Zu wenig

Zu wenig

(Melodie aus Kieselad)


Zwei rückschrittsfreundeliche Herr'n,
Von Politik sie sprechen gern.
Der Eine meint, 's wär's ein Malör,
Es wär'n zu viel Constubulör.
Was mußten immer sie zu Zwei'n
In dunkler Nacht beisammen sein?
Ach, meint der And're, klön' nich —
Es sind noch viel zu wenig!

In einem äußerst kleinen Land
Sind folgende Steuern schon bekannt:
Aus Taback, Fleisch, aus Miethe, Brod,
Kurzum auf alle Schwerenoth.
Das Volk fleht, den gefräßigen
Zoll etwas zu ermäßigen,
Da meint indeß sein König:
Es sind noch viel zu wenig!

Das Militair ist eine Last
Im Nachbarstaat riesig fast,
Doch der Minister meint allmal:
Es ist doch wirklich ein Scandal —
Die Kerrels thun, als hätt' es Noth,
Es kriegt sie alle doch der Tod,
Die paar Millionen, meen' ich —
Es sind noch viel zu wenig!

Die Theurung drang bei uns auch ein,
Die Rundstück sind bedenklich klein;
Ein Maurer, der zum Frühstück geht,
Bedenklich vor dem Keller steht.
Es macht die Wahl ihm große Roth.
Et schmeckt mi nich dat swarte Brod —
Und d' Rundstück sind to kleen ich,
En Dutzend is to wenig!

Ein Bürger taumelnd vorwärts tritt,
Er stolpert brav bei jedem Schritt,
Ein And'rer sieht, daß er schon voll,
Und ruft: „Du hast getrunken woll
Zu viel —." Da meint der Trunkne: Nee,
Ick trinke nu erst recht no me!
Denn twintig Seideln — Non' nich! —
Dat is noch veel to wenig!


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburger Leierkasten