Der Feuerkönig (1678)

Zur Jahrmarktszeit im Herbste 1678 ließ sich allhier ein französischer Künstler für Geld sehen, der nannte sich einen Feuerkönig, dieweil er unumschränkter Herr und Gebieter dieses sonst allen Menschen feindlichen Elementes sei. Ein Chronist erzählt uns von den Proben seiner Geschicklichkeit in der Tat Wunderdinge. Es heißt: dieser Kerl konnte glühende Kohlen im Munde haben, sie mit seinen Zähnen zerbeißen, kauen, wie man hartes Brodt behandelt, und sodann vor aller Welt Augen hinunter schlingen, und zwar nicht einzelne Kohlen, sondern bei ganzen Händen voll. — Dann nahm er ein rotglühend Eisen, damit schabete er sich Gaumen und Zunge und gebrauchte sich seiner statt eines Zahnstochers. Das Eisenstäblein, das er dazu nahm, kam immer vor allen Augen eben erst aus dem Feuer, und glühete so, das es Holz entzündete. — Auch wickelte er ein Stück roh' Fleisch über eine Feuerkohle, legte sich dies Röllchen auf die Zunge, und ließ es dort braten, während er die Kohle mit dem Püster glühend erhielt; wenn es braun gebraten war, schlang er die ganze Geschichte hinunter.

Zu solchem Essen nahm er das entsprechende Getränk. Er machte sich ein Höllengebräu aus Pech, Schwefel und Siegellack, das er in einer eisernen Kelle zusammenschmelzen und kochen ließ. Wenn dann die blauen Flammen recht hell herausloderten, dann nahm er hiervon fünf- bis sechsmal nacheinander einen kleinen Teelöffel voll, steckte es so flammend in den Mund und schluckte die flüssige Lohe hinunter; wenn's ihm auf die Zunge kam, so konnte man's ordentlich zischen hören, als wenn Heißes auf Kaltes fällt. — Dann überbot er dies Getränk durch eine Portion glühender Kohlen, die er zu mehrerer Würze in gestoßenen Schwefel, (wie in Pfefferkörner) umkehrte, worauf er die blauflackernden Flammen etwas wegpustete und den fetten Bissen verschlangt Dies Stück wurde von den Hamburgern besonders gern gesehen, weil's wegen der Flämmchen gar niedlich aussah und der Kerl es ganz appetitlich ausführte. Damit schloss er gemeiniglich seinen Cursus der Experimental-Physik, worauf er einige Kannen Bier trank und ruhete. Wenn dann aber wiederum genugsam Zuschauer sich gesammelt hatten, so begann er den feurigen Kreislauf nochmals, und so fort, wohl fünfbis sechsmal an einem Nachmittag und Abend. Der Schauplatz war in einer Bude an der Millernthorsbrücke, die Person bezahlte beim Eintritt 3 ß Lübsch, was man einen honetten Preis nannte.


Der Mann behauptete, er habe seine Kunst bereits vor Kaisern, Königen und allen Potentaten der Welt gezeigt, und überall viel Geld und Ruhm damit verdient, das Geld sei ihm wieder abhanden gekommen, der Ruhm aber sei ihm geblieben. In Venetia, allwo der Doge ihn bewundert, hätte man ihn dennoch der Zauberei verdächtig gehalten, so dass er mit Not und Sorge dem Feuertode entronnen sei, denn nur innerlich sei er des Feuers Herr, nicht wenn's von Außen käme. Er könnt' es überall gründlich beweisen, dass seine Kunst keine Hexerei wäre, auch keine Geschwindigkeit, sondern ein ganz absonderliches Arcanum, was in der Natur stecke. Damit betupfe er sich seine Innerlichkeit, ehe er Feuer verschlinge. Wer das Geheimnis kaufen wolle, der könne es für 100 Th. gewahr werden. — Der Mann hat aber doch keinen Segen bei seinem mühseligen Feuerspiel gehabt, und ist — wohl in Folge seines in der Natur steckenden Arcanums — sehr frühzeitig Todes verfahren.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburgische Geschichten und Denkwürdigkeiten