Wunderrosen (1643)

Während des großen deutschen Krieges, der sich schließlich als ein dreißigjähriger ausgewiesen hat, hatten die Leute ganz verlernt, was Friede sei. Es war bereits eine ganze Generation unter'm Kriegslärmen geboren und herangewachsen; man kannte keinen andern Zustand mehr und hatte sich drein gefunden. Verlängerte Winterquartiere der Truppen, das war etwa die Vorstellung die man mit dem Begriff Frieden verband. Darum glaubte auch kein Mensch an Erfolg, als die ersten Gerüchte von Friedens-Unterhandlungen durch's Reich gingen.

Hierüber unterhielten sich zwei Fuhrleute aus Hamburg, die im Jahre 1643 von der Leipziger Messe schwerbefrachtet heimzogen. Sie gingen, nach Art solcher Fuhrleute, neben dem Wagen und diskutierten hin und her. Beide bezweifeln die Möglichkeit eines Weltfriedens, der eine aber, ein recht ungläubiger Thomas, ruft aus: so gewiss wie der Weidenbaum dort am Graben keine Rosen tragen kann, so gewiss werden wir Beide keinen Frieden im Reich mehr erleben. Als sie nun den Weidenbaum im Vorübergehen anblicken, siehe, da schimmert es ihnen ganz rötlich aus dem graugrünen Gezweige, und als sie neugierig näher treten, da finden sie den ganzen Wichelbusch mit Rosen wie bedeckt.


Dies Wunder ist freilich nicht auf Hamburgischem Territorium gewachsen, und dürfte eigentlich kaum in eine Sammlung Hamburgischer Geschichten gehören. Indessen brachten die gedachten Fuhrleute einige von den Rosen als Wahrzeichen in ihre Vaterstadt heim. Und der Umstand, dass solche Rosen hierorts vielfach besehen, bewundert, und als eine Beglaubigung der erst fünf Jahre später verwirklichten Friedensaussichten verehrt worden sind, erscheint immerhin als eine Hamburgische Denkwürdigkeit.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburgische Geschichten und Denkwürdigkeiten