Die Zeiten ändern sich

Die Zeiten ändern sich

(Melodie aus: Berlin bei Nacht)


Sonst, wenn im Sturm, im Kriegesfeld
Voll Muth sich hat bewährt ein Held,
Galt stets als hohe Ehr' es sehr,
Wenn Ritter war geschlagen er.
Doch uns're Helden ziehen heut
Nach Broncell kaum zum Zeitvertreib,
Und Mancher, der nie Pulver roch,
Ist Ritter vieler Orden doch,
Die Brust schmückt er mit Bändern sich
Jaja — die Zeiten ändern sich.

Einst thronte auf Neapels Thron
Der Leidenschaften heißer Sohn;
Wer er gewesen, davon spricht
Mit Lobe die Geschichte nicht,
Denn seufzen hörte Jahr um Jahr
Man seine Völker immerdar.

Jetzt hat ihn aus dem Vaterland
Des Südens tapfres Volk gesandt,
Er nährt in fremden Ländern sich —
Jaja — die Zeiten ändern sich.

Den Jungfernstieg entlang spaziert
Ein Dämchen jetzt ganz ungenirt,
Das früher an der Spule spann,
Wobei der Schweiß zu Boden rann.
Ein Herrchen sah ihr hübsch Gesicht,
Sie widerstand der Lockung nicht,
Jetzt geht sie, ihn am Arm, umher,
Geschmückt mit echtem Golde schwer,
Behängt mit seid'nen Bändern sich —
Jaja — die Zeiten ändern sich.

Als Adam aus dem Paradies
Der liebe Herregott verstieß,
Weil in den süßen Apfel er
Gebissen, galt's als Sünde schwer.
Maßgebend ist jetzt nicht mehr dies,
Jetzt kommt man aus dem Paradies,
Wenn man heirathet — Gott, wie heißt!
Und in den sauren Apfel beißt,
Umgiebt mit Liebespfändern sich —
Jaja die Zeiten ändern sich!

Sonst machte sich der Zopf sehr breit
Bei uns in Hamburg jeder Zeit —
Jetzt endlich ist vorbei die Schmach,
So jubilirt man heut zu Tag.
Doch wenn man den Gedanken hegt,
Man riesig sich zu irren pflegt,
Seht Eure Reitendiener an,
Die kleiden heut noch Mann für Mann
Mit Rococo-Gewändern sich —
Wie heißt? Die Zeiten ändern sich?!


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburger Leierkasten