Bernd vor Gericht

Am 28. Juli war's, Freitag nach Jacobi, da wurde Bernd mit seinen drei Knechten vor Gericht gebracht und seiner Untat halber angeklagt, dass er räuberisch das Stader Schiff überfallen und genommen, die Leute herausgeholt, sie ermordet und über Bord geworfen mit Hilfe seiner drei Knechte. Darauf wollten sie nun seines Bekenntnisses feierliche Bestätigung vernehmen.

Bernd aber hatte sich inmittelst anders besonnen, und gedachte noch durch Leugnen sein Leben zu salviren. Vorerst, sagte er, könne er auf nichts eingehen, denn er stehe in Zwist mit Herrn Jürgen Plate, der einzig ihm diesen Handel aus Feindschaft eingerührt habe, er werde auf selbigen sich nicht eher verantworten, als bis die alten Handel mit Jenen, ausgetragen seien. Solcher Einrede ungeachtet wurde aber zu Recht gefunden, dass man den Bericht über seine Untat solle verlesen, d. h. den peinlichen Prozess beginnen. Dies Erkenntnis schalt Bernd und appellierte an den Rat, von dem sogleich die Findung des Niedergerichts bestätigt wurde. Bernd wurde also wieder vom Rathaus aufs Niedergericht gebracht, woselbst nun seine und seiner Knechte Bekenntnisse verlesen wurden, worauf der Fiscal ihn öffentlich peinlich anklagte, und die Artikel 17 und 18 im Abschnitt O. des Stadtrechts (von 1497) auf ihn angewendet wissen wollte; die lauteten aber:


- - eynem rovere (Räuber) schal man syn hovet (Haupt) afslan, umme roev, de dree pennynge wert ys.
Und item: eynem mordere schall man syne leede (Glieder) tostoten (zerstoßen) myt eynem Rade unde se denn darup setten.


Bernd weigerte sich, sogleich selbigen Tages auf die Anklage sich einzulassen, und verlangte einen Beirat und Defensor. Das Niedergericht beschied, dass ihm kein Beirat zu gönnen; als er aber solchen Bescheid schalt und an den Rat appellierte, da fand derselbe die Berufung richtig und gönnte ihm einen Fürsprech oder Defensor, worauf Bernd vorerst wieder in den Turm gebracht wurde, um mit demselben sich zu besprechen.

Darnach, am 31. Juli, am Vorabend Petri-Kettenfeier, stand Bernd mit seinem Beirat wieder vor dem Niedergericht. Da verneinte er alles und leugnete standhaft und sprach, sein Bekenntnis habe er nur aus Furcht vor der Pein (der Tortur) getan. Darauf erging die Findung, dass man Bernd solle auf die Reck- und Streckbank bringen, und ihn daselbst fragen: ja oder nein. Die Findung schalt er unter Berufung an den Rat. Für die drei Knechte, die nicht widerrufen, fondern bestätigt hatten, wurde selbigen Tages zu Recht gefunden, dass sie gestandener Untat wegen nach dem Laut des Art. 18 büßen sollten.

Als Bernd nun, seiner Berufung halber auf dem Rathause vor dem Rat stand, sagte er unter Andern: „er habe die Tat doch nicht getan, und die Herren möchten ihn nur sieden und braten lassen, wie sie wollten, da sie ihn nun einmal in ihrer Gewalt und doch schon lange nach seinem Leben getrachtet hätten.“ E. E. Rat aber sprach zu Recht und bestätigte das Urteil des Niedergerichts: man solle ihn bringen nach der Folterkammer, wo er Ja oder Nein sagen könne. Darauf wurde selbigen Tages Bernd wieder in die Hechte der Büttelei gebracht, und beide Gerichtsherren, Peter von Spreckelsen und Jochim Moller, sind ebenfalls dahin gekommen, um ihn dort scharf befragen zu lassen, Ja oder Nein. Daselbst aber hat Bernd doch keine Lust gehabt, auf die Peinbank sich zu setzen, sondern er hat seinen Widerruf zurückgenommen und gesagt: was er zuvor bekannt hätte, dem wäre also, das bestätige er, dabei solle es auch bleiben.

Am 2. August, Mittwoch, ist ihm wieder im Niedergericht sein Bekenntnis mit der Bestätigung vorgelesen, worauf er wieder auf Artikel 17 und 18 angeklagt wurde, und sein Fürsprech ihn verteidigte. Hierauf fand das Gericht zu Recht: dass besagten beiden Artikeln ein Genüge geschehen müsse. Das Urteil schalt Bernd und appellierte. Sofort kam er vor den Rat. Hier hielt nun sein Fürsprech des Breiteren dieselbe Verteidigung, die er so eben im Niedergericht gehalten hatte. Er führte an, dass Bernd in kurzer Zeit so ganz unverwindlichen Schaden gelitten habe und in Armut gefallen sei. Das werde es erklären, wie er, der sonst ehrenfeste biedere Mann, aus menschlicher Gebrechlichkeit dahin gekommen wäre, seltsame Wege zu suchen um wieder empor zu kommen. Er wäre, als ein Mensch von Fleisch und Blut, der Anfechtung des Teufels unterlegen und hätte sothane Untat aus teuflischer Verlockung begangen. Deshalb bezöge er sich auf ein altes Landrecht, wonach es nicht Kopf um Kopf zu gehen brauche, sondern solch Verbrechen auch mit Gelde gebüßt werden könne, — also beantrage er, dass Bernd seine Untat mit Gelde büßen möge, statt mit dem Leben. Auch zöge er Art. 16 hierher, woselbst den Ratmannen die Macht gegönnet wäre „dat se en Ordel lichten mogen, yss et to swar“ (ein zu schweres Urtheil zu mildern). Deshalb wolle er gebeten haben, E. E. Rat möge um so mehr die Sache günstig betrachten, als Bernd bekanntlich zuvor ein unberüchtigter frommer Mann gewesen und einzig jetzt durch Verstrickung des Teufels dazu gebracht sei, hier als armer Sünder stehen zu müssen.

Als sein Fürsprech so weit gekommen war, da unterbrach ihn Bernd und rief mit beweglicher Stimme: „Erbarmen, liebe Herren, Erbarmen! Was geschehen ist, das ist geschehen, aus der Ursach, wie gesagt! und wenn ich E. E. Rat jemals zuvor irgendwie verzürnet habe“ da ist er in bitterlich Weinen ausgebrochen, dass er nicht weiter sprechen konnte, — dann erholte er sich und fuhr fort — „so wolle E. E. Rat mir vergeben.“ Und auch um Erbarmen für seine drei Knechte, die er zur Untat verführt, flehte Bernd gar beweglich. Während dann E. E. Rat sich an die Urteilsfindung begab und das Haus von 10 — 12 Uhr verschlossen blieb, wurde Bernd auf dem roten Zollhause (an der Zollenbrücke) bewacht.

Darnach wurde er wieder in das geöffnete Haus gebracht, wo der worthaltende Bürgermeister, Herr Johann Hülpe, den vier armen Sündern die Sentenz verkündete, die lautete: dass sie sollten erleiden, was Art. 18 verordnete, nämlich, dass ihnen sollten die Glieder mit dem Rade zerstoßen werden, dieweil sie gemordet hatten. Darnach wurden sie wieder vor's Niedergericht gestellt, und daselbst wurde diese Sentenz vor allem Volke laut verkündigt und ausgerufen.

Bis zum 16. August saßen nun noch Bernd auf dem Winser-Turm und die Knechte in der Hechte der Frohnerei. Und während dieser Zeit waren Bernd's Verwandte und Freunde tätig und verhandelten fleißig mit dem Rate und baten für ihn um die mildere Strafe der Enthauptung durch das Schwert. Das Schwert wollte nun E. E. Rat ihm wohl gern gönnen, aber mit dem Beifügen, dass zwar der Rumpf könne begraben werden, der Kopf aber müsse auf den Pfahl gesteckt werden. Dies behagte nun wieder Bernds Freunden schlecht; sie richteten daher nochmals ein großes Bittgesuch an den Rat, dass er doch des armen Bernds Kopf ebenfalls die Grube gönnen möge. Da ist viel Arbeit und Bitten geschehen von Bernds Freunden, auch von den Freunden der Knechte, und sie haben es zuletzt erreicht, und E. E. Rat begnadigte endlich Bernd und die Knechte mit dem Schwert, und gönnte ihren Körpern samt den Köpfen die Grube.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburgische Geschichten und Denkwürdigkeiten