Des Kommandanten Strafmetoden (1659-1672)

Als der in auswärtigen Kriegszügen wohlmeritirte Oberst Johann von Copey *) hieselbst Stadt- und Festungs-Kommandant geworden war, da fand er die Soldateska etwas verwildert, was aber nicht seinem Vorgänger, dem General Hans von Schack beizumessen ist. Denn derselbe, ein ausgezeichneter Kriegsmann, der in kurzer Zeit unsre Festungswerke meisterlich verbessert hatte, würde auch die Garnisonsdisziplin gehoben haben, wenn er nur länger als ein Jahr Kommandant geblieben wäre. Aber die üble herrische Begegnung, die dem General von Seiten der bürgerlichen Kriegs-Kommissarien zu Teil wurde, machte ihm seinen Posten so gründlich zuwider, dass er ein Kommando im Dänischen Dienste übernahm, woselbst er später sich rühmlichst hervorgetan, und in den höchsten Ehren als Reichs-Feldmarschall gestorben ist.

Da nun also die Garnison längere Zeit kein höchstes Oberhaupt gehabt hatte, so war die Disziplin etwas aus den Fugen gegangen. Der Oberst von Copey zog sogleich die Zügel straff an und statuierte Exempel über Exempel. Dabei fand er's rätlich, eine hieselbst noch neue Soldatenstrafe einzuführen, die er auswärts mit entschiedenem Nutzen hatte anwenden sehen: das Krumm schließen. Als nun ein Reiter sich gegen seinen Lieutenant gröblich vergangen hatte, ließ er ihn vor der Hauptwache an einem Pfahl also krumm schließen. Dies war dem gemeinen Mann etwas Fremdes und däuchte ihm grausam, um so mehr, da der Reiter ein Hamburger Kind war. Ganze Haufen umstanden den Pfahl, eine Menge zartfühlender Weiber bejammerte und bewehklagte den armen unschuldigen jungen Wurm, der sich so krümmen müsse, dass er gewiss nie wieder grade gehen werde, wenn er nicht gar tot bleibe von solcher Marter. Kurzum sie regten sich selbst dabei so auf, dass sie vor des Kommandanten Wohnung zogen und den Kerl los forderten. Der Oberst aber kümmerte sich nicht um ihr Geschrei, und als die Zeit der Strafe um war, und der gekrümmte halbtote Wurm sich wieder zu einem lebendigen kerzengraden Reitersmann aufrichtete, da war Jedermann befriedigt.


Später, im Jahre 1672, führte der Oberst von Copey noch eine andere Strafe ein, das Spitzrutenlaufen, das zuerst in der Hornschantze vor dem Altonaertore exekutiert wurde. Die Hornschanze, deren Namen sich noch bei uns als Hornwerk erhalten hat, war 1644 wesentlich erweitert. Damals hatte König Christian IV. von Dänemark sie besichtigt, und einen General seines Gefolges um dessen Urteil befragt. Das Werk sei trefflich gut, hatte dieser geäußert, und habe nur einen Fehler, den, dass der Galgen darin fehle, um den Baumeister daran aufzuknüpfen, der mit so ungeheuren Kosten ein ganz unnützes Werk verfertigt habe; denn einige 1.000 Mann würden kaum genug sein zur Defension, weshalb es der Stadt mehr schade als nütze. — Es wurde sodann auch wieder demoliert und neuerdings brauchbarer angelegt.

Das Spitzrutenlaufen, das der Kommandant einführte, war nun auch etwas ganz Neues, und erschien anfangs sehr grausam, da es an das vormalige Gassenlaufen der Landsknechte durch die gesenkten Spieße erinnerte (mit dem man es oft verwechselt und deshalb irrig Spießruten nennt). Die erste Exekution dieser Art in der Hornschanze traf am 16. September 1672 einen Soldaten von Major von Wasserbergs Compagnie, der auf der Schildwacht schlafend gefunden war. Die Gasse die er durchlaufen musste, bildeten 100 Mann, welche mit mäßigen Haselruten in der Hand ihrem Kameraden den Denkzettel auf den Rücken schreiben sollten. Nun war unter diesen Soldaten ein kecker junger Kerl, den verdross diese Manier, obschon ihm der alte Feldwebel vorstellte, dass diese Art doch immer viel ehrenvoller sei als des Profosen und Stockknechts Stecken. Er redete auch seinen Nebenmännern zu, dass sie mit dieser neuerlichen Justiz nichts zu tun haben möchten, und keinenfalls zuhauen sollten. Als der Oberst von Copey grade vorüber schritt, warf der stolze Soldat seine Rute zur Erde und sprach laut: „ein Hundsfott wer sie aufnimmt!“ Gemächlich trat der alte Oberst herzu, hob die Rute vom Boden und fragte die Compagnie: ob er jetzo ein Hundsfott?

Nach dem glücklich vollendeten Gassenlauf kam dann der aufsätzige Soldat vor's Kriegsrecht. Es wurde ihm dieselbe Strafe zuerkannt, aber der wackere Oberst hatte den Kerl eigentlich wegen seiner kecken Rede lieb gewonnen, darum begnadigte er ihn zu einfachem Profosenarrest.

Das Spitzrutenlaufen ist darnach beibehalten und noch im vorigen Jahrhunderte auf dem Zeughausmarkte vollstreckt.

*) Er war geboren 1603 in Kursachsen, und wurde, aus schwedischem Dienst hierher berufen, im Januar 1658 beeidigt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburgische Geschichten und Denkwürdigkeiten