Geschichte des hamburgischen Doms und des Erzbischofs Anscharius

Die Domkirche ist schon allein durch. ihr Altertum merkwürdig, daher ich glaube den Altertums-Forschern einigen Dienst zu erzeigen, wenn ich ihnen eine kurze Geschichte desselben so liefere, wie ich solche in echten Quellen, das heißt in den ältesten Urkunden damaliger Zeit, gefunden habe.

Aus der Geschichte ist bekannt, dass Kaiser Carl der Große im Jahr 808 ein Schloss an der Elbe, und zwar in Hamburg, erbaute, welches wider die Anfälle der Wenden dienen sollte, das aber zwei Jahr darauf von eben diesen Völkern eingenommen und zerstört wurde, und der Kaiser im nächstfolgenden Jahre wieder aufbaute.


„Es ist schwer den Namen dieses Schloßes genau anzugeben, weil einige damalige Geschichtsschreiber es Hochburi, andre Hochburg, und noch andre Hohenburg genannt haben. Zugleich ließ Kaiser Carl auch eine Kirche bauen, auf dem nämlichen Platz, wo jetzt die Domkirche steht, der heiligen Maria zu Ehren, und der erste hamburger Priester, der hier eingesetzt und vom Kaiser zum künftigen Bischof bestellt wurde, hieß Heridag. Er war auch damals willens, Hamburg zu einem Erz-Bisstum zu erheben, aber Heridags Tod so wie wichtigen Reichsgeschäfte verhinderten ihn daran.

Kaiser Ludwig der Fromme ernannte Anscharius zum Erzbischof im Jahr 833, (nicht 831 wie in Hamburgs Beschreibung angegeben ist), und verordnete Hamburg zum Erzbischöflichen Sitz, so dass ihm und seine Nachfolger das ganze Cimberland und die drei nordischen Königreiche in Kirchensachen unterworfen sein sollten.

Anscharius war in dem zu Sachsen 822 erbauten Kloster Neucorvey Kirchenlehrer. Wie der verjagte König Harald Klay aus Dänemark, auf Anordnung des Kaisers Ludwig zu Mainz war getauft worden, und in sein Reich wieder eingesetzt werden sollte, wurde Anscharius diesem Könige als Lehrmeister mitgegeben, um ihn im Ckristentum zu unterrichten. Er predigte nicht nur im Holsteinischen und taufte die bekehrten Heiden, sondern bemühte sich auch, in Dänemark und Schweden die christliche Religion auszubreiten, bis er, wie oben gedacht ist, zum Erzbischof von Hamburg berufen wurde.

Das ganze Privilegium, welches Kaiser Ludwig Hamburg erteilte, würde hier, wörtlich einzurücken, zu weitläufig sein. Ich will blos anmerken dass es von Aacken datiert und den 15ten Mai 834 gegeben ist; doch will ich einige Stellen gedenken, die den damaligen Ton in geistlichen Sachen am besten charakterisieren, zugleich aber auch für Geschichtskundige einiges Interesse haben können. Im Eingange heißt es: „Nachdem durch Gottes Verordnung in den mitternächtigen Ländern und Völkern, nämlich der Dänen, Schweden, Norwegen, des Landes Grönlands Hällingaland, Ißland, Schwedemünde, und aller östlichen Völker, die himmlische Gnade eine große Tür der Predigt eröffnet, also dass der hin und her zum Glauben Christi bekehrte Haufe, nach den himmlischen Geheimnissen ein begierliches Verlangen trägt, daher haben wir es wert geachtet, einen bequemen Ort an unserer Grenze zu erwählen, wo solche barbarische Nationen. Weide des ewigen Lebens desto leichter und reichlicher nehmen, und die darnach Dürstende das Gnaden-Öhl zur Hand haben möchten. Unser Vater Carolus glorreichen Andenkens hat ganz Sachsenland der christlichen Religion unterworfen, und Christi Joch bis an die dänische und wendische Grenzen gelehrt, indem er ihre freche Herzen mit dem Schwert bezwungen.“

Nun wird in dieser Urkunde weitläuftig erzählt, dass Karl einen bischöflichen Siz im Lande der Über Elbinger zu stiften beschlossen habe, dass er den Priester Heridag eingesetzt und dieser neuen hamburger Kirche viele heilige Reliquien verschaft, auch schon willens gewesen, diesen Ort zu einem bischöflichen Siz zu erheben, um die Heidenbekehrung desto fleißiger fortzusetzen, durch den Tod aber daran verhindert worden. Am Schluss heißt es: „Wir haben daher mit der Kirche Bewilligung an der letzten sächsischen Landschaft, an den Ort Hammaburg genannt, einen Erzbischöflichen Siz von eigner Kraft zu verordnen beschloßen, und über solchen Anscharius gesezt, auch zu diesem Bischofthum folgende Grenzen bestimmt, nemlich vom Elbstrohm unterwärts, bis an das große Meer und nufwärts durch die ganze Landschaft der Slaven oder Wenden, bis an die Ostsee und durch, alle vorbesagte Mitternächtliche Völker.“ Das in Flandern liegende Kloster Thurholt wurde dem Bischof mit zu seinem Unterhalt angewiesen, und in folgenden Jahren vom Pabst Gregorius dem Vierten confiirmirt.

Gedachte Konfirmation ist in elendem Latein abgefasst, und enthält eben nicht viel Bemerkungswertes. Der Schluss, ganz im damaligen päbstlichen Tone, lautete so: „Wir sezzen auch in Bann alle Widerspenstige und Widersprecher, die unsern gottseligen Fleiß auf irgend eine Art nachstellen und verdammenden Schuldigen durch ewige Rache zum Teufel, und weil Gottes Güte dich geliebter Sohn Anscharius verordnet hat, in diesem neuen Siz am ersten Erzbischof zu seyn, so eignen wir dir zu den Mantel, so wir dir dein Lebenlang zu gebrauchen schenken.“

Anscharius soll, wie die Geschichte meldet, viel Gutes in Hamburg gestiftet haben, er verdient also, dass seine Verdienste in Andenken erhalten werden. Dahin rechne ich besonders, dass er eine Schule anlegte und eine Bibliothek errichtete. Die alten Geschichtsschreiber nennen sie sogar eine herrliche Bibliothek und vortreffliche Schule. Wenn es auch mit der Herrlichkeit und Vortrefflichkeit nicht sonderlich beschaffen gewesen wäre, so ist so viel gewiss, dass Anscharius der erste war, der Hamburg bilden, wenigstens den ganz rohen Zustand in etwas verbessern wollte.

Auch legte er nicht nur ein Benediktiner-Kloster an, sondern vergrößerte und verschönerte auch die von Kaiser Karl erbaute kleine Kirche.

Der gute Anscharius hatte mancherlei Leiden auszuhalten, denn wie 843 Karls Söhne ihres Vaters Länder unter sich teilten, so fiel den einem, Karl dem Kahlen das Kloster Thurholt mit zu, und dieser war nicht willens, solches länger bei dem hamburger Erzbistum zu lassen, sondern behielt es für sich selbst, daher schon dadurch den Mönchen der größte Teil ihrer Einkünfte entzogen wurde.

Zwei Jahre darauf traf Anscharius noch ein härteres Schiksal, denn bei Abwesenheit des Grafen Bernhards, wurde Hamburg im Jahr 845 von den Normännern des Nachts überfallen, erobert, zerstört und verbrannt, und die Einwohner, die nicht entflohen, niedergemacht oder gefänglich weggeführt. Ein gleiches Schicksal widerfuhr dem Kloster und der Kirche, von welchem wenig überblieb, und die von Anscharius errichtete Schule und Bibliothek war ebenfalls mit verbrannt worden.

Mit genauer Not retteten Bischof und Mönche ihr Leben, und fanden in Bardewick bei einer vornehmen Dame ihren Zufluchtsort. Ludwig der Andre nahm sich des Anscharius an, und brachte es bei einer Versammlung der Bischöfe dahin, dass ihm die Stadt Bremen zugeordnet, und mit Hamburg unter ein erzbischöfliches Haupt vereinigt wurde. Wie aber Guntharius Erzbischof zu Cölln wurde, drang er darauf, die vorhin dazu gehörige Bremer Kirche wieder zu erhalten. Die Sache wurde auf einem Reichstag zu Worms untersucht, und dahin entschieden, dass Bremen und Hamburg mit einander vereinigt bleiben sollten; aber der Cöllner Bischof wollte sich nicht dabei beruhigen, sondern appellierte an den Pabst. Es wurden also Deputierte nach Rom an Pabst Nikolaus abgeschickt, der die Bremische und Hamburgische Kirchen,Vereinigung für recht erkannte, und solche konfirmierte. Dieß geschahe im Jahr 858, und Bremen wurde sogar dem hamburgischen Erzbistum untergeordnet. Jetzt stellte Anscharius das Kloster und die Kirche wieder her, er selbst aber wählte Bremen zu seinem Wohnort, wo er 865 im 64sten Jahre seines Alters starb, und in der Peterskirche begraben liegt.

Die neuerbaute Domkirche blieb nicht länger als 1012 ruhig stehen; denn Hamburg wurde in diesem Jahre abermals von den Wenden heimgesucht, und der Dom gänzlich zerstört. So blieb er bis 1015, in welchem Jahre der Erzbischof Unwan und der sächsische Herzog Bernhard die Kirche, doch nur von Holz und sehr einfach, wieder aufbauten. Auch mit dem Kloster wurde damals Änderung vorgenommen, denn die Benedictiner Mönche wurden zu 12 Stiftsherrn umgewandelt, und von dieser Zeit ist auch der Name Dom und Domkirche gekommen, wahrscheinlich vom lateinischen Worte domus, weil in diesem Hause Bischof und Canonici bei einander wohnten. Die hölzerne Domkirche wurde 1037 abermals in eine steinerne umgewandelt, 1072 aber von den Slaven zerstört, und nicht eher als 1106 von Adolph, Grafen zu Schaumburg neu aufgebaut, so wie man sie gegenwärtig noch sieht.

Bis 1223 blieb das Erzbistum beim hamburger Dom, da es denn wegen der so öftern feindichen Anfälle nach Bremen verlegt wurde, denn die Geistlichen sind Freunde des Friedens, und mochten die öftern Beunruhigungen, deren sie in Hamburg ausgesetzt waren, nicht länger erdulden. Unterdessen blieb das Domkapitel in Hamburg, so wie die Feindseligkeiten von außen aufhörten, vermehrten sich die innern Währungen zwischen dem Domkapitel und Magistrat, welcher leztere zu zwei verschiedenenmalen in Bann getan wurde, einmal 1337, wo sogar das Domkapitel Hamburg verließ, denn es erklärte gradezu, dass Diener Gottes sich nicht an einen so verfluchten Orte aufhalten müssten. 1355 kam es zum Vergleich, aber 1499 erfolgte der zweite Bannstral, weil die Domherrn zu dem Brunnenbau auf dem Berge einen Beitrag liefern sollten, den sie hartnakkig verweigerten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg und Altona - Band 2 Heft 4