Umfang und Einwohnerzahl. Das Landgebiet. — Beiderstädtisches

Man kann von Hamburg im doppelten Sinne als Stadt und als Staat sprechen. Letzterer hat jedoch nur durch die Stadt eine Bedeutung. All das Landgebiet, Cuxhaven und die Elbstellen etwa ausgenommen, verschwindet neben ihr und ihren Vorstädten, welche letztere immer mehr vom Landgebiete verschlingen. Ein Teil von letzterem besteht übrigens in holsteinischen Enklaven und aus dem an der äußersten Mündung der Elbe gelegenen Amte Ritzebüttel mit dem Flecken gleiches Namens, sowie dem Flecken Cuxhaven mit einen, Seebade und Handelsanstalten. Ferner gehört zu Hamburg die Insel Neuwerk mit Leuchttürmen und anderen Sicherheitszeichen, welche die richtige Einfahrt in die Elbe bezeichnen. Die nahe vor der Stadt liegenden Elbinseln Wilhelmsburg und Finkenwerder sind zur Hälfte hannoverisch.

Ein fernerer Teil des Landgebietes ist Beiderstädtisch, das heißt unter gemeinschaftlicher Oberhoheit mit Lübeck, mit welchem es auch in der Verwaltung geteilt ist. Dahin gehören das Amt Bergedorf und die Vierlande. Unter letzteren werden die Elbdörfer und Kirchspiele Altengamme, Neuengamme, Kurslak und Kirchwerder verstanden, welche uranfänglich von holländischen Einwanderern am rechten Ufer der Elbe, einige Stunden oberhalb der Stadt, gegründet wurden und weit und breit zu den blühendsten Distrikten gezählt werden.


Die Einwohnerzahl des ganzen Gebiets ist eben so schwer richtig anzugeben wie die der Stadt. Ein paar mal Hunderttaufend im Ganzen, ohne das Beiderstädtische, von denen nach einer neuen Zählung 171.700 auf Stadt und Vorstädte kommen, dürfte sich der Wahrheit nähern, wenn nicht da, wo das Ende der Vorstädte angenommen wird, unmittelbar wieder ein dichtbewohntes Landgebiet begänne, welches die Masse vermehrt und ohne Zweifel über jene Zahl hinausdrängt. Bisher war auch die Art der Volkszählung eine ziemlich mangelhafte. Dieselbe stützt sich hauptsächlich auf die Angaben des halbjährlich „umschreibenden“ Bürgermilitärs. Ein Offizier und ein Feldwebel begehen allemal im Mai und November einen bestimmten Distrikt und fragen in jedem Hause nach Wohnungsveränderung, Familienab - und -Zugang und lassen sich von Fremden die Aufenthaltslegitimationen vorzeigen.

Dass diese Listen lückenhaft sein müssen, liegt auf der Hand, vorab durch den Umstand, dass eine unverhältnismäßig große Zahl von Einwohnern jeden Sommer Landwohnungen bezieht, sowie dass Hunderte von unrichtigen Angaben unterlaufen können. Es ist deshalb vorgekommen, dass Leute viele Jahre lang hierorts gewohnt haben, deren Existenz den Behörden erst bei Gelegenheit einer Feuersbrunst (wo in der Regel, oder doch sehr oft, Verhaftungen der Hausbewohner zur Feststellung der Entstehungsursache vorgenommen werden) bekannt geworden ist. Außerdem munkelt man hier und da von absichtlicher Verheimlichung der Bevölkerungszunahme gegenüber der Bundesmatrikel, um nicht ein höheres Militärkontingent stellen zu müssen; gewiss eine unglaubwürdige Behauptung.

Der ausgebreitete Handel Hamburgs zog von jeher Menschen aus allen Ländern hier zusammen, und so gibt es denn neben der deutschen christlichen und nicht unbedeutenden jüdischen Bevölkerung noch eine große Anzahl von naturalisierten Ausländern, namentlich Portugiesen, Holländer, Engländer, Dänen und Franzosen, eine Einwanderung, die bis auf die neueste Zeit fortbesteht. Es entstand daraus eine Art von Kosmopolitismus, wie er für den Platz nur segenbringend werden konnte, ohne dem germanischen Grundzuge irgend erheblich Eintrag zu tun.

Obschon die Lage Hamburgs noch dieselbe ist, wie vor vielen Jahren, so hat sich der Zuwachs doch natürlich hauptsächlich an der Binnenseite bilden müssen. Trotzdem bildet den Kern noch immer die Altstadt mit den zwischen Elbe und Alster querlaufenden Kanälen, Fleete genannt, scheinbar aus einer Inselgruppe bestehend.

An diese hauptsächlichste Kaufmannsgegend haben sich die anderen Häusermassen angesetzt, wo Platz war, und sie greifen nun schon über die Vorstädte weg, weitaus ins Landgebiet, hier und da mit festen Straßen die Staatsgrenze erreichend, wo dieselbe am nächsten liegt, wie in St. Pauli und an der Wandsbeker Chaussee. Aus diesen Umständen geht der eigentümliche Zustand hervor, dass ein verhältnismäßig größerer Teil des Staatsgebiets mit Kunststraßen, Wasserleitungen, Gaseinrichtung versehen ist, als in irgend einem andern Lande.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg