Geschichtlicher Überblick. Hansa — Große Krisen — Brand

Die Stadt Hamburg und der größte Teil ihres Landgebietes erhebt ihr dreigetürmtes Haupt gerade an der Stelle der Elbe, welche die natürliche Grenze zwischen dem Seeverkehre und der oberelbischen Flussschifffahrt bildet. Noch fast 18 Meilen vom Meere entfernt, trägt doch die bis hierher vollständig und scharf wirkende Flut die Schiffe hart an die Tore Hamburgs heran. Von hier aus stromaufwärts ist die Wirkung der Wasserbewegungen ungleich geringer und den oberelbischen Flussfahrzeugen nicht eben hinderlich. Eine Teilung des Stromes in mehre Arme, worunter Norder- und Süderelbe die bedeutendsten sind, bezeichnet die Stelle, wo die stolze Handelsstadt sich am rechten Ufer ausbreitet, und zwar dicht an ihrem Gebiete das holsteinische Altona; gegenüber auf der hannoverschen Seite, getrennt durch Elbarme und Inseln, das strebsame Harburg.

Dem Unkundigen drängt sich leicht die Frage auf: warum so weit vom Meere? Aber es stellt sich bei eingehenderer Untersuchung bald heraus: eine Vermittlerin zwischen Meer und Land musste beiden die Hand bieten können, und die früher fast einzig den oberländischen Transport beschaffende Flussschifffahrt fand hier den gesichertsten Haltpunkt. Dazu kommt noch das Hinzutreten zweier kleinerer Flüsse, der Ulster und der Bille, welche, im Holsteinischen und Lauenburgischen entspringend, hier zu mithelfenden Schiffswegen wurden.


Der Boden, auf welchem Hamburg steht, ist nicht ganz eben, sondern erhebt sich, namentlich nach Altona zu, an verschiedenen Punkten. Auf einer der höchsten Stellen steht der große Michaelis-Turm, dessen geographische Lage nach Schumachers Messung 53° 33' nördl. Breite und 27° 38' 21" östl. Länge ist.

Begrenzt wird das etwa 6 1/2 Quadrat-Meilen haltende Gebiet von Holstein, Lauenburg, Hannover und der Elbe, und man unterscheidet es als Geest- oder Marschland. Ersteres ist das höher gelegene minder fruchtbare; letzteres das in einer späteren Erdperiode vom Meere oder dem Strome abgesetzte und angeschwemmte fette, fruchtbare Land.

Der Ursprung der Stadt wird von den Geschichtsbüchern im Jahre 808 angenommen und nicht ohne Wahrscheinlichkeit Karl dem Großen zugeschrieben. Von diesem wenigstens gepflegt und 811 mit einer Kirche versehen, sowie von Karls Sohn Ludwig zu einem Erzbistum erhoben, war ihr Bestehen und Weiterkommen der Obhut der Geistlichkeit anvertraut. Der Bischof Anscharius glänzt aus jener Zeit herüber, dem es gelang, das Städtchen nach seiner Verwüstung durch den Dänenkönig Erich (845) wieder aufzubauen und eine Vereinigung mit dem Erzbistum Bremen herzustellen. Bald jedoch zerfiel der schöne Anfang wieder. Überfälle der Dänen und Slawen, Zerstörung von den Wenden u. s. w. wechselten mit glücklicheren Zeiten ab. Doch stieg die Bedeutung erst nach der Zerstörung und Schleifung der Nachbarstadt Bardowiek durch Heinrich den Löwen (1189). Dann erzählt die spätere Geschichte abermals von Gewalttaten der Dänen und Loskaufung Hamburgs, bis es gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts ein Schutz - und Trutzbündnis mit Lübeck schloss. In jene Zeit fällt auch die Gründung der Hansa. Schon 1252 gingen hanseatische Gesandtschaften ins Ausland. Im Besitz von kaiserlichen Freibriefen, mit eigener Münzgerechtigkeit versehen, ward Hamburg bald so mächtig, dass es siegreiche Schlachten zur See gegen Holländer und Dänen ausführte — freilich ohne Ruhe vor Letzteren zu gewinnen. Aber trotz aller Anfechtungen erstarkte der Ort von Jahr zu Jahr. Kaiserliche Privilegien mehrten sich bis zur Reformationszeit, wo die Stadt an Kaiser Karl V. 100.000 Gulden Bußgeld zahlen musste. Furchtbare Seuchen suchten darauf den Platz heim und lichteten die Bevölkerung. Innere Zwistigkeiten kamen zu den entsetzlichsten Erpressungen von außen aus vieler Herren Länder, unter denen Dänemark sich vor Allem hervortat. So mehrte sich Drangsal auf Drangsal. Da sehen wir (1650) wieder ein Freudenfest wegen des westfälischen Friedens feiern, Hamburg schließt Handelsverträge mit Lübeck, Bremen und Frankreich (Ludwig XIV.).

Doch die Ruhe währt nicht lange. Dänen belagern und beschießen die Stadt, erpressen abermals (1686 und 1712). Im Jahre 1719 hat sie wieder kaiserlichen Zorn zu büßen. 1768 endlich entsagten die Dänen durch den Gottorper Vertrag allen ihren Ansprüchen an die Oberherrschaft. Handel und Schifffahrt steigerten sich zu vorher ungekannter Höhe, bis 1799 die Spekulation allzu wagehalsig geworden war und sich durch eine Geschäftskrisis rächte, in welcher eine Menge der größten Häuser bankrott wurden.

Die Geschichte unseres Jahrhunderts mit ihren wechselweisen Besetzungen durch die Franzosen und Russen, die Einverleibung ins französische Reich, die entsetzlichen Gräuel jener Zeit, seine Wiedererhebung zur freien deutschen Stadt und sein mächtiges Aufblühen zu seiner heutigen Größe darf als bekannt vorausgesetzt werden, wie denn überhaupt die vorstehenden geschichtlichen Notizen, bedingt durch den Raum und Zweck dieses Buches, nur andeutend gegeben werden durften.

Zwei ins Mark des hiesigen Lebens greifende Ereignisse der letzten Jahrzehnte aber mögen noch Erwähnung finden. Zunächst der große Brand von 1842. Am 5. Mai 1842 begann diese fürchterliche Katastrophe, welche binnen drei Tagen den fünften Teil der Stadt in Asche legte, 20.000 Menschen aus 4.219 Wohnungen vertrieb und einen Gesamtschaden von gegen 90 Millionen Mark Banko (45 Mill. Thaler) brachte. Es war der schönste Teil Hamburgs, der in Trümmer zerfiel, und dennoch hat dieses Unglück, nachdem es einmal überwunden, eine Verschönerung der Stadt zur Folge gehabt, wie sie ohne so durchgreifende Veränderung vielleicht noch lange nicht erreicht worden wäre. Ein zweiter Schlag gehört den letzten Jahren an; es war die Handelskrisis von 1857. Der Handel hatte einen Umfang eingenommen, der alles bisher Erlebte überschritt, als mit dem Schlusse des genannten Jahres nach Anstößen von außen und im Zusammenhange mit schwedischen, amerikanischen und andern Fallimenten plötzlich eine Geldklemme in die hiesigen Verhältnisse kam, der eine große Anzahl der bedeutendsten Firmen unterlag. Noch nicht vier Jahre sind seitdem verflossen und die handelsstatistischen Tabellen geben schon wieder den erfreulichen Nachweis, dass jene Schlappe gründlich überwunden ist. Der glänzende Phönix erhebt seine Flügel so stark wie je; gewiss eine seltene Erscheinung im Leben der Staaten und Städte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg