Reise nach Hamburg und Ankunft. Über den Hafen. — Vom Berliner Bahnhof. — Vom Altonaer Bahnhof

Alle die Hunderttausende von Fremden kommen mit wenigen Ausnahmen auf einem der drei Hauptwege hier an. Westlich, über den Hafen und die Hafenseiten; südöstlich auf der Berlin-Hamburger Bahn und nördlich über den Altonaer Bahnhof. Alle übrigen Zugänge haben mehr den Charakter von Provinzialverbindungen und werden z. B. vom nordöstlichen Holstein aus, wo der Weg jetzt noch auf der Landstraße über Oldesloe und Wandsbek geht, auch bald auf Schienen in den bezeichneten Bahnhöfen einlaufen.

Ankunft über den Hafen. Der Zugang von der Hafenseite ist unstreitig der wichtigste und schönste. Wer von der See ankommt, betritt die Stadt von dieser Seite, sowie die große Anzahl Binnenländer, welche mit den hannoverschen Bahnen über Harburg kommen, und endlich auch die freilich neuerdings ganz klein gewordene Abteilung solcher, welche auf der Elbe aus dem Oberlande anlangen.
Wer die Wahl hat und zu einer Zeit reist, wo kein Eis den Strom sperrt, sollte Hamburg von hier aus betreten, besonders die Süddeutschen und die, welche z. B. nicht östlicher als über Leipzig kommen. Die Kosten sind gar nicht oder unter Umständen doch nur wenig bedeutender als über Wittenberge und an Zeit ist ebenfalls kaum ein Verlust. Jeder Eisenbahnfahrplan gibt darüber Auskunft. Der unvergleichliche Anblick auf Hamburg von den Harburg-Dampfschiffen aus ist gewissermaßen allein die Reise wert. Wenn gleichwohl vielen der über Harburg Reisenden dieses wunderbar schöne Schauspiel entgeht, indem sie sich einer durch Dampffähren unterstützten Omnibusfahrt über die Insel Wilhelmsburg bedienen, so beruht das teils auf Unkunde der Verhältnisse, teils auf dem Umstand, dass das letztere Transportmittel für den Fall weit bequemer ist, dass man viele Gegenstände bei sich führt.


Ich will dem Leser die näheren Umstände auseinandersetzen. Der Harburger Bahnhof liegt etwa 8 Minuten weit vom Abfahrtsplatze der Harburg-hamburgischen Dampfschiffe entfernt. Während man diesen Weg zu Fuß, mittelst Droschke (5 Sgr.) oder Omnibus (2 1/2 Sgr.) zurücklegen muss, was durch größere Gepäckstücke (Transport à 2 1/2 Sgr.) noch erschwert wird, besteigt man jene Omnibusse der Schlüter’schen Kompagnie zur direkten Wagenfahrt gleich am Bahnhofe. Diese Omnibusse stellen ihre Preise wie folgt: für eine Person ohne größeres Gepäck 10 Sgr. = 14 Schill. Hamb. Crt. Mit Gepäck je nach der Schwere und Anzahl, die Hälfte mehr oder das Doppelte. Billetts werden auf dem Harburger Bahnhofe ausgegeben. Für Aufladen des Gepäcks wird Nichts bezahlt. Die Fahrt dauert 5/4 bis 2 Stunden, je nach Wetter und Jahreszeit, und passiert zwei Hauptarme mit Dampffähren, sowie die Insel Wihelmsburg und den Brook. Im Winter ist dieser Weg oft der einzig mögliche. Oft aber, wenn die Dampffähren nicht mehr durch das Treibeis können oder verletzt sind, wachsen die Unannehmlichkeiten der Passage zu einer argen Höhe.
Es gibt dann, am Ufer angelangt, nur die Möglichkeit, über das Eis zu laufen, wenn es nämlich für Schlitten und Wagen nicht fest genug ist, wobei die Gepäcksachen Eiskähnen, mit Schlittenkufen versehen, anvertraut werden; oder Mann, Weib, Kind und Koffer werden, wenn die Eisschollen schon im Treiben sind, in kleine Boote gepackt und mit Segeln, Rudern, Stangen und Eishaken durchbugsiert, oft inmitten der Nacht, bis an die am jenseitigen Ufer haltenden Omnibusse zur Weiterbeförderung. Trotz aller solcher Plackereien bleibt dieser Inselweg für jetzt, bis die langersehnte Brücke gebaut sein wird, bei starkem Treibeis der einzige, und gewährt den Trost, dass man zuletzt gleich mitten in der Stadt (bei der Petrikirche) ausgeladen wird, was bei der Dampfschifffahrt, welche ihren an sich längeren Weg um Wilhelmsburg herum in etwas kürzerer Zeit zurücklegt, nicht der Fall ist. Wenden wir uns nun zur Betrachtung der Überfahrt zu Dampfschiff.

Der Bahnzug ist in Harburg angekommen. Leute, Gepäck und Viehtransporte strömen nach der Abfahrtstelle der fast stündlich befördernden Dampfer. Für den Binnenländer eine Enttäuschung: das Wasser kommt ihm nicht breit genug vor, und drüben hat er statt einer Insel, wo Kühe und Pferde weiden, die Türme Hamburgs erwartet. Nach genauem Spähen werden sie schließlich auch sichtbar, aber im Nebel und Dunst verschwimmend. Die Glocke läutet. Einige drängen über die Brücke dem Schiffe zu, die Anderen warten ruhig ab und tun recht daran: sie kommen Alle mit. Der kleine Dampfer dreht sich. Bei erträglichem Wetter bleibt Groß und Klein auf dem Verdeck. Der Binnenländer könnte hundert Augen brauchen, Alles ist neu und anders als im Oberlande. Einige Möwen tändeln über dem Wasser, auf welchem da und dort rote Tonnen schwimmen, als Bezeichnung des guten Fahrwassers. Nun nähert sich ein Boot mit hannoverschen Landleuten oder Inselbewohnern, schmucke, sauber und wohlhabend gekleidete Leute mit eigen geformten Hüten. Auf dem Schiffe beginnt Musik und in der Ferne tauchen eine Menge Segel auf, indem unser kleiner Dampfer immer weiter stromabwärts geht, um die Insel Wilhelmsburg zu umschiffen. Jetzt wird die Wasserstraße nach der Nordsee zu vor unseren Blicken frei, gleichzeitig werden wir dort des Höhenzuges vom Schifferdorfe Blankenese ansichtig und gerade vor — der Dampfer beginnt sich um die Insel zu drehen — erheben sich prachtvolle Landhäuser, Badekarren und dahinter Fabrikanlagen, Wirtschaften usw. an den hochgelegenen Ufern. Nun, an die äußerste Nordspitze der Insel gelangt, blicken wir gerade gegen das rechte Ufer der Elbe und fahren zunächst auf Altona, wo in der Regel einige Passagiere aussteigen. Doch gleich geht es weiter. Die Häuser wachsen scheinbar aus dem Wasser heraus; Schiff an Schiff liegt davor; Speicher an Speicher öffnet seine Menge von Luken. Aber die Augen können nirgends haften. Es braust ein überseeischer Dampfer heran vom Meere her; kleinere fahren mit Musik an uns vorüber nach Stade, Cuxhaven, Helgoland. Ein mächtiges Segelschiff refft seine Segel ein; eins, zwei, zehn, zwanzig andere pfeifen mit vollen Segeln vorüber. Der Unkundige traut seinen Augen nicht, denn er sieht Schiffe gegen einander einfahren; sie segeln schräg und benutzen beide denselben Wind. Ganz kleine Fahrzeuge mit rotbraun geteerten Segeln schlüpfen vorüber und Boote hüpfen auf den bewegten Wellen, um gleich darauf tief niederzutauchen. Die Häuserreihe verlängert sich, die Gebäude nehmen große Dimensionen an; Zuckerraffinerien mit turmartigen Schloten; Landungsbrücken; Kräne, Winden hängen auf die Schiffe herunter; wir sind bei der Vorstadt St. Pauli. Dampfer von 3 bis 400 Fuß Länge versperren dem Auge den Weg, das gleich darauf trunken in einen Wald von Masten starrt, der sich weiter nach Süden zieht, fest und undurchdringlich, gleich riesigen Palisaden, auf denen tausend Siegesfahnen wehen: Es ist der Hamburger Hafen; alles Übrige war nur ein schwacher Vorgeschmack gegen die Großartigkeit dieses Bildes. Auf dem haltenden Schiffe beginnt ein Tumult, jeder will zuerst ans Land und eine Minute später drängen Herren und Damen, Milchbauern, Schweine, Ochsen und Gepäckkarren die Landungsbrücke hinauf. Während sich die zwei - und vierbeinigen Passagiere ans Land begeben, hat man Zeit, einen Blick auf die hinter dem Landungsplatze liegende Anhöhe zu werfen. Es fällt dort zunächst das neue große Seemannshaus ins Auge und mehr links auf einer andern Anhöhe, zu welcher Treppen führen, Wiezels Hotel, ausgezeichnet durch die wundervolle Aussicht und empfehlenswert als Kaffeehaus und Restauration. In letzterer Beziehung, um einen einfachen Imbiss zu nehmen, ist jedoch noch besser das unmittelbar neben der Landungsbrücke liegende Fährhaus. Einfache, aber vortreffliche Bewirtung, sehr billige Preise und das Hasentreiben in nächster Nähe.

Es ist notwendig, die Kofferträger, welche sich oft sehr zudringlich zum Tragen der Sachen vom Schiffe aus über die Brücke bis an die Droschken anbieten, in Akkord zu nehmen. (Kleinere Gepäckstücke 2 Schill., größere 4 Schill.)

Die Droschkenpreise sind in Hamburg ziemlich hoch (siehe Droschkentaxe, fünfzehntes Kapitel). Wer nur eine Reisetasche bei sich führt, und trägt dieselbe bis ins Hafentor, rechts etwa 300 Schritt entfernt, selbst, zahlt von dort für eine Droschke nur 8 Schill.
Am Hafentore ist wie an allen Stadttoren eine Akzisestätte, wo Fleisch und Bäckereiwaren einer kleinen Abgabe unterliegen. Fremde werden schnell abgefertigt.

Ankunft über den Berliner Bahnhof. Schon die letzte Station vor Hamburg ist Beiderstädtisches Gebiet. Die Vierlander Frucht- und Blumenhändlerinnen, denen man in Hamburg auf allen Straßen begegnet, bieten in der Regel dort schon dem Reisenden ihre Waren an. Wer von dieser Seite nach Hamburg kommt, tut gut, eine Droschke zum Gasthofe zu nehmen (exkl. Gepäck bei Tage 8 Schill.). Wer nach Altona will und vor halb 10 Uhr Abends eintrifft, kann viel Geld sparen, wenn er sein größeres Gepäck auf der Eisenbahn lässt, und den unweit der Eisenbahn, Ecke von Steinstraße und Schweinemarkt, allviertelstündlich abfahrenden Omnibus benutzt (4 Schill.). Auch die Omnibusse nach Wandsbek, Ham und Horn fahren dort allhalbstündlich vorbei (4 Schill.). Das größere Gepäck kann man täglich durch die nach allen Teilen der genannten Orte fahrenden Packetwagen gegen den Gepäckschein von der Eisenbahn holen lassen. Billige Taxen. ( Siehe Packetfuhrwesen.)

Ankunft über den Altonaer Bahnhof. Von hier aus ist die ganze Länge der Stadt Altona sowie die Hamburger Vorstadt St. Pauli zu passieren, eine Strecke, die bei gutem wie schlechtem Wetter am besten gefahren wird. Omnibusse führen nach Hamburg hinein jede Viertelstunde (4 Schill.), Droschken weit teurer (siehe Droschkentaxe). Erstere jedoch nehmen keine großen Gepäckstücke mit. Die Altona-Hamburger Omnibusse passieren sämtlich mehre große Gasthöfe, teils ganz dicht, teils in der Nähe: Hotel St. Petersburg, Hotel de l'Europe, Streit's Hotel, Hotel Belvedere, Kronprinz, Sonne, Alster-Hotel u. s. w.

Herren ist geraten, bei gutem Wetter Ober- oder Hinterplätze auf dem Omnibus zu nehmen; man sieht da leichter die sonst kaum bemerkbare Grenze zwischen Altona und Hamburgs Gebiet mitten in der Straße, das Volksleben in St. Pauli und das Menschengewühl des Alten und Neuen Steinwegs, wenn man gerade die Wagen trifft, welche letztere Linie berühren.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg