Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier

Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier

(Mel.: Lied aus dem Actienbudiker)


Um zwölf Uhr setzt zu Tisch er sich,
Um zwei zum Kaffee sicherlich,
Um acht Uhr zum Souper er eilt,
Um zehn zu Bette unverweilt,
Erhebt sich aus dem Bett um vier —
Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier.

In einem Staate seufzt man laut:
Herrgott, der unsern Jammer schaut —
Man schindet uns bis auf das Blut! —

Und dabei fehlt es uns an Muth,
Noch dulden uns're Pein'ger wir;
Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier.

Ein armer Mann wird plötzlich reich
Und kommt in feine Zirkel gleich;
Doch fühlt er sich beim Wein nicht wohl,
Denn ach! ihm fehlt sein Sauerkohl,
Auch sehnt er sich nach bayerisch Bier —
Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier.

Alljährlich ward in Engeland
Manch' Freudenfeuer abgebrannt,
Weil alle Jahr ein Prinzlein kam;
Als das nun mal ein Ende nahm,
Da trauert man in England schier —
Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier.

Ein Schüler that nie seine Pflicht,
Weshalb er täglich Prügel kriegt,
Und als er einmal fleißig war,
Erschien es ihm fast wunderbar,
Nach Prügeln juckt sein Puckel schier —
Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier.

Das Fische-Angeln ist erlaubt
Nicht überall, wie man wohl glaubt.
Ein Herr zahlt' Strafe stets darum.
Einst übersah man ihn — wie dumm!
Das ärgert unsern Angler schier —
Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier.

Seit Jahren sitzt im Käfig still,
Ein Vogel, der in's Freie will.
Er flieht — doch kehrt er bald zurück,
's behagt ihm nicht der Freiheit Glück,
Er kehrt zum Käfig metterwend'sch —
Dies Thier ist ein Gewohnheitsmensch.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburger Leierkasten