Wer Bernd Beseke gewesen ist

Des Lebens Glück und Unglück hat wohl jedes Menschenkind auf Erden in vielfacher Weise zu erfahren. Aber nicht Jeder stürzt von einer verhältnismäßig hohen Stufe irdischer Wohlfahrt hinab in den tiefsten Abgrund des Elends, das ihm die eigne Schuld bereitet. Das hast du erfahren, du armer Bernd Weseke, der du doch von Haus aus ein guter unschuldiger Thor warest und gewisslich in keiner bösen Haut stecktest. Als in deiner Jugend das Leben sich gar freundlich dir gestaltete und eine heitere Glückssonne dir aufgegangen war, da hättest du's bedenken sollen, was man sagt: „Jeder ist seines Glückes und Unglückes Schmidt.“ Du armer Bernd Beseke, da hättest du's beherzigen müssen, was die Schrift sagt: „Eitelkeit und Hoffahrt treibet zur Sünde, — „aber die Sünde ist der Leute Verderben, — und der Tod „ist der Sünden Sold.“

Bernd Weseke war zu Braunschweig geboren und eines Nadlers Sohn. Seiner Mutter Bruder lebte hier zu Hamburg und hieß Hein Schröder, der nahm den jungen halbwüchsigen Buben zu sich, erzog ihn und ließ ihn was Rechtschaffenes lernen. Und weil er ein gar freundliches rosiges Gesicht, einen offnen Kopf und aufgeweckten Sinn hatte, auch von Herzen ein gutmütiger Bursche war, so mochten ihn die Leute gern leiden, und wurden ihm freund als er größer geworden war.


Darnach, etwa um 1525, setzte sich Bernd Beseke als Bürger, und fing sein eigenes Geschäft an als Wandschneider oder Tuchhändler. Zu derselben Zeit heiratete er seines Ohms Hein Schröders Stieftochter, die ihm ein ansehnliches Vermögen in die Ehe brachte. Da meinten alle Leute, Bernd sei ein rechtes Glückskind, und so gut wie's dem armen Nadlerssohne aus Braunschweig hier bei uns ergangen sei, so gut gehe es manchem ehrlichen Stadtkinde nicht.

Nun wäre auch alles gut gewesen, und Bernd hätte können mit Gottes Hilfe zeitlebens ein wohlbehaltener Mann bleiben; er hätt es auch noch weiter bringen können; denn mancher Mann, der aus der Fremde nach Hamburg kam und noch viel kleiner anfing, als Bernd, hat durch Fleiß und Ordnung, Ehrlichkeit und Sparsamkeit hier sein Glück gemacht; und sahen die Mitbürger des Mannes Tätigkeit, so würdigten sie ihn gern der Ehre, dem Gemeinwesen mit vorstehen zu helfen, und zollten ihm Achtung und Ansehen. Und so hätt' es Bernd auch wohl noch bis zum ehrbaren Oberalten bringen können, ja auf diesem Wege vielleicht noch weiter, — wenn er nur fleißig und arbeitsam, bescheiden und gesetzt geblieben, und nicht so ein großer Windbeutel geworden wäre!

Er war ein stattlicher junger Mann, von gar schönem Aussehen, und das war zunächst sein Unglück, denn es machte ihn unbändig eitel und prunksüchtig. Und da er mit dem Gelde seiner Frau auch zugleich eine große Meinung von seinem Verstande und Wissen überkommen hatte, und der leidige Hochmut ihn trieb, sein ehrliches Gewerbe zu missachten und den Vornehmsten der Stadt in allen Stücken gleich zu werden, so stand sein eitler Sinn nach gewaltig hohen Dingen, und darüber verfiel er in allerhand Thorheit und Narretheiung. Er kleidete sich über die Maßen köstlich; zu seinen Röcken, Wämmsern und Mänteln nahm er aus seinem Laden das allerfeinste Brüsseler Tuch; der Schneider durfte ihm keinen Rock ohne großen, weit auf den Rücken herabfallenden Kragen machen, was man damals „Sladal“ (Niederschlag) nannte, und kein Wamms ohne weite Vorärmel und Puffen, nach Art der Frauen, wie's derzeit bei den jungen Stutzern Gebrauch war. Auch erstand er sich, als 1530 und 1531 das Marien-Magdalenen Kloster von den Mönchen verlassen war, die prächtigen Messgewänder und sonstigen Feierkleider der Priester. Da ging erst recht sein Prunken an, so dass es gar nicht zu sagen ist, wie reich er sich alle Wämmser und Röcke mit den Gold- und Silber-Kanten besetzen ließ, dass er ordentlich gleißte, wenn die Sonne auf ihn schien.

Also ausstaffiert, recht wie ein eitler Thor, ließ Bernd sich vielfältig auf den Straßen und Märkten sehen; in der Kirche blickte er sich fleißig rechts und links darnach um, ob die Leute ihn auch bewunderten; überall war er zu finden, nur nicht in seinem Geschäfte mit der Elle in der Hand; aber schön geputzt und mit dem Schwert an der Seite zeigte er sich aller Orten, und am häufigsten mit gar wichtigen Mienen in der Rathausgegend, als wenn er dort viel zu schaffen habe, und die wohlweisen Herren etwa seines klugen Rathes begehrten. Also stolzierte er überall umher, wo er den Leuten recht in die Augen fiel, dass sie vermeinen sollten, er sei der großen vornehmen Hansen einer und bedeute viel in der Stadt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburgische Geschichten und Denkwürdigkeiten