Die Mähr von der Frau zu Rabenstein

Die Mähr von der Frau zu Rabenstein

(Volksmelodie.)


Da war die Frau zu Rabenstein,
Die hatte einen Knaben fein,
An diesem thät sie hangen sehr,
Doch oft belief sie Bangen schwer,
Er hielte nicht die Treue.
Das war ihm eine Plage schier,
Doch schwur er alle Tage ihr
Die reinste Lieb' auf's Neue.

Allein ging er spazieren nie,
Er mußt' am Arme führen sie,

Frisch, lieblich, wie ein Weihnachtsbaum,
Poetisch, wie ein Mainachtstraum,
Hat ihn Natur geschaffen.
Doch wenn zu seiner Höh' sie keucht,
Scheint sie die juste milieu vielleicht
Vom Menschen und vom Affen,

Weshalb er ihr die Liebe schwur,
Da er doch diese Triebe nur
Erlügen und erfinden that
In seines Herzens Sündenrath,
Den er im Stillen hegte?
Nur weil er, brau und bieder nie,
Durch dieses immer wieder sie
Zum Blechen oft bewegte.

Einst war sie krank geworden sehr
Und rief den ganzen Orden her
Der Mönche aus dem Kloster nah'
Es war gerade Ostern da,
Und plötzlich war sie pleite.
Viel Ei'r gegessen hatte sie,
Wozu verführt' ihr Gatte sie —
Und nun — Du meine Geite!

Da liegt sie auf dem Todtenbett,
Weil sie einmal nach Noten hätt'
Geschwelget in der Osterspeis'.
Ihr Gatte, keinen Trost er weiß,
Doch lacht er in die Zähne:
Es giebt der Weiber viel wie sie,
Indessen heißt es: Nil nisi
De mortius — als die Beene!

Man schafft sie aus der Stube fein
Und scharrt sie in die Grube ein.
Flugs in die Kneipe eilet er,
Allwo man ihn verkeilet sehr
Für seines Herzens Tücke.
Keine Feder stellt genau es dar,
Doch ihm wuchs drum kein graues Haar,
Denn er trug 'ne Perrücke.

Nicht lange lebte also er.
Einst that er einen Fall so schwer,
Daß er sich brach das Nasenbein.
Man grub ihn unter'm Rasen ein,
Dort liegt er wohl noch heuer.

Moral:
Laßt nie die Lieb' erkalten nicht,
Heirathet keine Alten nicht,
Und eßt nicht zu viel Eier!


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburger Leierkasten