Bauernleben

Die Kunsthalle besitzt drei Gemälde von Scheits mit Darstellungen aus dem Bauernleben. Sie sind untereinander und von den Gesellschaftsbildern sehr verschieden.

Wer nur die Gesellschaftsbilder kennt, wird die Bauernbilder kaum demselben Urheber zuschreiben mögen. In Proportion, Stimmung und Farbe stehen sie auf völlig verschiedenem Boden.


Während auf den Gesellschaftsbildern kleine Figuren sich in weitem Raum bewegen, nehmen die Figuren auf den Bauernbildern sehr viel mehr Platz ein. Sie sind sogar ziemlich eng im Raum. Dass die Verhältnisse der Körper in sich gedrungener sind bei den Bauern, entspricht dem Herkommen. Es ist eine andere Rasse gemeint. An die Stelle der Zierlichkeit und Eleganz der Gesellschaftsstücke treten Schlichtheit, Derbheit und Humor. Auch die Farbe ist sehr verschieden. Auf den drei Bauernbildern erscheint ein ins Grünliche gehendes Blau, das Scheits sonst vermeidet, und ebenso sind alle übrigen Farben anders als auf den Gesellschaftsbildern. Hier gibt er sie glänzend oder sehr zart, sucht in der Toilette die lieblichsten Modetöne und bringt durch den Farbenauftrag eine emailartige Leuchtkraft heraus. Auch in der landschaftlichen Umgebung werden sehr feine Töne angeschlagen. Alle Farbe hat etwas Kostbares. Auf den Bauernbildern dagegen erscheint sie trüber und uneleganter.

Es ist wahrscheinlich, dass sie alle drei einer früheren Entwickelung entstammen. Vielleicht gehören sie zu den „Bauernstücken in der Art des Teniers", die Houbraken aus der Zeit vor den Bibelillustrationen erwähnt. Dass diese drei Bauernstücke gleichzeitig mit den Gesellschaften am Waldrande entstanden sein könnten, ist kaum denkbar. Die Annahme, dass die Gesellschaftsbilder die frühere Gruppe sein könnte, ließe sich verteidigen durch die Erklärung, dass der Künstler, zeitlich den in den Niederlanden erhaltenen Anregungen noch näher, eine höhere Qualität der künstlerischen Leistung in der Komposition und in der Farbe habe bieten können. Denn auch heute beobachten wir immer wieder, dass, wer in Paris nicht nur gezeichnet, sondern auch gemalt hat, nach seiner Rückkehr zuerst eine Weile im Sinne der Schule, die er durchgemacht hat, weiterarbeitet, aber dann, weil ihm die Anregung fehlt, und weil sein Auge andere Kunst und anderes Leben sieht, allmählich zurückgeht und nach einem Jahrzehnt, wenn er nicht unterdes Anschluss an das farbige Wesen der Heimat gewonnen hat, völlig haltlos geworden ist. Das könnte immerhin auch bei Scheits der Fall gewesen sein.

Aber es sprechen andere Gründe ein ausschlaggebendes Wort dagegen.

Einmal ist die Tracht der Gesellschaftsbilder nicht die der fünfziger und sechziger, sondern die der siebziger und achtziger Jahre. Dann trägt die Zeichnung aus dem Gesellschaftsleben (vergl. S. 15), die mit den Ölgemälden derselben Themas in Stimmung und Kostüm gleichartig ist, die Jahreszahl 1673. Wie denn überhaupt die Tracht auf den Gesellschaftsbildern schon viel mehr französisch-holländisch anmutet. Auch erinnern gerade die als Bauernbilder, wie die „Kesselflickerfamilie" und „der Disput" in unserer Galerie sehr viel unmittelbarer an die niederländischen Vorbilder als die Gesellschaftsstücke, gerade so, wie die erste Radierung von 1660 (S. 129) sehr viel holländischer im Charakter ist, als alle späteren. Vorläufig dürfen wir also annehmen, dass die Bauernstücke in unserer Sammlung zu den frühesten Bildern des Meisters gehören, also etwa zwischen 1650 und 1660 entstanden sind.

Das umfangreichste, die „Kesselflickerfamilie", ist ein reines Existenzbild ohne irgend andere als malerische Absichten.

Vor einem Schuppen sitzt eine Arbeiterfamilie im Freien beim Frühstück, die Mutter stillt das jüngste Kind. Der Vater, ein bärtiger Mann — nur Bauern trugen damals Vollbarte — verzehrt das Mittagsbrot, das ihm die Frau an die Arbeitsstätte gebracht hat. Beide sehen auf ihren ältesten Jungen, der vor ihnen steht und die Neige aus einem Krug mit engem Hals zu trinken versucht, ohne von dem Nass zu verschütten. Ein kleiner Hund, in fein beobachteter Stellung von hinten gesehen, schnuppert am Boden. Bei allen ist die Haltung sehr gut gefühlt. In der Spannung, mit der die Eltern dem an sich gleichgültigen Vorgang zusehen, liegt ein sachter, liebenswürdiger Humor.

Als Farbe spricht am stärksten das Rot. Das Blau tritt nur als verschwindender Fleck im Anzug des Knaben auf. Die Mutter trägt eine grauviolette Jacke, der Vater einen graugrünen Rock mit schmalen roten Litzen und dazu sind die Ärmel des Wamses stumpfgelb. Aber außer dem Rot und dem einen Fleck Blau ist alle Farbe gedämpft, selbst das Grün in der Landschaft.

Auf dem Sittenbilde: „Alter schützt vor Torheit nicht" schlägt Matthias Scheits einen der Art Jan Steens verwandten Ton an. Die Scene ist bis in alle Einzelheiten aus einem Guss und übermütig bis zur Derbheit.

Ein Alter mit Schlapphut, fallender weißer Krause und halblangem braunen Radmantel fasst in der Unterhaltung vor einem Bauernhause ein dralles Bauernmädchen am Kinn. Sie lacht ihn übermütig an und erhebt warnend die Rechte.

Ein halbwüchsiges Mädchen auf der Bank vor dem Hause sieht sich entrüstet um. Misstrauisch hat eine Alte im Hause ein Fenster geöffnet und blickt auf das Paar. Sehr gut ist die Bewegung des sitzenden Mädchens, dass sich umsieht, indem sie einem kleinen Kinde, das auf seinen Schoss strebt, die Hülfe gibt. Die Bewegung dieses Kindes ist sehr gut gesehen.

Auch in diesem Bilde sprechen die Flecke Rot am stärksten. Alles andere, selbst das Blau im Kleid der Bauernmagd, ist herabgestimmt.

Das Seitenstück, „Der Disput", mutet auf der einen Hälfte hamburgisch, auf der anderen vlämisch an. Auf der Hamburger Seite des Tisches, der vor dem Dorfwirtshaus im Freien steht, wendet sich der sitzende Gast, im Begriff, den Krug zum Munde zu führen, zum neben ihm mit den Händen auf dem Rücken dastehenden dicken Wirt, während ihm eine Frau beschwichtigend die Hand auf die Schulter legt. Der Bauernwirt trägt die Tracht, die damals bei uns auf dem Lande üblich war. Die Gruppe als Ganzes und die Bewegung jeder einzelnen Figur zeugt von einem sehr entwickelten Gefühl, sowohl für die Einzelbewegung, wie für den Zusammenklang. Eine prächtige Gestalt, der zuhörende Wirt!

Auf der vlämischen Seite des Tisches sitzt ein junger Bursch in roter Jacke und zündet sich am brennenden Licht seine Kalkpfeife an. Aus der Landschaft wankt ein Blinder mit seinem Führer heran. In großen Flecken wirken Rot und Blau. Alle anderen Farben sind stumpf.

Den Handzeichnungen und Radierungen aus dem Bauernleben sind diese Bilder sehr verwandt, wirken aber derber und sind nicht so gut im Raum und in den Verhältnissen. Die beiden jungen Leute, die auf dem „Disput" am Tisch sitzen, würden, wenn sie aufständen, noch einmal so groß als die neben ihnen stehenden Wirtsleute sein. Auch das spricht für eine frühere Entstehungszeit. Auf der Kesselflickerfamilie sind die Verhältnisse im ganzen besser, auf den Zeichnungen und Radierungen aus dem Bauernleben sogar meist ausgezeichnet.
Matthias Scheits 91 Die Kesselflickerfamilie

Matthias Scheits 91 Die Kesselflickerfamilie

17 Rittertracht der damaligen Zeit, in der Mitte Kaiser Maximilian I.

17 Rittertracht der damaligen Zeit, in der Mitte Kaiser Maximilian I.

Matthias Scheits 95 Der Disput

Matthias Scheits 95 Der Disput

alle Kapitel sehen