Bildnisse

Ein bezeichnetes Bildnis von der Hand unseres Matthias Scheits ist mir nicht bekannt geworden. Dabei dürfte er aller Wahrscheinlichkeit nach in der Bildnismalerei sehr ausgiebig beschäftigt gewesen sein.

Die Überlieferung verknüpft seinen Namen mit zwei Ölgemälden. Das Bildnis eines bärtigen Mannes, ehemals der Kasseler Galerie gehörig, ist als Geschenk des Herrn Senator Möring in unsere Sammlung gelangt, das andere, das Bildnis einer vornehmen Dame, befindet sich in der Braunschweiger Galerie. Beide Sammlungen besaßen seit alter Zeit Bilder hamburgischer Meister, und wenn ein Bildnis in ihrem Verzeichnis den Namen des Matthias Scheits führt, so verdient diese Zuschreibung vollen Glauben. Es ist nicht denkbar, dass zu irgend einer Zeit der Name des wenig bekannten hamburgischen Künstlers willkürlich aufgegriffen wurde, um ein namenloses Kunstwerk einem bestimmten Urheber zuzuschreiben. Da hätten zehn holländische oder vlämische Namen näher gelegen.


Das Bildnis des Greises in der Hamburger Galerie dürfte einen Rabbiner oder einen reichen Juden darstellen. Ein Bauer ist es nicht, und sonst trug damals niemand bei uns den wallenden Vollbart. Auch die braunen mandelförmigen Augen und der Schnitt des Mundes sprechen für die Annahme. Es ist ein geschickt in den Raum gefügtes Bildnis, vielleicht etwas gesucht elegant in dem vandyckisch angegebenen hellen Fleck der Hand, die den braunen Mantel hält, aber sehr lebendig im Ausdruck der Züge.

In der Farbe ist das Bild sehr zurückhaltend. Über dem schwarzen Wams ein rostbrauner Mantel, auf dem Kopf eine schwarze Samtkappe mit braunem Pelzrand. Wäre es auf Holz gemalt und nicht auf Leinwand, so würde die große Frische der Erhaltung noch mehr auffallen.

In der Braunschweiger Galerie wird das anziehende Bildnis einer Dame aufbewahrt. Der Name der Dargestellten ist unbekannt. Die edlen Züge des nicht mehr ganz jungen Antlitzes, die stolze, fürstliche Haltung, das sehr kostbare Perlenhalsband und die überaus geschmackvolle Toilette, die nichts Steifes und Philisterhaftes hat, verraten den vornehmen Rang. Es ist nichts bürgerliches darin, das zur Zeit als es gemalt wurde, vielleicht um 1660, im Typus der Hamburgerin sicher noch vorhanden war. Später, etwa zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts, ist das bürgerliche aus dem Auftreten der deutschen Patrizierin verschwunden und hat einer durchaus fürstlichen Haltung Platz gemacht. Die Frauenbildnisse, die um 1720 von Paulsen oder Denner gemalt wurden, könnten in jeder fürstlichen Ahnengalerie hängen. Wie dagegen eine Hamburger Bürgersfrau in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts aussah, also etwa um 1650 — 1660, zeigt uns das sogenannte Snitgersche Familienbild in unserer Sammlung. Neben dem Mann in freier Tracht und Haltung steht die Frau wie eingeschnürt und gebunden.

Im siebzehnten Jahrhundert können wir beobachten, dass der Mann eher als die Frau seiner Glieder Herr wird und in der Tracht und im Auftreten freiere Haltung annimmt. Zu unserer Zeit pflegt auch in den untern Ständen zuerst die Frau das Äußere der oberen Schichten der Gesellschaft nachzuahmen.

Die Dame in Schwarz des Braunschweiger Museums mit ihrem Schoßhund im Arm — ich glaube, eine Bürgersfrau hätte sich damals um keinen Preis mit ihrem Schoßhund malen lassen — wird keine Hamburgerin gewesen sein.

Nach der sorgfältigen Durchbildung der Malerei und dem deutlich spürbaren Hauch der künstlerischen Nähe des niederländischen Kulturkreises dürfte es sich hier um ein Werk handeln, das der Künstler gelegentlich seines zweiten Aufenthaltes in den Niederlanden ausgeführt hat, 1669 oder bald nachher.

Von andern Bildnissen des Meisters wissen wir durch gleichzeitige Stiche, das älteste ist das des Stanislaus Lubienitz. Dieser, ein Pole, ursprünglich Prediger der Socinianer im Polnischen, weilte mit Unterbrechungen von 1661 bis zu seinem Tode 1675 als Flüchtling in Hamburg. Die Entstehungszeit des von L. Vischer gestochenen Bildnisses lässt sich bestimmen, da das Lebensalter als einundvierzig Jahre angegeben ist. Lubienitz wurde 1623 geboren, das Bildnis mithin 1664 in Hamburg gemalt. Damit haben wir eins der wenigen festen Daten in Scheits Leben.

Später hat J. Gole nach ihm das Bildnis des berühmten Hauptpastors zu St. Michaelis und späteren Seniors Johannes Winckler gestochen. Der Stich ist nicht datiert, aber die Entstehungszeit lässt sich auf ein Jahrzehnt sicher begrenzen und auf ein Jahr wahrscheinlich machen. Winckler wurde 1684 zum Hauptpastor an St. Michaelis berufen und 1695 zum Propste der Grafschaft Rantzau. Es lässt sich annehmen, dass Scheits ihn bald nach seinem Amtsantritt gemalt hat. Winckler hat bekanntlich im kirchlichen Leben Hamburgs als Führer der Pietistenpartei und Gegner des Pastor Mayer zu St. Jacobi damals eine hervorragende Rolle gespielt, und eine Vervielfältigung nach einem bekannten Original muss in weiten Kreisen willkommen gewesen sein.

Scheits hat ihn, wie nicht anders zu erwarten, im Ornat gemalt mit der großen zweireihigen Halskrause. Es ist in der Anordnung ein typisches Pastorenbildnis. Der Dargestellte steht auf der Kanzel und blickt auf seine Gemeinde, während er mit der Rechten auf einen Spruch in der offen vor ihm liegenden Bibel zeigt. Er ist ein behäbiger Mann mit üppiger dunkler Perücke und dem bis auf eine schmale Spur wegrasierten Schnurrbart. In den Alexandrinern, die ein Amtsbruder von St. Nicolai unter das Bild gesetzt, heißt es von ihm: „den Gottes Wunderhand zu Dir — nämlich Hamburg — auch nun gebracht“, und dies „nun“ dürfte auf die Entstehungszeit bald nach der Berufung weisen, also bald nach 1684.

Die Aussicht ist zwar gering, dass mit der Zeit noch andere Bildnisse des Meisters aus der Verborgenheit auftauchen oder unter falscher Bezeichnung entdeckt werden. Aber wir haben mit unserer Sammlung hamburgischer Meister schon so viele Wunder erlebt, dass keine Hoffnung zu kühn erscheint.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburgische Künstler - Matthias Scheits
103 Matthias Scheits - Bildnis eines Greises

103 Matthias Scheits - Bildnis eines Greises

105 Matthias Scheits - Bildnis einer vornehmen Frau

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107 Matthias Scheits - Stanislaus Lubienitz 1664

107 Matthias Scheits - Stanislaus Lubienitz 1664

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