Napoleons Befehl zur Aushebung von Seeleuten

Napoleon hatte schon den 8. März den Befehl zur Aushebung von 3.000 Seeleuten in den drei Departements der Elbe, Weser und Oberems gegeben. Für jedes Departement wurde ein Commissar und ein Seeofficier ernannt, für Hamburg Herr von Halem und Pellagat; die Maires sollten mit Beiseitesetzung aller andern Arbeiten sich damit beschäftigen, Tabellen aller Seeleute von 20–50 Jahren in ihrem Districte zu entwerfen, und diese in vier Classen bringen, in die erste die unverheirateten, in die zweite die Witwer ohne Kinder, in die dritte die verheirateten die keine Kinder haben, endlich in die vierte die Familienväter, und alle mit Angabe des Alters, Zeit und Art des Seedienstes in die Tabellen eintragen. In 10 Tagen müsse das geschehen sein, damit vom 15. bis zum 25. April die Untersuchung der gefundenen Mannschaft stattfinden, und der Praefect dann die Auslosung vornehmen lassen könne. Fände er nicht genug Seeleute in der ersten Classe, müsse er zur zweiten und so weiter schreiten, bis die Zahl von 3.000 complet ist; jedes Hundert, das beisammen, solle sogleich nach Antwerpen dirigirt werden. Am 24. März errichtete der Kaiser auch drei Seemannsschulen in Antwerpen, Brest und Toulon; die Hanseaten wurden auch eingeladen, ihre Söhne dahin zu schicken. Der Erste von den Hamburgern, der dies that, war der frühere Senator Abendroth. Es war sein Grundsatz, Alles zu thun, was in seinen Kräften stand, um seiner Vaterstadt Wohl zu fördern. Das hatte er gethan, so lange Hamburg frei war; jetzt hielt er es für das Richtigste, dahin zu trachten, daß der Kaiser der Stadt seine Gnade erhielt. Er sandte seinen zweiten Sohn, Ernst, den jetzigen Lootscommandeur in Cuxhafen, auf die Marine–Schule in Brest. Die Franzosen waren schon lange aufmerksam auf Abendroth gewesen. Schon am 27. Februar 1809 hatte der damals hier commandirende Marschal Bernadotte ein sehr artiges Schreiben an ihn gerichtet, als Abendroth als Amtmann nach Ritzebüttel ging. Er bezeugte ihm die Hochachtung, die er ihm eingeflößt durch die Art, wie er, als Prätor, die Polizei in Hamburg verwaltet habe; alle seine Mitbürger müßten ihm danken für die Sorge, die er unaufhörlich der Ordnung in der Stadt gewidmet; er selbst danke ihm für die Dienste, die er dem Kaiser, seinem Herrn, erwiesen. In Cuxhafen traf Abendroth grade in der Zeit ein, wie die Engländer dort sich zu einer Expedition aufs Festland vorbereiteten. Wirklich landeten auch im Anfang Juli englische Truppen unter Lord G. Stewart und nahmen die Batterien. Von Helgoland aus kam eine Menge von den großen Vorräthen von Colonial- und Manufacturwaren; alle Landstraßen wurden mit Reihen von Wagen, voll von diesen Sachen, bedeckt. Allein die Engländer zogen bald sich wieder zurück; es kamen desto mehr französische Truppen hin, bald aus dem Großherzogthum Berg, bald aus Westphalen, dann von der Division des General Molitor, dann von der des Marschal Morand. Im October 1810 erschien General Barbenegre, um Festungswerke anzulegen, selbst Neuwerk sollte befestigt werden. Dabei wurden die englischen Waren auch hier aufgesucht, obgleich die Verbindung mit England durch die Schiffe gar nicht zu hemmen war. Abendroth wußte sich bei allem Wechsel der Verhältnisse zu fügen. Um der Verbrennung der englischen Waren eine Form zu geben, schreibt er selbst, wurde jedem Kaufmann und Krämer angesagt, eine gewisse Menge zu verbrennender Sachen zu liefern; über Alles ward dann ein zweckmäßiger Zeitungsartikel angefertigt, und damit war die Geschichte aus. Wegen der zuvorkommenden Höflichkeit, mit welcher er mit Würde und Anstand dem König Jerome begegnet war, bekam er ein eignes Dankschreiben des Hamburgischen Senats am 17. August 1810. – So war auch Chaban bald auf Abendroth aufmerksam geworden. Schon im Anfang Februar erhielt er einen Brief von ihm, in dem Abendroth ihm vorstellte, wie Ritzebüttel unmöglich ein Tribunal erster Instanz unterhalten könne; wie das zu Stade zu entfernt sei, und wie deshalb nichts übrig bleibe, als in Ritzebüttel Friedensrichter zu bestellen. Als der König von Rom am 20. März geboren war, und Napoleon nun die Taufe seines Sohnes mit allem Glanz zu feiern befahl, da mußten auch die neuen guten Städte durch ihre Maires vertreten sein. Die provisorischen Ernennungen in Hamburg, die zuerst getroffen worden waren, galten nur bis zum 1. Juli. Viele der früheren Senatoren bezeugten gar keine Lust, unter französischem Regiment ihre Aemter fortzuführen. Als der Minister des Innern, Graf von Montalivet, dem Grafen Chaban auftrug, für die Besetzung des Maires bis zum Juni Vorschläge zu machen, antwortete dieser, der provisorische Maire sei zu alt, um nach Paris zu gehen, ja, auch um seine Functionen fortzusetzen; der frühere Senator Abendroth sei derjenige, den man vorschlage, um die Stelle auszufüllen. Er sei ein Mann von Charakter, von großer Bedeutung, er habe sich ausgezeichnet als Prätor, wo er die Achtung aller Classen der Bevölkerung sich erworben habe; seit der Vereinigung Hamburgs mit dem Reiche habe er das wichtige Amt eines Gouverneurs von Cuxhafen und Ritzebüttel versehen; er ist der Einzige, der geeignet ist, Maire zu sein. Der Prinz von Eckmühl ließ ihn, wie Bartels und Knorre kommen, überzeugte sich von ihrer Ergebenheit gegen den Kaiser, und diese drei gingen nach Paris, der Taufe beizuwohnen. Allein schon am 20. April erließ Chaban ein sehr dringendes Schreiben an Davoust, beim Kaiser anzuhalten, daß die Deputaten den Befehl zur Rückkehr erhielten. Das allein würde die chimärischen Hoffnungen zernichten, die man hier zu unterhalten suche, und denen sie, wie er nicht anders denken könne, nicht fremd seien. Die Zurückgezogenheit, in der Jeder sich halte, der Mangel an Kraft, den man bei jedem Schritte spüre, Alles nöthige ihn, ihre Entfernung von Paris unvermeidlich nothwendig zu halten; dazu komme, daß die Wahl bei der Besetzung der Aemter viel leichter werden würde. Er warnte zugleich, den Deputirten Kreuze der Ehrenlegion oder Titel zu geben, wie der Minister vorgeschlagen; Montalivek spreche nur von hervorstechenden Eigenschaften des Verstandes und von Talenten; aber nur der politische Charakter mache sie der Gnade des Kaisers würdig. Der Prinz Eckmühl scheint auch den bösen Einfluß der Deputaten in Paris, vor Allen des Herrn Smidt von Bremen, gefürchtet zu haben. Allein der Kaiser ließ sie nicht. Sie mußten erst am 11. Juni den großen Feierlichkeiten beiwohnen; die Deputirten der guten Städte wurden dem Kaiser besonders in den Tuillerien vorgestellt; da die Städte nach dem Alphabet geordnet waren, kamen die von Hamburg zwischen die Maires von Grenoble und La Rochelle. Abendroth klagte aber sehr, daß er in dem Gewühle nie einen Augenblick gefunden, dem Kaiser sein Hamburg zu empfehlen; ihn beschäftigte nur die Sorge für die Vaterstadt; aber erst, als er auch der Kaiserin in St. Elond, am 23. Juni vorgestellt war, konnte er an die Rückreise denken. Am 27. Juli trat er seine Functionen als Maire an. Indeß war die neue Organisation der hanseatischen Departements vollendet und durch ein kaiserliches Decret vom 4. Juli, am 18. in Hamburg bekannt gemacht. Vom 1. Januar 1812 an sollte der Prinz als General–Gouverneur an der Spitze stehen, das Commando über alle Truppen und die Oberaufsicht über die Polizei, wie über alle Militär– und Civil–Behörden führen. Unter ihm stand zunächst der General–Director der hohen Polizei zu Hamburg, d'Aubignosc. Dem Präfect, de Coninck, war die General–Verwaltung des ganzen Departements anvertraut; er führte den Vorsitz im Präfecturrath. Generalsecretär der Präfectur ward J. Mich. Gries; zum Präfecturrath gehörten Knorre, Lt. H. Sillem, Dr. Wolters, Carl Marc. Heise. Für Hamburg war noch ein Unterpräfect (von Chastellux) mit einem Conseil des Arrondissements eingesetzt. Die Ausführung der allgemeinen Bestimmungen für die Departements geschah in der Stadt durch den Maire, der ein ungemein mühsames Amt hatte; denn er hatte zugleich die Municipal–Gewalt und die damit verbundene Verwaltung der Gemeinde, dabei hatten die Maires die Verpflichtung den höheren Behörden die bemerkten Mißbrauche und Unregelmäßigkeiten zur Kenntniß zu bringen, die Ausführung gemeinnütziger Vorschläge einzuleiten. Die Adjunkten vertraten ihn und besorgten nach seinem Auftrage die Geschäfte, Johann de Chapeaurouge: die Conscription, O. von Axen: die Militär–Hospitäler, die FeuerKasse und den Lombard, Chr. Nic. Pehmöller: die Einquartirung, G. Elert Bieber: die Gassenpolizei, J. Fried r. Voigts: die CommunalKasse. Der Municipalrath beratschlagt das Budget und legt das Resultat dem Präfecten vor, in denselben traten nur von den früheren Senatoren Bartels, M. J. Jenisch und Prösch. Die Verwaltung der Justiz sollte geschehen durch Friedensgerichte, Untergerichte, Tribunale erster Instanz zu denen das Handelsgericht gehörte; kaiserliche Gerichtshöfe mit den dazu gehörigen Assisen– und Special–Gerichten; von diesen stand der Weg an den Kassationshof und den hohen kaiserlichen Gerichtshof offen. Als Friedensrichter war für jeden der 6 Cantone, in die die Stadt getheilt war, ein Jurist ernannt. (Dres. Feil, Schönhütte, G. von Graffen, Hasse, Matthaei und Schön) Der Vice–Präsident im Tribunal erster Instanz war der frühere Senator P. A. Widow; unter den 25 Räthen am kaiserlichen Gerichtshof waren die früheren Senatoren J. J. Jänisch und Brunnemann; Bartels war zweiter Kammer–Präsident; zum ersten Präsidenten war der frühere General–Auditeur de Serre ernannt; bei dessen Entlassung aus seiner letzten Stelle der Präsident des Gerichtshofes in Metz sagte: „Erhoben zu einer wichtigen Würde, bekleidet mit einem wichtigen Amte, und zwar in einem Alter, in welchem viele Andere erst den Unterricht und das Studium beginnen, sehen Sie die Voraussagung erfüllt, die ich bei ihrem Eintritt verkündete: Kein Talent und Verdienst werden der Nachsuchung des Helden entgehen, der berufen ist, Alles neu zu machen“.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg unter dem Drucke der Franzosen 1806 - 1814