Wunderkorn (1664)

Dies Naturwunder ist kein auswärtiges Produkt, sondern vollbürtig einheimisches Gewächs. — Nach einem reichen Getraidesegen, dessen Erndte jedoch durch heftige Orkane gestört gewesen war, zeigte sich im nächsten Frühling und Sommer an vielen Orten junge Saat, wo sie von keinem Menschen, vielleicht vom Winde, bestellt gewesen war. Auf den Feldfluren von Barmbeck, Winterhude, Eppendorf und Eimsbüttel wuchsen die schönsten Ähren nicht auf dem Ackerlande, dessen Früchte äußerst kärglich ausfielen, sondern an und auf den Baumstämmen, in der Borke uud Rinde alter Weiden, auf Eichenstrünken, ja sogar auf Zäunen, Hecken und hölzernen Stacketten, die man bei uns gern „Gestick“ nennt. Man ließ es, der Seltenheit wegen, ungestört wachsen und sammelte als es gereift war die Körner, welche ein ausgezeichnet schönes Mehl und folglich, gut gebacken, auch ein treffliches Brodt gaben. Schade, dass nicht in jedem Hungerjahre solche Aushilfe wachsen will. In diesem Jahre z. B. würde eine Reihe voller Kornähren manch' Gestick äußerst wertvoll geziert haben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburgische Geschichten und Denkwürdigkeiten