Continental-Sperre. Die Versuchung Schmuggelhandel zu treiben.

War die Versuchung, einen Schmuggelhandel im Großen zu treiben, schon seit Beginn der Vorkehrungen für die Continental-Sperre so groß geworden, daß selbst die besseren Kaufleute nicht hatten widerstehen können; so wurde durch das Decret aus Trianon vom 3. August 1810 (Trianon ist ein Lustschloss des französischen Kaisers, bei Versailles), allen Betrügereien die Krone aufgesetzt. Durch dieses wurde der Handel mit England und dessen Colonien völlig untersagt; alle seewärts ankommenden Colonial-Waren sollten wie englische angesehen werden und einem Impost von 50 pCt. unterworfen sein. Kaum war dieses Decret in Anwendung gekommen, und dadurch die scheußlichsten Haussuchungen, Plünderungen, Bestechungen entstanden, so erschien das Decret von Fontainebleau am 2. October, in dem der Tarif für die einzuführenden Waren näher bestimmt, aber auch von den schon eingeführten gefordert wurde. Die innerhalb der Grenzen sich befindenden Waren sollten in zehn Tagen declarirt werden, sonst würden Haussuchungen angestellt.

Alle Remonstrationen dagegen, daß ja hier keine anderen Waren existirten, als die schon für schweres Geld losgekauft waren oder die durch deren Verkauf die Douaniers sich schon bereichert hatten, halfen nichts. Die Douaniers gaben oft selbst diejenigen an, denen sie die Waren überlassen, und zwangen sie, noch einmal den Zoll zu zahlen. Jeder Bürger und Einwohner bekam ein Declarations-Formular (an 40.000 wurden vertheilt), um anzugeben, welche Colonialwaren er habe; man hoffte dadurch den bei Freunden versteckten Waren auf die Spur zu kommen. Haussuchungen folgten, und mancher Hausvater gab was zu seinem Hausbedarf angeschafft war, hin, um nur vor Mißhandlungen der untern Beamten seine Hausgenossen zu schützen. Wer seine Ware bis zum 30. November declarirt und die Abgabe bezahlt hätte, wurde erklärt, sollte die Erlaubniß haben, sie im Innern von Deutschland vertreiben zu dürfen, jedoch müsse er sich mit dem Beweise versehen, daß die Abgabe bezahlt sei. Nun trat die Schwierigkeit ein, sich den gültigen Beweis zu verschaffen; daß dies nicht immer ohne neue Bestechungen abging, war natürlich. Außerdem wurde dem kaiserlichen Decret neue willkürliche Ausdehnung gegeben, dadurch, daß man von jedem Quintal (ca. 200) raffinirten Zucker eine Abgabe von 450 Frcs., von Candis und Sirup 80 Frcs., von Taback 120 Frcs., von jedem Litre (Flasche) Rum 1 ½ Frcs. unverzüglich forderte. Der General Compans erwiderte auf alle Einwendungen, die ihm vorgeworfen wurden, nur mit lächelndem Munde: „Es hilft nichts; man muß sich fügen, davon ist nicht abzukommen.“


Am 19. October ging Napoleon noch einen Schritt weiter und befahl die Verbrennung aller englischen Fabrik– und Manufacturwaren in Frankreich, Holland, dem Großherzogthum Berg und den Hansestädten, überhaupt im Bereich der von französischen Truppen besetzten Orte. Das war eine Herausforderung, ihn zu hintergehen, wie nur eine erdacht werden kann. Wie konnte Napoleon denken, daß er die Macht haben würde, einen solchen Befehl durchzusetzen. General Compans zeigte am 4. November dem Senate an, daß man auch hier dem Befehle des Kaisers nachkommen müsse. Der Senat schlug ihm vor, mit den englischen Waren, die confiscirt wären und in den Magazinen der Douanen sich befänden, den Anfang zu machen; allein aller Gegenvorstellungen ungeachtet erklärte er, aus den Magazinen der Douanen die Ware nicht nehmen zu wollen; die Bürger müßten sie liefern. Allein trotz der Haussuchungen, die er anordnete, waren bis zum 7. November noch für keine 3.000 angegeben worden. Der General wüthete, drohte mit den heftigsten Maßregeln fortzuschreiten, wenn man nicht Anstalten träfe, bald eine große Menge in Flammen aufgehen zu lassen. Nun gab man, da auch Bourrienne rieth, die Sache zu fördern, den Maklern den Auftrag, allerlei schlechte Ware zum Verbrennen herbeizuschaffen; am 16. hatte man eine Masse beieinander, welche von den Franzosen auf 180.000 Frcs. taxirt wurden; ein großer Leichenzug wurde angeordnet; unter einer Escorte von 100 M. Infanterie, 25 Dragonern und vielen Polizeidienern wurde mit klingendem Spiele das Corpus delicti vom kleinen Bauhof nach dem Grasbrook gebracht und dort unter einem großen Zulauf der Menschen angezündet. – Allein diese Quantität genügte nicht; der Kaiser hatte sich eingebildet, in Hamburg müßten Millionen zu verbrennen sein; deshalb mußten die Behörden fortfahren, in den Speichern nach englischen Waren zu suchen. Es waren ja Waren hier, für die einmal, ja, zweimal die Abgabe bezahlt war! Diese Waren wurden confiscirt, den Kaufleuten mit Bedauern bemerkt, es sei strenge Ordre vom Kaiser, daß sie verbrannt werden müßten; ihnen wurde eine Einladung gesandt, am 5. December bei einem zweiten Autoda?é zugegen zu sein, um ihre Waren verbrennen zu sehen; die der Einladung folgten, sahen, – daß statt ihrer Waren, mit Stroh gefüllte Ballen verbrannt wurden, während die Franzosen sich der geretteten Beute freuten. Allein in den Zeitungen wurde verkündigt, daß etwa für 300.000 Francs. Bco. Waren dem Feuer übergeben seien.

Dies geschah, während Hamburg noch einen selbstständigen Staat bildete. Freilich mit der Selbstständigkeit sah es schon seit Jahren wunderbar aus! Schon im December 1807 hatte der französische Gesandte im Namen des Großherzogs von Berg das Anerbieten gemacht, das ganze Postwesen auf 50 Jahre für eine Entschädigung von Ct. 50.000 fürs Jahr, abzutreten, da der Großherzog das Postwesen als Regal erhalten hatte. Man mußte das Anerbieten annehmen, um nicht sonst die Post ganz zu verlieren. Am 10. December desselben Jahres zeigte der Senat der Bürgerschaft an, daß der französische Kaiser begehre, daß die Stadt vom 1. Januar 1808 an in ihrem Gebiete das französische Gesetzbuch, den Code Napoleon, einführe. Napoleon glaubte ja durch den Code, wie durch die Oeffentlichkeit des Gerichtswesens und die Einführung der Geschwornengerichte ganz Deutschland glücklich machen zu müssen, und hatte diese drei Institute vor Allem seinen Bruder Jerome bei der Stiftung des Königreichs Westphalen empfohlen. Der Senat konnte nicht anders, als nachgeben, soweit nicht die Rücksicht auf unsere Institutionen die Einführung unausführbar machten. Viel Noth und Sorge machte es auch, daß Napoleon verlangte, daß die Hansestädte 300 Matrosen für den französischen Dienst stellen sollten. Der Befehl kam schon im Februar 1808, aber Matrosen, die freiwillig sich stellten, waren nicht zu finden und für die Werbung wurden allein an Bourrienne 3.000 Bco. bezahlt. Im Jahre 1809 hatte Bourrienne für den König Jerome, der mit seiner Civilliste niemals ausreichte, eine Anleihe in Hamburg zu machen gesucht, da er aber die gewünschten drei Millionen nicht aufbringen konnte, doch so viel erreicht, daß der Senat dem Könige 300.000 Franken vorzustrecken bereit war. Das hatte Napoleon aber übel vermerkt; es war Anderes dazu gekommen, so daß er ihn in Ungnade fallen ließ. Am 28. November 1810 kam als General–Consul Le Roy hier an. Bourrienne reiste ab, sein bedeutendes Vermögen hatte er zum Theil durch zwei Güter sichern wollen, eins in Mecklenburg, das andere, die Abtei Schwarzach, in Franken; aber alles ging schnell verloren und seine Schulden, die bis auf 5 Millionen stiegen, zwangen ihn zuletzt, mit seinen Gläubigern zu accordiren. Später, nachdem Napoleon von Elba zurückgekehrt war, ward er noch einmal Geschäftsträger in Hamburg, ging aber nach der zweiten Thronentsagung zu Ludwig XVIII. über, ward Staatsminister, trat 1821 als Abgeordneter des Yonnedepartement auf, verlor aber zuletzt den Verstand und starb 1834.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg unter dem Drucke der Franzosen 1806 - 1814