Des Domdechanten Bann. (1465 und 1482.)

Zur katholischen Zeit besaß der Dechant oder Dekan des Hamburgischen Dom-Capitels die Machtvollkommenheit: schlechte Christen, Kirchenfeinde und andre böse Menschen nicht nur zu excommunizieren, sondern förmlich in den Bann zu tun. Aber obgleich der Dechant hierin wie ein kleiner Papst und als dessen Commissarius handelte, und auch den kirchlichen Folgen seines Bannstrahls gehörigen Nachdruck zu geben wusste, so hatte derselbe doch zuweilen gar unerquickliche Rückwirkungen für die Dorfschaften des Capitels oder der Stadt Hamburg, die doch bei solchen geistlichen Händeln völlig unbeteiligt waren.

So hatte ums Jahr 1465 der Domdechant, Herr Hinricus Pommert, den Albert Brömbse, einen Mecklenburger vom Adel, aus was für Ursach, weiß ich nicht, in den Bann der Kirche getan. Vielleicht gehörte er zu der Familie der Brömbser, zu deren hieb- und stichfertigem Ahnherrn der Kaiser bei Erteilung des Ritterschlages gesagt hatte, „Keerl, du stickst as'n Brömbs, Brömbs schalst du heten;“ welche Familie am Rhein z. B. zu Rüdesheim angesessen war und auch bis kürzlich in Lübeck zu den Patriziern zählte. Kurzum, jener Albert wird auch wohl wie eine Bremse gestochen haben, ein gewalttätiger Mann, Friedensbrecher oder gar ein Stegreifreiter gewesen sein. Zwar hatte er gesagt, als ihm der Bann angekündigt wurde, er schere sich den Teufel drum, — doch als er sich nun etliche Jahre von der Kirche und ihren Spenden völlig ausgestoßen sah, und auch jeder ehrliche Christenmensch sich aller Orten von ihm zurückzog, da fiel der Bann ihm doch lästig. Bat drum seinen Herrn, den Herzog von Mecklenburg, dass er ihn lösen helfe. Dieser schrieb auch etliche Male dem Capitel und suchte des Bannes Aufhebung nach für seinen Mann. Aber der Dechant forderte zuvor Kirchenbuße und Sühne, davon der Brömbser nichts wissen wollte, und so blieb er im Bann. Solches verdroß den Fürsten; ließ es also geschehen, dass der Albert Brömbse als Feind der Hamburger sich erklärte und mit gewappneten Leuten herbeizog, sich zu rächen. Wenn er nun auch der festen Stadt und den Capitelsherren darinnen nichts anbaben konnte, so kühlte er doch seine Wut an den unschuldigen Dörfern Hamm und Horn, die er urplötzlich überfiel und mit Sengen und Brennen, Rauben und Morden ganz grausam heimsuchte, — aber schleunigst davon floh, sobald ein tüchtiges Geschwader Reisiger aus der Stadt zog, ihn zu bekriegen. Ebenso unvermutet kam er folgenden Jahres wieder nach Horn, brannte vier Scheunen und acht Häuser ab, darunter den alten Fährkrug (Andere sagen den Kuhkrug), haute eigenhändig einen Mann halb kopfab, und zwei Leute ganz lahm, worauf er mit seiner Bande und Beute eilends entwich vor dem gar ernsthaft heranziehenden Hammer Landsturm, der eine so grimmige Miene machte, dass der feldflüchtige Mordbrenner sich hierorts nicht wieder hat blicken lassen. Wegen solcher Untaten ist Albert Brömbse natürlich nicht aus seinem Banne gekommen, sondern drin geblieben und gestorben, und sonder christlich Begräbnis, Sang und Klang begraben worden; aber die armen Hamburger Bauern hatten doch großen Schaden dabei gelitten, und dass das Capitel sie entschädigt hätte, davon steht nirgend was geschrieben.


Ähnlich gings 1482, da Herr Albrecht Geverdes Dechant zu Hamburg war. Das Capitel hatte wiederum einen frevelhaften Mecklenburgischen Edelmann in den Bann tun müssen, und ihn trotz Herzog Albrechts VIII., seines Gebieters, Fürsprache, platterdings nicht lösen wollen. Der Herzog, dem es schon an sich sehr empfindlich war, dass seinen Vasallen so häufig der Hamburgische Bannstrahl auf den Pelz brannte, — nahm solche Weigerung so übel, dass er im September jenes Jahres ein kleines Heer sammelte in seinen Landen und aus der Priegnitz, und damit dem Hamburgischen Dom-Capitel in dessen Dörfer fiel, vornämlich Poppenbüttel, woselbst er mit Brennen und Plündern ganz übel hausete, um nur dem Dechanten recht wehe zu tun. Schade nur, dass wieder die armen schuldlosen Bauern es waren, die beim Zausen der Herren die Haare lassen mussten. Indessen war der Herzog doch so gerecht und gewissenhaft pünktlich, dass er nur die Capitelseingesessenen schädigte, den benachbarten Dörfern, welche der Stadt Hamburg gehören, dagegen nichts tat. Durch solch Verfahren wurde nun zwar der Edelmann seines Bannes nicht quitt, aber sein Herr hatte ihm doch (wie er es ansah) Genugtuung verschafft. Daneben hatte der Herzog für die Kosten der Heerfahrt sich an den Poppenbüttelern erholt, denen er noch sechshundert treffliche Kühe wegtrieb, als er mit übriger waidlicher Beute (zu mehrerer Ergötzlichkeit hinterdrein) endlich ab- und heimzog gen Güstrow, wo er Hof hielt.

Der Holsteinische Amtmann zu Trittau, Herr Benedict von Alefeld, durch dessen Gebiet der Herzog gezogen kam, hätte eigentlich ganz füglich den feindlichen Durchzug verwehren können und müssen. Aber gelegentlich ist es wohl passiert, dass die guten Holsteiner in ihrer freundnachbarlichen Gesinnung für die Hamburger, nicht grade scheel sehen, wenn deren Widersacher kommen, sie zu drangsalen. Der Trittauer Amtmann sah aber wohl auch deshalb durch die Finger, weil er ein Gegner des Hamburger Dechanten, und gleichfalls von diesem in den Bann getan war.

Obschon hohen Herren wie vielen andern Menschen, gar Manches hienieden ungestraft hingehet, so ist dennoch dem Herzog Albrecht sein trotziger Frevelmuth gegen das Hamburger Capitel sehr übel bekommen. Denn erstlich schleuderte dasselbe natürlicherweise auch auf ihn den Kirchenbann, und zweitens brachten ihn die geraubten Poppenbütteler Kühe elend um's Leben. Er tat sich einstmals zu Anfang des folgenden Jahres mit selbigem trefflichen Kuhfleisch, wie täglich, eine Güte, und da der Braten ihm zu wohl mundete, schlang er gierig allzu große Bissen hinunter, deren einer ihm dann, wie man zu sagen pflegt, in den unrechten Hals kam, also, dass er trotz alles Hustens und Auskratzens ganz jammerhaft daran versticken musste, zum Schrecken seiner Leute, die ihm gleichwohl nicht zu Hilfe zu kommen gewagt hatten, um ihrerseits keine Exkommunikation zu befahren.

Also rächte sich der fürstliche Frevel gegen das Hamburger Dom-Capitel durch sich selbst. Aber das Capitel forderte, billigerweise, außerdem noch Schadenersatz von des Herzogs beiden Brüdern, seinen Nachfolgern im Regimente und Erben seiner Rechte wie seiner Verpflichtungen. Und da sie sich dess' weigerten, überkam auch sie erbrechtlicherweise, der Kirchenbann, von dem erst 1485 Papst Innocenz VIII. sie losgezählt hat.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburgische Geschichten und Denkwürdigkeiten