Geist der Handlung

Der Geist der Handlung ist der Geist des Gewinnstes oder der Eroberungen. Raue Nationen dürsten nach der Eroberung von Land und Leuten; zivilisierte und handelnde Völker geizen nach Reichtümern.

Diese Einleitung, so wahr sie auch ist, klingt doch ein wenig zu hart; ich will sie also ohne Beweise durch Beispiele so stehen lassen, und lieber einen andern Saz vortragen, der eben so wahr ist, aber jedem kaufmännischen Leser besser behagen wird.


Erheißt so: Der Geist der Handlung ist Freiheit.— Freiheit ist der Schöpfer, Beförderer und Erhalter des Handels. Eine freie Nation wird nicht lange einen nachteiligen Handel führen, denn die Fehler einzelner Personen werden gar bald durch die kluge Aufführung andrer verbessert; selbst die begangenen sind zuweilen kräftige Erholungsmittel. Der berühmte Necker sagte: Nichts ist zärtlicher als die Handlung; sobald die Regierung ihr auch nur einige geringe Fesseln anzulegen sucht, so verschwindet sie. Das ist sehr wahr; denn die Erfahrung hat von jeher bewiesen, dass immer die Nation, die ihren Handelsleuten eine unbegrenzte Freiheit verstattete, es allen übrigen in kurzer Zeit zuvor tat.

Man muss die Freiheit der Handlung nicht mit der bürgerlichen Freiheit vermengen, die beide sehr verschieden sind, und man findet oft, dass die Freiheit der Handlung von vielen Menschen, selbst von Kaufleuten, ganz verkehrt erklärt wird.

So z. B. wird fast allgemein behauptet: die Handlung sei das vorzüglichste Eigentum der Republiken, und Monarchien und Aristokratien hätten dazu weniger Geschick.

Das ist wahrlich nur Vorurteil, und rührt bloß daher, weil man Handlungsfreiheit mit bürgerlicher Freiheit vermengt hit. Die Geschichte — und diese bleibt doch immer unsre richtigste Lehrmeisterin — widerlegt eine solche Behauptung; sie beweiset, dass der Handel in Monarchien eben so gut als in Republiken geblüht habe, und noch blühe. Hat er nicht in allen Monarchien gleiche Wurzel geschlagen, so kam es daher, weil in solchen der militärische Geist überwiegend war, und dieser steht mit dem handelnden Geiste im ewigen Widerspruch. Friedrich II. wollte diesen Saz nicht zugeben, aber er hat seine Wahrheit erfahren; denn so vielen kaufmännischen Geist er, auch besaß, konnte er doch nie ein so großer Kaufmaun werden, als er wünschte, weil sein militärischer Geist überwiegend war. Nur daran lag es, nicht in der monarchischen Einrichtung seiner Staaten.

Ein eben so bedeutendes Vorurteil ist es, die Freiheit der Handlung in einer unumschränkten Macht der Handelsleute zu setzen. Dergleichen Freiheit würde dem Handlunqsgeiste grade entgegen sein. Man hat verschiedene Einschränkungen, die, anstatt den Geist der Handlung zu töten, wie viele Kaufleute sich einbilden, schlechterdings notwendig sind, um ihn zu beleben. Wer z. B. rohe Materien ausführt, die im Lande verarbeitet werden können, der vernichtet die Künste samt der Materie der Handlung. Der Gewinn einzelner Personen kann hierbei nicht in Betracht kommen, denn es ist bekannt, dass Gegenstände, welche Einzelne bereichern, den Staat zu Grunde richten können. Es folgt hieraus, dass die Freiheit gewisse Regeln haben müsse, denn die Handlung muss dem Staate, keinesweges aber der Staat der Handlung dienen.

Eine dieser Hauptregeln ist, dass der Staat darauf sehen müsse, einen freien Umlauf des Handels zu befördern, und diesen unter keinerlei Vorwand zu schwächen, daher kenne ich kein größeres Hindernis, als Monopolien, und ausschließende Privilegien, durch welche sich nur einige begünstigte Personen mästen und die Handlung leidet. Es ist billig, dass der Staat nüzliche Entdeckungen blohne, aber unbillig, diese Belohnungen auf die Industrie der Nation anzuweisen, und dadurch die Nacheiferung und Erweiterung der Künste in Fesseln zu legen.

So gewiss dieser Grundsaz ist, um so mehr ist zu bewundern, dass an einem so bedeutenden Handelsorte, wie Hamburg, der zu gleicher Zeit ein Freistaat ist, die Zünfte noch immer ihren Schutz finden. Wenn Rat und Bürger sich über das allgemeine Wohl ihres großen oder kleinen Staats einig sind, was könnte sie wohl abhalten, auch den Zunftgeist zu verbieten, der der bürgerlichen Freiheit sowohl als der Handlungsfreiheit so äußerst nachteilig ist?

Viele stehen in der Meinung, eine Reichsstadt könne dergleichen Abänderung nicht nach Willkühr vornehmen; aber das ist sehr unrichtig; denn die Reichskonstitution nimmt freilich, wenigstens den Worten nach, die Zünfte in Schutz; aber es existiert kein Reichsgesetz, nach welchem ein Staat verpflichtet wäre, einen so lästigen Gast, als der Zunftgeist ist, beherbergen zu müssen. Hamburg hätte zwiefache Veranlassung, die Zünfte aufzuheben; einmal, weil sie mit der bürgerlichen Freiheit sowohl als insbesondre mit dem Geiste der Handlung fast immer in Kollision kommen, dann aber auch, weil die Zunft-Einrichtungen in einer so volkreichen Stadt den Bürgern überhaupt, der Handlung aber insbesondere gefährlich werden können.

Hamburg hat es schon öfterer erfahren, wie nachteilig die Zünfte der Handlung waren, denn die Stockung des freien Umlaufs, wenn auch nur wenige Tage, ist Verslust für den Staat, und die Handwerks-Unruhen haben, wie bekannt, Hamburgs Bürger zu verschiedenen malen sogar acht Tage lang beunruhigt. Es ist kaum zu begreifen, wie es bei solchen Tatsachen noch möglich ist, die Zünfte in Schuz zu nehmen, da dergleichen Unruhen, so wie alle Handwerksmissbräuche, bloß von den Zunfteinrichtungen selbst herrühren. Deutsche Regenten haben von Jahr zu Jahre in ihren Ländern Edikte gegen Handwerksmissbräuche herausgegeben, bald geschärft und bald geändert. Sie wären dieser Sorge überhoben gewesen, wenn sie die Zünfte abgeschaft, und das deutsche Reich von dieser Geißel befreit hätten. Ich gebe zu, dass eine so allgemeine Zunft-Revolution im ganzen Reiche mit Schwierigkeiten verbunden sei; aber was könnte einen Freistaat, wie Hamburg, wohl davon abhalten? Liegt irgend ein politisches Geheimnis; zum Grunde, so bescheide ich mich gern; aber ich bitte mir bei den Lesern dieses Journals im Voraus die Erlaubnis aus, sie nächstens über diesen Gegenstand ausführlich unterhalten zu dürfen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg und Altona - Band 2 Heft 4