Hamburgs Befreiung.

Perthes und Sieveking waren von ihrer Gesandschaft nach Frankfurt, Mitte Dezembers 1813, nach Bremen zurückgekehrt und hatten die fröhlichsten Hoffnungen bei den glücklich Befreiten nähren können. Der bremische Deputate, Senator Smidt, war beim großen Hauptquartier geblieben und ging mit demselben nach Freiburg, nach Basel. Wurden doch schon damals die wichtigen Verhandlungen über die Landesbewaffnung und die Verpflegung der Truppen in Deutschland gepflogen. Es war ausgemacht, die Streitmasse sollte aus stehenden Truppen und aus Landwehr gebildet werden. Die Masse sollte sich in 8 Corps theilen; das Contingent, das die Hansestädte zu stellen hätten, 3.500 Mann, zum zweiten gehören, und unter Hannover stehen. Von Basel aus macht Smidt darauf aufmerksam, wie wichtig es sei, sich klar zu machen, was man bei dem zu schließenden Frieden für Forderungen stellen wolle. „Es ist den Alliirten lieb und erwünscht, die Prätensionen der Gesammtmasse gegen Frankreich gesteigert zu sehen; man muß sich aber wohl hüten, die ausgestandenen Leiden zu exageriren. Das Maaß individueller Drangsale muß schon wirklich so groß sein, wie jetzt das der Hamburger, wenn es ein specielles Mitleiden erregen und Aufopferungen von Seiten der Freunde plausibel machen soll. Die Raisonnements, die DeChapeaurouge eingebracht hat, bestehen meistens auch nur aus allgemeinen Raisonnements, und die angegebenen Zahlen aus Contos, die zum Theil sehr übertrieben sind, daß ich gar nicht damit herauskommen mag. Das mehr verzehrt, als verdient worden, wird dabei zum Theil mit in Anschlag gebracht, und so die Totalsumme des hamburgischen Verlustes aus 280 Millionen Mark Banco angegeben. Ware doch Perthes, wie er es anfangs vorhatte, mit einem von alten Details wohlinstruirten Hamburger zurückgekommen. Wahrlich die Hansestädte werden die Wichtigkeit des gegenwärtigen Momentes erst recht kennen lernen, wenn er vorüber ist!“ – Perthes schrieb an Sieveking, wie er ihm eine Abschrift dieses Berichtes mittheilte: ,,Was Smidt schreibt über das, was man verlangen könne, scheint nur ganz richtig, doch wird alles immer auf den Ausdruck beruhen, daß man nicht ,,Entschädigung“ will, sondern ,,Mittel zur Wiederaufrichtung“. Gerade was Smidt über den Aufsatz (von Senator Westphalen) von den 280 Millionen geurtheilt hat, hielt mich aus innerem Takte ab, die Berechnung, die ich formirt hatte, zu übergeben.“ Dauphin DeChapeaurouge war aus Interesse für Hamburg ins Hauptquartier gereist, um durch seine großen merkantilischen Kenntnisse der Stadt zu nützen. Er wünschte sehr, sich einem Gesandten anzuschließen, der bei den Fürsten accreditirt war; aber Gries ließ auf sich warten. Perthes in seiner Lebendigkeit schrieb an Sieveking, am 28. Februar: „Abendroth muß Gries recht ernstlich schreiben, daß er zur Unterstützung Smidts eilt, und überhaupt noch einmal in seinem Leben thätig ist; er soll nachher auch ruhen, über oder unter der Erde! Liebster Sieveking.“ fährt Perthes fort, „es kommt jetzt darauf an, ich sehe und fühle es, daß unsere Städte zu Dauer, Würde und Ansehen kommen. Ueberwinden Sie, was in und außer Ihnen ist und Ihrer Tätigkeit widersteht. Nehmen Sie sich der Sache mit an, und schreiben Sie nicht nur die Geschichte einer freien Stadt, sondern helfen Sie eine machen! Die Zeit kommt Ihnen wahrlich nicht wieder“ Gries hatte sich schon, wie Curtins schrieb, am 8. mit dem Gedanken beschäftigt, ins große Hauptquartier zu gehen: er litt aber fortwährend an Gicht. Ende Februar konnte er endlich reisen, und Perthes schrieb an Abendroth „DeChapeaurouge hat am 21. von Troyes geschrieben; Gries von Chaumont den 24.; ersterer hält die Friedensunterhandlungen für weit gediehen. Er hat sich an Smidt und Hach, den lübeckschen Senator, angeschlossen, und da nun auch Gries bereits Frankfurt passirt ist, halte ich unsere Städte da sehr gut beraten.“ Sieveking antwortete Perthes. ,,Wenn ich Ihrer Aufforderung und meines Wunsches ungeachtet, jetzt lieber bei den Zelten ruhe, und wenn ich auch kein Achill bin, noch einem Agamemnon zürne, doch lieber die alte Geschichte zu erklären suche, als meine Kraft durch eine nachdruckslose Rührigkeit in einem Nu zu verpuffen wünsche, so hoffe ich das schon später mit Ihnen auszumachend!“ Perthes erwiderte umgehends: „Lachen habe ich müssen, daß Sie Ihre Kräfte nicht verpuffen wollen; sollten Sie wirklich so wenig Munition haben? Hat nichts zu bedeuten; geistig mehren sich die Kräfte, je mehr man ihrer von sich gibt. Recht aber haben Sie, bei gewissen Dingen sich der Einmischung zu enthalten.“ – Curtius hatte indessen am 28. Februar schon Abendroth gedankt für die Mittheilung der Punkte, die vorzüglich im großen Hauptquartier zu beachten sein würden, und die er ihrem Abgeordneten Hach empfehlen würde. Es that aber auch noth, daß Hamburg seine Vertretung im Hauptquartier fand. Schon am 10. Februar hatte der Agent des obersten Verwaltungsdepartements bei den drei Hansestädten, Obrist von Pfuel, an Beneke geschrieben: „Bremen ist vor vielen andern Städten und Ländern Deutschlands glücklich. Die erste Frucht des befreiten Handels genoß Bremen und erfreut sich dessen fortdauernd. Ein sehr bedeutender Theil des lucrativen Handels, der Hamburg zu Theil geworden wäre, hat sich nach Bremen versetzt. Dieser Vortheil ist weit bedeutender, als man glaubt. Zufolge Befehls des Herrn von Stein Excellenz sollen die drei Städte zusammen 3.500 Mann Linientruppen und eben so viele Landwehr stellen; jede Stadt nach, Maaßgabe ihrer Bevölkerung. Darnach müßte also stellen:

Hamburg für 137.460 Einw. 2.192 Hans. 2.192 Landw.,


Bremen für 49.190 Einw. 784 Hans. 784 Landw.,

Lübeck für 32.990 Einw. 524 Hans. 524 Landw.

Bremen hat schon 775 Mann gestellt, mehr will der Senat nicht geben, behauptend, daß die Abgeordneten des Senats vom Minister von Stein die Zusage erhalten, daß nicht mehr nöthig seien. Man will hier die Landwehr ganz umgehen, und statt des Landsturms die Bürgergarde bilden, über diese will der Senat auf der Bremer Tuilleries – wie Napoleon in Paris – jährlich zweimal große Heerschau halten. Ueber Hamburgs und Lübecks Legionen habe ich noch keinen Etat erhalten können.“ Er bat um eine geschichtliche Darstellung, ob die durch General Bennigsen neu Geworbenen die Landwehr ersetzen könnten. Ferner sei es seine Sorge, daß sogleich der Antheil der drei Städte an dem Vorschuß von 750.000 Mark für die Lazarette zusammengebracht werde; der Antheil beträgt für die Städte 9.500 Mark, und zwar sollen, da die Ausgaben vom 1. Januar schon angegangen sind, Bremen und Lübeck für Hamburg vorschießen. Bremen hat aber nicht allein den Vorschuß verweigert, sondern wollte auch nicht einmal seinen Antheil bezahlen. Mir blieb nichts übrig. Als den Brief des Senats, statt des Geldes, zu schicken. Dafür ist nun auch ein derber Putzer erfolgt; es heißt unter Anderm: „Hamburg nicht vertreten zu wollen, heißt so viel als: Namens der Stadt Hamburg und der Hansestädte auf die gemeinschaftliche Unterstützung verzichten, welche alle Hansestädte von den hohen Verbündeten nächstens zu erwarten haben; und ob die bremer Regierungs–Commission die mit der Verweigerung verbundene Verantwortung auf sich nehmen könne und wolle? Man erwartet eine bestimmte Antwort, ob Bremen und Lübeck Hamburg vertreten wollen; von Lübeck habe ich noch keine Antwort. – Es scheint so, als ob man die Absicht hat, daß Hamburg alle Lasten tragen soll, genau so, wie die schon befreiten Länder. Als Agent des Verwaltungsdepartements muß ich diesen Grundsatz nicht allein verteidigen, sondern auch zur genausten Ausführung befördern. Von der andern Seite muß ich es beklagen, daß Hamburg gar keinen Deputirten im großen Hauptquartier hält, der dort die höchst traurige Lage der Stadt der Wahrheit gemäß zur Kenntniß bringen kann. Senator Smidt bleibt fortdauernd auf seinem Posten. Droop und andern hier anwesenden Hamburgern, C. D. Beneke, Haller, Hagedorn, Schmidt, Merck, Parish, habe ich die Nothwendigkeit einer solchen Deputation vorgestellt. Diese Leute kleben wahrlich zu sehr an der Form. Freilich der Senat und die Gesetzgeber Hamburgs existiren nicht mehr in ihrem gesetzlichen Ansehen; allein bedenken Sie, daß Hamburg jetzt nicht mehr in Hamburg, sondern um und bei Hamburg existirt. Lassen Sie die in Kiel sich befindenden Senatoren mit andern in benachbarten Gegenden sich befindenden angesehenen Hamburgern sich berathen, und dreist etwas zum Wohl der Stadt beschließen. Herr Perthes war im großen Hauptquartier; Schade, ewig Schade, daß er nicht dageblieben ist.“ Curtius schrieb am 28. März an Abendroth: „Unser Hach ist ganz so instruirt, wie Sie meinen, nämlich zwei Procent von der Bevölkerung, und dahin hat auch der Staatsminister von Stein, aus Troycs, vom 14. Februar, den Herrn Delius beschieden in Ansehung der Hansestädte. Der förmliche Anschluß der Städte dürfte ausgesetzt bleiben, vielleicht selbst bis nach Hamburgs Befreiung. Bremen nimmt ganz die Stellung ein, allein zu bleiben, sowohl mit dem Contingent, als überhaupt. Alles aus Angst vor zu starker Einquotirung bei gemeinschaftlichen Ausgaben nach Hamburgs und Lübecks Unglück.“ Delius selbst auch schrieb am 29. März aus Bremen: ,,Das früherhin auf 3.500 Mann Linie und eben so viel Landwehr bestimmte Contingent der drei Städte ist auf zwei Procent von der ganzen Bevölkerung heruntergesetzt. Hamburg hat unter Witzleben 2.246 Mann, unter Mettlerkamp circa 1.000, also zusammen 3.246 Mann ins Feld gestellt, mithin hat Hamburg mehr geleistet, wie vorgeschrieben ist. Auch Lübeck hat mehr geleistet, als nöthig. Diese beiden so sehr gedrückten und entkräfteten Staaten geben dadurch wahrlich ein erhebendes Beispiel von edlem deutschen Sinn; sie verdienen Preußens Nachahmer genannt zu werden. Bremens Bevölkerung gibt Wedekind auf 49.000 Seelen an; der hiesige Senat ist so bescheiden, zu behaupten, daß das Ganze, Stadt und Gebiet nicht über 42 oder 43.000 Seelen beträgt. Wären es 46 oder 47.000, so würde die Bescheidenheit nicht so sehr auffallen. Bremen hat 773 Mann ins Feld gestellt, mithin, zu 2 Procent, nur erst für eine Bevölkerung von 38.650 Seelen, also nicht die bestimmte Mannschaft. Auf meine oft wiederholte Aufforderung werde ich stets auf Smidts directe Unterhandlungen im Hauptquartier verwiesen.

Man hofft noch viele, oder vielleicht alle, noch fehlende Mannschaft abzudingen!“ – Delius war es, der wünschte, daß Abendroth mit seinem Accreditiv die Forderungen wegen der Bankgelder Namens der Verbündeten machen sollte und, als Abendroth das abschlug, der Perthes und Sieveking beauftragte, zusammen oder einzeln, Namens des obersten Verwaltungs–Departements, mit Bennigsen in Verbindung zu treten.

Indessen hatte sich das Hauptquartier in Langres mit wiederholten Beratungen über die Fortsetzung des Krieges beschäftigt. Die Friedenspartei, mit dem Kaiser Franz und Metternich an der Spitze, wünschte Napoleon nicht abzusetzen. Auch der Staatskanzler Hardenberg war von ihr gewonnen, und der Generaladjudant von Knesebeck stellte den Grundsatz auf, daß man nicht über Langres hinausgehen müsse; auch Nesselrode, der russische Minister, neigte sich schon dahin, ihnen beizustimmen. Aber der Kaiser Alexander und Stein waren für die kraftvolle Durchführung des Krieges gegen Napoleon. Endlich vereinigte man sich dahin, daß man den Krieg fortsetzen, aber zugleich die in Frankfurt begonnenen Friedensunterhandlungen wieder anknüpfen wollte. Dieses geschah zu Chatillon an der Seine. Die Bedingungen waren vorher von den Verbündeten festgesetzt; sie bilden die Grundlage der künftigen Gestaltung Europas. Smidt schrieb am 17. Februar aus Troyes: ,,Von Metternich haben wir schriftlich die heiligsten Versicherungen, daß bei der Negociation auf Hamburg zuerst Rücksicht genommen werden solle.“ Blücher hatte Napoleon am 1. Februar bei La Rothiére aufs Haupt geschlagen; der Kaiser hatte sich nach Troyes zurückgezogen und sandte nun an Caulaincourt unbedingte Vollmacht, die Bedingungen der Alliirten zum Frieden anzunehmen. Schwarzenberg ging vorwärts nach Paris; verlegte das Hauptquartier am 7. Februar nach Troyes; doch als er plötzlich wieder zögerte, weiterzugehen, warf sich Napoleon mit seiner Hauptmacht auf Blücher und schlug das preußische Heer am 10., 11. und 14. Februar in der Champagne, so daß es nach Chalons und Rheims zurückmußte. Auch Schwarzenberg ging zurück nach Bar sur Aube. Das reizte Napoleons Uebermuth; er wollte von den Friedensbedingungen zu Chatillon nichts mehr wissen. Aber auch die Alliirten sahen die Gefahr und sie unterzeichneten am 1. März, zu Chaumout, ein Bündniß auf 20 Jahre, um die Gestaltung Europas nach den gewonnenen Grundlagen zu Stande zu bringen. In Chaumont blieb das Hauptquartier, während Schwarzenberg am 3. März Troyes wiedereroberte; Blücher, gestärkt durch russische Truppen, seinen Siegeszug nach Paris begann. Sieveking schrieb in dieser Zeit an Perthes: „Die Nachricht von dem Rückzuge aus der Champagne ist auch wohl zu Ihnen gedrungen. Es fragt sich, ob man sich bei Langres halten kann, oder sich genöthigt sieht, bis an die Vogesen, ja, bis zum Rhein zurückzugehen. Indessen erfährt man, daß die Unterhandlungen mit Buonaparte unterbrochen sind. Von diesem Augenblick an, scheint mir, wird der Krieg wieder eine Sache des deutschen Volkes. Ich sehe einem neuen Aufruf zu großen Anstrengungen entgegen, ja, ich gestehe, daß ich diese Wendung der Dinge so wenig für ein Uebel halte, als den Verlust der Schlacht bei Lützen. Die Behauptung der alten Grenze Deutschlands muß jetzt die Losung des Sieges werden. Kaum weiß ich, ob das stolze Bewußtsein eines abgewälzten Joches diesem Volke nicht anständiger sein werde, als der Uebermuth, der die Eroberung der Hauptstadt mit sich geführt hätte. Vielleicht wird die Frühlingssonne uns doch die sauern Trauben zur Reife bringen.“ Doch schon hatte Blücher den Napoleon bei Laon am 9. und 10. März einen großen Verlust erleiden lassen; am 20. und 21. trat er ihm bei Arcis fur Aube mit Erfolg entgegen; Lyon ward von den Oesterreichern genommen; in Bordeaux steckten die Engländer die weiße Fahne auf. Napoleon wollte sich in den Rücken der Verbündeten werfen; sie aber gingen gerade auf die Hauptstadt zu; am 30. März erfochten sie einen blutigen Sieg auf dem Montmartre; am 31. zogen Kaiser Alexander und König Friedrich Wilhelm III. in Paris ein.

Am ersten Ostertage verbreitete sich die erste Kunde von dem Siege der großen Armee in unserer Gegend. Die unterm 8. April in der Bremer Zeitung durch Herrn von Vincke veröffentlichte enthusiastische Mittheilung der großen Ereignisse in Frankreich und dem Einzuge der Alliirten in Paris verbreitete im russischen Lager, wie in Altona, unendliche Freude. In Hamburg war ein wunderlicher Zustand. Die Bürger frohlockten; das Militär war bestürtzt; der Prinz leugnete die Thatsache durchaus. Bennigsen ersuchte am 13. den Obrist Aubert die Nachricht mit einem Briefe von ihm selbst an den Prinzen von Eckmühl gelangen zu lassen.

Der Obrist Aubert war gleich nach dem Kieler Frieden zum Commissär des Königes von Dänemark bei dem commandirenden General der russischen Armee von Hamburg gemacht. Er hatte schon den 20. Februar auf Bennigsens Wunsch den Versuch gemacht, Unterhandlungen mit dem Prinzen anzuknüpfen, um diesen zu bewegen, Hamburg nicht den Unfällen einer hartnäckigen Vertheidigung länger Preis zu geben. Der Marschall verharrte bei seiner Erklärung, nichts in den Befehlen ändern zu können, die er von seiner Regierung empfangen habe. Der König von Dänemark selbst bot sich als Vermittler an, und übernahm die Garantie, daß die Friedensbedingungen, über welche die Generäle sich vereinigen würden, gehalten werden sollten. Aubert, ein Straßburger von Geburt, der früher als Volontär in Frankreich gedient, später unter Davoust die dänische Artillerie commandirt hatte, schien vor Allen geeignet, auch jetzt des Prinzen Vertrauen zu gewinnen. Der Marschall antwortete ihm aber am 15. März, daß ein Militär keine andere Richtschnur haben dürfe, als die erhaltenen Befehle. Alle andern Rücksichten müßten jedem Mann von Ehre fremd bleiben und dürften niemals einen Einfluß auf ihn ausüben. Allein die Vollmachten des Königs von Dänemark verpflichteten ihn, den Inhalt der Papiere seinem Kaiser vorzutragen, und er werde seine Befehle erbitten, wenn der Graf Bennigsen seine Einwilligung dazu gebe, einen Offizier einsenden zu dürfen. Der Graf Bennigsen hatte schon als erste Bedingung festgesetzt, daß die französische Garnison in Hamburg kriegsgefangen in den Landen außerhalb Frankreich bleibe; jetzt, erklärte er, daß der Adjudant, den der Marschall zum französischen Kaiser senden wolle, seinen Weg durch das kaiserlich–russische Hauptquartier nehmen müsse, um vom Kaiser Alexander die besondere Erlaubniß dazu zu erhalten. Auf diese Bedingung vermochte der Prinz nicht einzugehen; er verlangte für seinen Adjudanten einen Paß von Bennigsen, der von allen Corps der Alliirten respectirt werde. Dazu konnte Bennigsen sich nicht verstehen, und so waren diese Unterhandlungen ohne Erfolg geblieben.

Am 1. April übersandte Aubert nun die neuesten Nachrichten mit dem Briefe von Bennigsen an den Prinzen. Der russische General hatte an Davoust geschrieben, er möchte nicht für das Blut verantwortlich gemacht werden, welches vielleicht hier noch unnützer Weise von zwei Nationen vergossen werden könnte, die sich in der Hauptstadt Frankreichs nicht mehr als Feinde betrachteten. Der Prinz von Eckmühl antwortete: „Ich kann auf dieses Schreiben keine andere Antwort geben, als die einfache Anzeige des Empfanges. Ein Mann von Ehre betrachtet sich nicht als seines Eides entbunden, weil sein Souverän Unfälle erlitten haben kann.“ Man muß bei dieser Antwort nicht vergessen, daß die „officiellen“ Nachrichten, die der feindliche General ihm mitgetheilt, in nichts, als in Auszügen aus Zeitungen, Bülletins u. dgl. bestanden, und daß der Prinz schon im Winter mit falschen, im russischen Lager fabricirten Zeitungen überschwemmt war; sowie daß er, wie seine Umgebung, trotz der Nachrichten, die Aubert ihnen von dem Stande der Dinge in Frankreich mitgetheilt hatte, seinen Glauben nicht verlor, der Glückstern des Kaisers werde glänzender strahlen als je. Ueberdies hatte, wenn auch der französische Senat Ludwig XVIII. als Souverän anerkannt hatte, Napoleon ja noch nicht dem Throne entsagt. – Der General Bennigsen schickte, als er diese Antwort erhalten, den Major von Wedell, der zur Wahrung des preußischen Interesses ihm beigegeben war, und mit dem er sehr vertraut geworden (es ist dies der spätere General C. v. W. der den Feldzug der russischen Armee von Polen im J. 1843 herausgegeben hat,) nach Paris, zum Kaiser Alexander, um sich Befehle zu erbitten.

Mit dem Prinzen wollte er sich nicht mehr persönlich einlassen, sah es aber gern, daß der dänische Unterhändler weiter Versuche machte. Allein der Marschall lehnte auch eine persönliche Zusammenkunft mit Aubert ab, da er den übeln Eindruck fürchtete, welchen diese Verhandlungen auf seine Truppen und die Einwohner Hamburgs haben könnte; jedoch gestattete er, daß sein ältester Divisionsgeneral Loison und der Chef seines Generalstabes, Cèsar de la Ville, eine Unterredung in den Außenwerken mit dem Obrist Aubert hätten. So konnte dieser ihm denn den Vorschlag machen, daß ein französischer Offizier mit einem russischen nach Paris gesandt werde, um sich genaue Nachrichten über den Stand der Dinge zu verschaffen. Die französischen Generäle schienen darauf einzugehen und erweckten die Vermuthung, als ob bis zur Rückkehr der Offiziere stillschweigend ein Waffenstillstand eintreten sollte. Bennigsen ging freudig darauf ein und ersuchte am 16. den Marschall um eine neue Unterredung der Generäle mit dem Chef seines Generalstabes, General Oppermann: die Bedingungen des Waffenstillstandes festzustellen. Allein der Prinz war an diesem Tage in sehr übler Laune; einige zu seinem Hauptquartier gehörige Personen hatten gerade in Altona von dem Pöbel Unannehmlichkeiten erfahren; er sah durch den Vorschlag des Waffenstillstandes sich in seinem Argwohn gestärkt, daß russischer Seits nur eine Kriegslist angewandt werde. Als die Generäle wieder mit Aubert zusammenkamen, äußerten sie sich sehr heftig: „Ich für meine Person“, sagte der Eine, „würde nicht wagen ohne ein Paar geladene Pistolen in Altona auf der Straße zu gehen, während wir in Hamburg so unbewaffnet, wie jetzt, umherwandeln, obschon wir recht gut wissen, daß man uns dort nicht liebt, und nicht lieben kann.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg unter dem Drucke der Franzosen 1806 - 1814