen und Kürzung der Grabschriften bedeutend vermindert worden.

*) Für die Predigten wird unten auf Fürst verwiesen.
**) Von der Wiedergabe der schon von J. S. Wittkower, Agudath Perachim, Altona 1880 (unten abgekürzt als: Wittk.), — jetzt auch in E. Duckesz, Iwwah lemoschab — veröffentlichten Grabschriften wurde Abstand genommen.
Die Buchstaben C, S, O, N und W in dem Verzeichnis der Altonaer Grabschriften sind Bezeichnungen, welche sich in dem „Duplikat der Grabbücher über die der hochdeutschen Israelitengemeinde zugehörigen Friedhöfe Altona, Ottensen und Bornkampweg" im Altonaer Gemeindearchiv finden.
„C I = Centrum I, der Berg bis zur großen Bergstraße, umfassend die Grabstätten Nres. 1—352 und 2803—2892
C II = Centrum II, links vom Berge bis zum Norderteil, Nres. 353— 839
S = Süderteil, anfangend am Eingange des Friedhofs, begrenzt vom Portugiesen-Friedhof und CII, Nres. 840— 146
O = Ostertei, anfangend von der Leichenkapelle, rechts vom Berge C I bis zur großen Bergstraße, rechts begrenzt von der kl. Bergstraße und Hohmanns Wohnungen, 1451— 1802
N = Nordorteil, begrenzt vom Hamburger Anteil. Norderteil, gr. Bergstr. und Blücherstr., Nres. 3526-6000."
Die Abkürzungen für die jüdischen Monatsnamen (H = Cheschwan K = Kislew u. s. w.) sind dieselben wie in den „Portugiesengräbern".



                        Inhaltsverzeichnis.

Vorwort
Einleitung
Das Zeitalter der Glückel von Hameln
Die Steuerkraft der Gemeinde
Der „Judentumult 1730", und was ihm voraufging
Das Leben in der Gemeinde
Die soziale Stellung
Beruf und geistiges Leben
Der „Hamburger Amulettenstreit“
Moralische Streiflichter
Die Hamburger auf oder von Juden geprägten Medaillen
Hamburgs Juden in Bild und Karikatur
Hamburger, Wandsbeker und Altonaer Drucke
Beilagen zu den Seiten: 13, 16, 17, 26, 28 (Is. Renners Ermordung), 30, 34 (Steueraufsätze), 38, 39, 49, 51, 54/5 (Dibre emeth), 57 (Popert ctra. Herz), 59 (Juden als Reeder), 60 (Portug. u. a. jüd. Schriftsteller), 61 (Dr. Simon), 127 (Schire Jehuda)
Die Friedhöfe
A) An der Königstrasse in Altona (Titel, Berufe, Personalangaben in den Grabschriften. — Bilder auf den Grabsteinen. — Die Familiennamen. — Proben der Vornamen. — Die Grabschriften. — Chronologische Übersicht)
B) Auf dem Grindel
C) In Ottensen (mit Proben der Grabschriften)
Berichtigungen und Nachtrage
Verzeichnis der wichtigeren Gegenstände
Die Abbildungen: Aus „Suhr. D. Hamb. Ausruf"; Jonathan Eybeschütz, Michael Heine, Hamburger auf oder von Juden geprägte Medaillen.
Anhang:
A) Dr. Ahr. Gumpertz Emmerich und seine Frau Hitzel, geb. Spanier
B) Die Altonaer Grabschriften der Familie Warburg
C) Ergänzungen

                                Einleitung.

Die Geschichte der Juden in Hamburg bewegt sich von Anfang an bis in die neueste Zeit hinein in konträren Gegensätzen. In einer deutschen Stadt finden wir, bevor ein deutscher Jude darin geduldet wird, ein blühendes Gemeinwesen fremder Juden, ja eine ganze deutsche Gemeinde kann sich hier Jahrzehnte lang nur unter dem Patronat dieser spanisch-portugiesischen Juden behaupten. Und während diese Letzteren immer mehr an Bedeutung verlieren, entwickelt sich aus jener deutschen Siedlung eine der größten deutschen Gemeinden.

Auch diese Entwicklung trägt den Charakter einer Dialektik der Kontraste. So werden die Portugiesen, gleich den Vertretern anderer Nationen, bei den Beratungen über Handelsangelegenheiten vom Senat als Sachverständige hinzugezogen, aus ihrer Mitte wählen sich auswärtige Mächte, wie Polen, Schweden, Dänemark, ja selbst Portugal, ihre diplomatischen Vertreter, einen ernennt sogar der Kaiser zum Pfalzgrafen, überall werden diesen Personen die gebührenden Ehren bezeugt, und das zu einer Zeit, wo man ihnen den öffentlichen Gottesdienst verbietet und sie ihre Toten in fremdem Boden bestatten müssen. Das hindert nicht, dass die höchsten Würdenträger in ihren Häusern verkehren, dass Rodrigo de Castro, der berühmte Arzt, vom Senat für seine Aufopferung auf jede Weise, unter anderem dadurch ausgezeichnet wird, dass er als einziger Jude ein Haus auf seinen Namen erwerben darf, ja dass selbst der schärfste Eiferer gegen die religiöse Betätigung der Juden, der Gründer einer noch heut bestehenden Missionsstiftung, dass Edzard mit dem Rabbiner Cohen de Lara Umgang pflegt.

Dieser Gegensatz zwischen sozialer Stellung und politischer Geltung setzt sich bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts fort. Juden stehen an der Spitze mildtätiger Bestrebungen, welche ausschließlich Nicht-Juden zu gute kommen, ja, sie steuern freiwillig zu Kirchenbauten bei. Senatoren speisen am Tisch eines Juden, beteiligen sich an einem jüdischen Leichenbegängnis, der Bürgermeister räumt einem befreundeten Juden sein Landhaus als Kuraufenthalt ein — alles dies vor der Franzosenzeit — , und dann „eine jüdische Sevigné", wie man die Mutter Neanders nannte, ferner ein Salomon, ja ein Heinrich Heine, und jüdische Literaten, die bei dem Publikum der Volkstheater *) beispiellose Popularität genießen, — und auf der anderen Seite ein Ghettozwang, gegen den mehr als ein Gabriel Riesser zu kämpfen hatte.

*) Den glänzend begabten unglücklichen Jac. Heinr. David nennt K. Th. Gädertz (Die plattdeutsche Komödie) den eigentlichen Schöpfer der Hamburger Parodien und Lokalpossen. Wendungen aus seinen Werken sind dem Volksmund noch heute geläufig. Auf dem gleichen Gebiet erntete Hermann Hirschel (1848-1900) seine Lorbeeren.

Und selbst das innere Leben der Gemeinde zeigt kein anderes Bild. Die Bewegung, welche der falsche Messias Sabbatai Tsebi hervorgerufen hatte, warf nirgends so mächtige Wellen, wie in Hamburg. Im 17. Jahrhundert weckt sie unter den Portugiesen einen, freilich friedlichen, Gegensatz zwischen dem Vorsteher Manoel Teixeira und dem Rabbiner Jacob Sasportas. Im darauf folgenden Jahrhundert entflammt sie aber einen Brand, dessen Funken bis in die fernsten Gemeinden hinübersprühen und fast die gesamte Judenheit in Mitleidenschaft ziehen. Es ist der Kampf zwischen Emden und Eybeschütz.

Eine ähnliche Bedeutung für die Gesamtheit der europäischen Juden gewinnt im 19. Jahrhundert der Streit, den die Gründung der Hamburger Reformgemeinde hervorruft. Und ihr Gegner Bernays, der Lehrer eines Samson Rafael Hirsch, des Vaters der Neuorthodoxie, ist der erste Rabbiner, der deutsch predigt.

Und wie bis 1811 die Hamburger Juden religiös und lange Zeit auch in der Rechtspflege nach dem dänischen Altona präponderieren, während sie politisch nach Hamburg gehören, so vollzieht sieh noch in demselben Jahrhundert innerhalb der Gemeinde eine eigenartige Trennung von Staat und Kirche in der Loslösung der Kultus- von der Gemeindeverwaltung.

Fügen wir noch hinzu, dass, wie ganz natürlich in einer Welthandelsstadt, die Hamburger Juden durch weitgehende Verbindungen au dem Geschick anderer Großgemeinden, wie Prag, Wien, Amsterdam, London, Berlin teilhaben, so ermessen wir leicht die Bedeutung, welche die Geschichte der Hamburger Juden an sich, sowie für die Geschichte Hamburgs und die auswärtiger jüdischer Gemeinden beanspruchen darf.

Was bisher über die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg-Altona geschrieben worden, beschränkt sich auf einige Aufsätze in der Zeitschrift des Vereins für Hamburg. Geschichte und der Monatsschrift f. d. Wissenschaft des Judentums, sowie Haarbleichers „Zwei Epochen". In den ersteren werden nur Einzelheiten aus der früheren Geschichte geboten, und Haarbleicher gibt nach einer flüchtigen Zusammenstellung einschlägiger älterer Daten nur Auszüge aus den Akten des Hainburger Gemeindearchivs und persönlich Erlebtes seit der Franzosenzeit. Hinweise auf Hamburg in geschichtlichen Darstellungen, welcher Gemeinden oder Personen zum Gegenstande haben, deren Geschicke mit denen der Dreigemeinden verknüpft sind, lassen nur um so empfindlicher dir liier klaffende Lücke fühlen.

Wie zahlreich und mannigfaltig solche Beziehungen gewesen sein müssen, ergibt sich schon aus der hohen kommerziellen Blüte dieser großen Gemeinde, einer der größten in Deutschland. Was aber die Bedeutung ihrer Geschichte weit über den Rahmen der Gemeinde- und Familienchronistik hinaushebt, ist der maßgebende Einfluss, den sie zu wiederholten Malen auf die Wandlungen innerhalb des Judentums ausgeübt hat. Der Streit zwischen Eybeschütz und Emden, die Tempelgründung, die Einführung der deutschen Predigt in den orthodoxen Gottesdienst, das sind, selbst wenn wir auch nicht den Begründer der Neuorthodoxie, Sams. Raf. Hirsch, und den „Anwalt der Juden", Gabriel Riesser, mit auf Hamburgs Guthaben setzen wollen, Momente von weittragender Kraft geworden.

Auch isoliert von allen äußeren Beziehungen, reizt indes die Geschichte der Hamburg-Altonaer Judenheit zur Darstellung. Dank den reichlich fließenden archivalischen Quellen sowie vor allem den intimen Schilderungen einer Glückel von Hameln für das 17., eines Jakob Emden für das 18. Jahrhundert, entrollt sich hier ein Kulturbild, wie es wohl kann von einer zweiten Gemeinde so getreu sich zeichnen lässt. Die Herrscherweisheit der dänischen Könige, deren Ruhm die Annalen der deutschen Literatur verkünden, hat auch den Juden in ihren Staaten bereits vor mehr als 200 Jahren Daseinsbedingungen geschaffen, um die sie so manches jüdische Gemeinwesen noch heut beneiden könnte. Und ebenso war, trotz aller äußeren, meist von klein-krämerlichem Geschäftsneid der Bürgerschaft errichteten und aufrechterhaltenen Einschränkungen, Hamburgs Senat stets beflissen, die soziale Stellung seiner Juden zu heben. Auf solchem Boden gedeihen denn auch zu reicher Ernte Betätigungen jüdischer Kräfte in Kunst und Literatur, in Großhandel und Schifffahrt zu einer Zeit, da man diese Gebiete anderwärts mit Argussorgfalt vor ihnen zu bewahren suchte. So erstarkt aber auch in diesen Juden ein Geist der Selbständigkeit, welcher es unbilligen Forderungen selbst der Staatsgewalt gegenüber, zumal in Fragen der Glaubensfreiheit, an erhebenden Proben nicht fehlen lässt.

Grunwald, Max (1871-1953) Rabbiner in Hamburg und Wien und Autor von Werken zur jüdischen Geschichte und Volkskunde

Grunwald, Max (1871-1953) Rabbiner in Hamburg und Wien und Autor von Werken zur jüdischen Geschichte und Volkskunde

Hamburgs deutsche Juden 00 Cover

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Riesser, Gabriel Dr. (1806-1863) Rechtsanwalt, Notar, Politiker, Journalist, Publizist, ab 1859 erster jüdischer Richter in Deutschland

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Hamburgs deutsche Juden 01 Raare englische Bleesticken

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Hamburgs deutsche Juden 02 Boomwollne Mitschen un Strümp

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Hamburgs deutsche Juden 03 Siden Bant un Weefkanten

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Hamburgs deutsche Juden 04 Beergläss, Wiengläss

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Hamburgs deutsche Juden 05 Fein mullirter Wachstuch

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Hamburgs deutsche Juden 06 Schöne englische Pischpitt

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Hamburgs deutsche Juden 07 Nu Nu, et kann doch sien Glück sien

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Hamburgs deutsche Juden 08 Schpatschierschtöck

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Hamburgs deutsche Juden 09 Was zu Handeln

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Hamburgs deutsche Juden 10 Ohle höed (Hüte)

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Hamburgs deutsche Juden 11 Jonathan Eybeschütz mit einem der verfehmten Amulette

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Hamburgs deutsche Juden 12 Michael Heine (Heinrich Heines Vetter) im Tempel

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Hamburgs deutsche Juden I. Medaille auf Gabriel Riesser (1806-1863) Obergerichtsrat und Vize-Präsident des Frankfurter Parlaments

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Hamburgs deutsche Juden II. Medaille auf das 25jährige Bestehen des Israelitischen Vorschuss-Instituts

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Hamburger Baumwollbörse

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Blick auf Hamburg - Unterelbe

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Hamburger Börse

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Lagerhäuser im Hamburger Freihafen

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Hamburg Rathaus

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Hamburg Jungfernstieg 1830-1855

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Hamburg Brandstwiete 1775

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