Eingliederung der Stadt Hamburg in das französische Reich.

Es war der eingesetzten Regierungs-Commission wirklich darum zu thun, der Stadt die Aufnahme in das französische Reich als ein Glück darzustellen, und schon ehe das Jahr verflossen war, für das sie ihren Auftrag erhalten hatte, war sie mit ihren Einrichtungen zu Ende.

Die viel bewunderten Napoleonischen Institutionen hatten ja den Zweck, dem Herrscher die größtmöglichste Macht zu verleihen, den Regierten den täuschenden Schein der Freiheit zu lassen. War die Regierung deshalb nach dem unübertrefflichen Vorbild der katholischen Hierarchie geordnet und ward sie mit der strengsten Beobachtung der Disciplin geführt; so war dem Volke viele Freiheit gelassen. Die persönliche Freiheit war Jedem, der die Gesetze nicht übertrat; garantirt, das Haus eines Jeden als unverletzbare Freistätte bezeichnet, das nur nach dem Gesetz oder zufolge eines Befehls einer öffentlichen Gewalt von einem Beamten betreten werden darf. Verhaftungen durften nur auf richterlichen Befehl erfolgen. Die Verhafteten müssen ihren Verwandten gezeigt werden, wenn diese einen Befehl des Beamten haben, der die Erlaubniß zu erteilen verbunden ist, falls nicht der Richter die Zulassung verboten hat. Jeder Franzose, der 21 Jahre alt ist, dem seine politischen Rechte nicht genommen sind, und der eine bestimmte Steuer zahlt, nimmt an der Versammlung des Kantons, in dem er wohnt, Theil. Diese Versammlungen präsentiren dem Kaiser einen Aufsatz von 2 Personen zur Wahl eines Friedensrichters und der Suppleanten; ebenso zwei aus den 100 am höchsten Besteuerten für jede Municipalrathstelle; sie ernannten die Mitglieder der Arrondissements– und Departements–Wahlcollegien. Die Zahl der auf Lebenszeit in die Arrondissements–Wahlcollegien gewählten Mitglieder war für Hamburg 200. Dies Kollegium schlägt dem Kaiser zwei Bürger vor zu jeder erledigten Stelle der 11 Arrondissementsräthe; auch zwei Bürger, um die Liste zu bilden, worauf die Deputaten zum gesetzgebenden Korps genommen werden. In jedem Departement war dann wieder ein Wahlcollegium von 300 Mitgliedern, das zwei Kandidaten für jede erledigte Stelle im General–Departements–Rath stellt, wie zwei für die Liste der Gesetzgeber, und 2 für die des Erhaltungs–Senats. Die Wohlthätigkeitsanstalten provisorisch auf dem bisherigen Fuß gelassen. Ebenso die Anstalten für den öffentliche Unterricht, die im August von den Räthen der kaiserlichen Universität, Cuvier und Noel, untersucht waren, und ein so glänzendes Lob erhalten hatten, daß das Johanneum später, den 3. August 1813, durch ein kaiserliches Decret als Lycée d'externes bestätigt ward, d. h. als eine Anstalt, in der die Schüler nicht, wie in den französischen Gymnasien, zu wohnen brauchten. Auch die Organisation der Kirche sollte, wie bisher, fortdauern; doch ein Bericht an den Minister des Cultus abgestattet werden, um sie in Uebereinstimmung mit den übrigen Kirchen des Reiches zu bringen. Die Veränderung sollte am 1. Januar 1812 eintreten; der Maire hielt es deshalb nicht für zweckmäßig, für das nächste Jahr eine neue Juratenwahl vornehmen zu lassen und bat privatim, die bisherigen zu lassen. Es durften jedoch ohne seine Vermittelung bei der competenten Behörde keine Bauten vorgenommen, keine Capitalien gekündigt werden. Am 30. Januar 1812 verlangte der Municipalrath die Aufgabe des status von dem Vermögen der Kirche. Zu weiteren Veränderungen schritt man nicht vor. Es war besonders Abendroth, der alle Umänderungen, die nicht durchaus vom Kaiser gefordert wurden, zu hintertreiben suchte. Dabei unterließ es das französische Gouvernement nicht, dem Volke, wo es konnte, Vergnügungen zu bereiten; Festlichkeiten zu Ehren des Kaisers wurden arrangirt. Am 24. März verkündeten 101 Kanonenschüsse die erfolgte Geburt des Königs von Rom, alle Glocken läuteten, alle Bureaus wurden geschlossen; am 31. war ein großes Te Deum in allen Kirchen, in der großen Michaelis–Kirche wurde vom Musikdirector Schwenke, in der kleinen Michaelis–Kirche, die am 17. März zu einer römisch–katholischen geweiht war, vom Kapellmeister Romberg eine Musik aufgeführt. Nach der Kirche war Parade auf dem großen Neumarkte, abends Ball bei dem Marschal und allgemeine Illumination, sowie Feuerwerk auf der Lombardsbrücke. Alle armen Leute, die Pfandzettel unter 5 Francs hatten, konnten ihre Sachen unentgeltlich vom Lombard erhalten. Aehnliche Festlichkeiten wurden am 9. Juni, dem Tauftage des Kindes wiederholt; eine besondere Feier, die an diesem Tage stattfinden sollte, wurde nur durch den Sturmwind verhindert; es wollte nämlich Augustin um 3 Uhr, beim Drillhause (in der jetzigen Ferdinandstraße) eine Luftfahrt anstellen. Die Fahrt wurde bis zum 19. aufgeschoben, mißlang aber an diesem Tage gänzlich, da der Ballon nicht zu füllen war. Dagegen war im glänzend decorirten Apollo-Sal ein Ball für alle Behörden Hamburg's und Altona's. Am Geburtstage des Kaisers, den 15. August, hatte man ein neues Vergnügen für das Volk; auf dem Großneumarkte, wie auf dem Pferdemarkte, waren Gerüste erbauet, auf denen eine Lotterie von Eßwaren stattfand. Wer wollte, konnte auf der einen Seite hinaufsteigen, ein Loos oder eine Niete ziehen und an der andern Seite wieder hinabgehen. Die glücklichen Gewinner durften am Nachmittag sich ihren Preis holen; es waren angeschafft: 99 Bratwürste zu 2 Pfund, 40 Stück Küken, 40 Kalekuten, 80 Schweinebraten zu 2 Pfund, 40 Kalbsbraten zu 6, 80 Ochsenbraten zu 8 Pfund, und als Kaisergewinn für jede Lotterie – ein geräucherter Schweineschinken. Auch ein Vogelschießen war veranstaltet, bei dem der General-Gouverneur selbst erschien, und seine Uhr zum Ehrenpreise hingab, da er hörte, daß Einige für den jungen König von Rom schossen. Leider gewann das Kind aber nicht die Uhr, sondern einen Löffel; es soll sich aber sehr an dem blanken Silber gefreut haben. Bei der Feier des Krönungszuges, am 2. December, kam zu der Lotterie noch Abends freier Eintritt in die drei Theater, das Stadttheater und das im Hotel de Rome, in welchen deutsch, und das Apollo-Theater, in dem französisch gespielt wurde; 4.000 Freikarten wurden ausgegeben.


Doch auch auf andere Weise suchte man seine Fürsorge fürs Volk zu bethätigen. Der Kaiser hatte gesagt, es solle die Ostsee mit dem Rhein verbunden wenden. Wirklich kam bald auch ein kaiserlicher Ingenieur, die Anlagen zu bestimmen. In den letzten Tagen des März war man in voller Tätigkeit, eine Chaussee von Hamburg nach Wesel zu legen, und so nach Paris; nicht weniger als 7.000 Menschen arbeiteten daran mit 1.200 Wagen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg unter dem Drucke der Franzosen 1806 - 1814