Louis Nicolas Davout, Marschall Prinz von Eckmühl.

An der Spitze der Commission stand der Marschall Prinz von Eckmühl, Davoust, den der Kaiser zum General-Gonverneur der hanseatischen Departements erwählt hatte. Als Commandeur der 32. Militär-Division stand er unmittelbar unter dem Kaiser und brauchte er sich nicht erst um die Minister in Paris viel zu kümmern. Er war gewohnt, ebenso streng Befehle seines Herrn auszuführen, wie Gehorsam von seinen Untergebenen zu fordern. Man versicherte, er werde ohne weitere Ueberlegung seinem Kaiser folgen, wenn dieser ihm gebiete, mit seiner Cavallerie ins Meer zu reiten, um ein Schiff herauszuholen. Bei der großen Verehrung, die er gegen Napoleon hatte, suchte er auf seinem neuen Posten seinen Eifer zu beweisen, Alles nach dem Willen seines Monarchen zu ordnen; das in Frankreich beliebte Einheitssystem ohne Rücksicht auf frühere Sitten und Gewohnheiten einzuführen. Es war ihm ganz unglaublich, daß Hamburg nicht bei der Vereinigung mit dem großen Frankreich gewinnen sollte; alle früheren deutschen Einrichtungen fand er lächerlich, und gerieth in Aufregung, wenn man, mit schmerzhafter Rückerinnerung, der früheren glücklichen Tage nur gedachte. Er sprach es oft aus, daß die Franzosen es wären, welche die Deutschen erst aus der Barbarei hervorziehen müßten, sie zu bilden und glücklich zu machen. So trat es oft hervor, daß er bei aller seiner Kraft und Tüchtigkeit kein nobler Charakter war. Er war uneigennützig, liebte, eine Ausnahme unter den Franzosen, das Geld nicht über Alles; aber die Ehre galt ihm über Alles, und gerne ließ er seine Uebermacht fühlen. So machte er sich z. B. ein Vergnügen daraus, einst um Mitternacht den ganzen Rath zusammenzurufen, um ihn in den April zu schicken. Als Entschuldigung mußte ein Mißverständniß eines Unterbeamten dienen.

Am 2. Februar war der Prinz in Hamburg eingezogen, am 10. erließ er aus dem „Regierungspalast“ eine Proclamation: „Der Senatsbeschluß vom 10. December v. Jahres hat euer Schicksal entschieden; es ist künftig mit dem Glücke Napoleons des Großen und seines Reiches vereinigt. Eure Unabhängigkeit war bloß eingebildet; der kleinste Zufall, der den Frieden Europas störte, setzte sie in Gefahr. Um euren Handel zu erhalten, waret ihr übermäßigen Aufopferungen, die von der Habsucht (!) gefordert wurden, unterworfen. Dies ist das Gemälde der Vergangenheit; eine andere Zukunft öffnet sich für euch;“ – und nun schildert er ihnen das Glück, zu den Völkern zu gehören, deren Glück und Ruhm Napoleon ist. Den ersten Beweis seiner Liebe habe er ihnen schon darin gegeben, daß er die Eröffnung der Verbindung der Ostsee mit den Strömen Frankreichs befohlen.


Am 13. Februar ward nun der Senat aufgehoben, die Archive wurden versiegelt, dagegen die Gerichte bis zur definitiven Organisation in den alten Formen und nach den alten Gesetzen freilich im Namen des Kaiser, wie bisher gelassen. Das Obergericht sollte aus 14 Personen zusammengesetzt sein außer einem kaiserlichen Commissär und einem Gressier (Actuarius); aber auch zum kaiserlichen Commissär wurde der Senator J. J. Jänisch ernannt, wie zum Präsidenten der frühere Bürgermeister von Graffen und zu Mitgliedern andere Herren des Raths. Ein Municipalrath aus 30 Personen wurde eingesetzt und in zwei Commissionen getheilt; die eine für die Verwaltung bestand vorläufig aus früheren Mitgliedern des Senats, die andere für die Finanzen aus den 10 Kämmereibürgern und dem Kämmereischreiber Klefeker. Alle Berathschlagungen dieser Commissionen mußten dem Maire vorgelegt werden, der auch, wenn er es für angemessen hielt, den Vorsitz führen konnte; jedoch durften die Beschlüsse nicht ohne Billigung des Präfecten vollzogen werden. Zum provisorischen Maire wurde der frühere Bürgermeister Heise, zu seinem Adjuncten der vormalige Syndicus Gries ernannt; als Präfect der vom Kaiser ernannte Baron Coninck-Outrive eingesetzt. Dieser Baron Coninck war ein Holländer von Geburt, ein rechtlicher, durchaus wohlgesinnter Mann, der, wo es möglich war, die Hand zur Erleichterung bot und allgemein beliebt ward. Die Senatoren, welche administrative Geschäfte auf dem Landgebiete hatten, behielten diese bei; zu Prätoren wurden die früheren Rathsherren Widow und Schrötteringk bestimmt.

Allein wenn es auch so den Anschein hatte, als ob nur unter anderm Namen dieselben Personen die Verwaltung fortsetzen sollten, zeigte sich doch bald der große Unterschied. Natürlich mußten Alle, welche geistliche, wie bürgerliche und richterliche Aemter bekleiden wollten, dem Kaiser den Eid der Treue schwören; das Wappen des Kaisers trat überall an die Stelle der alten hamburgischen drei Thürme; jede Cocarde außer der kaiserlich–französischen wurde verboten. Die Stadt wurde in 10 Districte getheilt und jedem ein Polizei-Commissär vorgesetzt. Die Theater wurden unter strenge polizeiliche Aufsicht gestellt, so auch die Druckschriften und die periodischen Blätter; diese wurden auf 6 beschränkt, der Correspondent und die Neue Zeitung durften politische Neuigkeiten bringen; das Adreßblatt und die wöchentlichen Nachrichten kaufmännische und andere; das Unterhaltungsblatt und der Orient Bekanntmachungen über literarische Gegenstände. Am 24. Februar wurde das Stadtmilitär aufgelöst und aus demselben zum Theil das 127. französische Linien-Infanterie-Regiment gebildet, das später auf den blutigen Schlachtfeldern Rußlands sich auszeichnete und von Napoleon wegen seiner Tapferkeit mit einem Adler beschenkt wurde.

Die Hansestädte hatten noch am 30. Januar gemeinschaftlich eine Deputation nach Paris gesandt, um dem neuen Herrscher ihre Huldigung darzubringen. Am Sonntage den 17. März empfing der Kaiser, von den Prinzen und Großwürdenträgern, sowie den Ministern umgeben, diese Deputation in den Tuillerien, im Thronsale. Syndicus Doormann, der mit den ehemaligen Senatoren Schulte und J. M. Jenisch Hamburg vertrat, übergab dem Kaiser die Adresse. In dieser, die freilich sonst demüthig genug war, sprach die Deputation es aus: Tröstend und angemessen für die ruhmvollen Erinnerungen des Vaterlandes ist der Gedanke, daß unsere Unabhängigkeit nur demjenigen weichen konnte, dem Alles weicht, und daß unsere politische Existenz nur in dem Zeitpunkte aufhören mußte, wo das Schicksal wollte, daß die Tiber und die Elbe unter Einer Herrschaft flossen; und sie schloß, mit der Aussicht weggehen zu dürfen, unseren Mauern, die Carl den Großen gesehen, die Hoffnung bringen zu können, Napoleon den Großen zu sehen. Der Kaiser machte sich ein Vergnügen daraus, in eine ausführliche Entwickelung seiner Regierungsgrundsätze in seiner Antwort einzugehen, ihnen zu zeigen, daß die Vereinigung der Hansestädte mit dem Reiche eine notwendige Folge der britischen Gesetze von 1806 und 1807, und nicht eine Wirkung irgendeines ehrgeizigen Calcüls sei. „Frankreich konnte“, sagte Napoleon, „bei seinen alten Gränzen in Kriegszeiten keine Marine bauen; wenn seine Küsten blockirt waren, war es genötigt, Gesetze zu empfangen. Jetzt kann ich durch die Vermehrung, die mein Reich seit 6 Jahren erhalten hat, jährlich 25 Linienschiffe ausrüsten. Wenn ich über 100 Linienschiffe haben werde, werde ich in wenigen Campagnen England unterwerfen. – Ich hoffe in Kurzem den Eifer und die Tapferkeit eurer Matrosen zu rühmen zu haben.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg unter dem Drucke der Franzosen 1806 - 1814