Vom Kardinal Raymundus. Auch vom Hamburger Biere

Vom Kardinal Raymundus. Auch vom Hamburger Biere
(1503.)

Zur Zeit, da der Papst den Kardinal Raymundus als Legaten nach Deutschland geschickt, um allerlei Streitigkeiten zwischen Clerisei und Weltlichkeit zu schlichten, kam derselbe auch nach Hamburg. Die ganze Geistlichkeit, das Dom-Capitul mit Probst und Dechant an der Spitze, auch alle Mönche und Weltpriester gingen ihm in weißen Chor-Röcken mit Kreuzen und Fahnen entgegen. Rat und Bürgerschaft empfingen ihn am Tore und geleiteten ihn nach der Domkirche, woselbst er auf dem hohen Chor am Altare niederkniete und seine Andacht verrichtete, und sodann in seine Herberge in der Cantorei am Berge, wo nachmals der Dechant gewohnt. Am folgenden Sonntag war feierliche Prozession; nach dem Gottesdienste betrat der Kardinal ein hohes Gerüste auf dem Doms-Kirchhofe, vor des ersten Dom-Pastors Hanse, darin hernach der Stadt-Physicus gewohnt. Von solchem Throne herab tat er an die Burger und Einwohner eine schöne Lateinische Anrede, welche ein vornehmer Clericus, der Graf von Kirchberg, verdolmetschte, darin er die Bürger zu Frieden und Eintracht vermahnte und dann allen Andächtigen den Segen erteilte. Bei solchem Akte dienten ihm als Diakonen der postulierte Erzbischof von Bremen, Christoph, Herzog von Braunschweig, und der Graf von Kirchberg. Herr Raymundus hat in Hamburg seine Sachen wohl verrichtet und alle Händel des Dom-Kapitels mit der Stadt geschlichtet; die Clerisei hat er scharf vermahnt, dass sie kein Ärgernis geben sollte und Frieden halten, und die Mönche hat er in den Klöstern heimgesucht und hat bei harter Strafe anbefohlen, dass sie ihren Ordensregeln sollten genau nachkommen, ein heilig Leben und einen erbaulichen Wandel führen.


Übrigens hat er sich mich Hamburgs Ergötzlichkeiten gefallen lassen, und Speise und Trank haben ihm wohl behagt. Absonderlich hat er dem schönen Biere zugesprochen, das dazumal noch weltberühmt und weit trefflicher gewesen, als heut zu Tage das Bayrische, das mau aller Orten findet, grade so wie dazumal das Hamburger Bier in der ganzen Welt getrunken worden ist. Und der Herr Kardinal hat, als er an diesem Biere sich gütlich getan, ausgerufen: O quam libenter esses vinum, das heißt etwa:

O Bier, wie schmeckst du fein,
Wie gerne wärst du Wein
.

Welcher Spruch dann (wie ein alter Historienschreiber beifügt) zumeist die löbliche Brauer-Brüderschaft sehr vergnüget hat, aber auch von E. E. Rat, als Anerkenntnis einer der preiswürdigen Tugenden dieser guten Stadt, mit nicht ge, ringer Gemütsbewegung vernommen ist, maßen solch Kardinals-Wort dem Hamburger Biere eine unvergängliche Ehre gezollt.

Das Bier aber war dazumal bei aller Trefflichkeit so billig zu kaufen, dass ein Gebräu von 47 Tonnen nicht mehr denn 46 — 47 F galt. Von diesem Hamburger Biere sagen damalige Schriftsteller: „es ist gar feinen annehmlichen Geschmackes, anfänglich auf der Zunge süße, sodann lieblich säuerlich wie Wein. Vor Zeiten ist es hochrot gefärbt gewesen, nachmals aber ein Braun- und Weiß-Bier geworden. Es hat viel Substanz in sich und giebt reichliche Nahrung, dass der Mensch davon brav gedeihet und ein gut Geblüte benebst schöner Farbe annimmt; maßen man in Hamburg nicht allein von Farben gar schöne und feine Jungfern und Frauenzimmer, sondern auch gar wohlgestaltete Junggesellen und Männer erblicket. Und auch von denen auswärtigen Medicis wird das Hamburger Bier für ein gesundes Getränke gehalten und mannigfach verordnet.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburgische Geschichten und Sagen Teil II