Der Hafen von Baudirektor L. Wendemuth

In der Entwicklung des Verkehrslebens der Völker hat seit etwa der Mitte des vorigen Jahrhunderts ein bedeutsamer Aufstieg eingesetzt. Seine Ursachen sind in der Steigerung der allgemeinen kulturellen Leistungen und Bedürfnisse zu suchen, seine Mittel in einer Reihe entscheidender Fortschritte der Technik. Je lebhafter damit der Güteraustausch zwischen den gewerbefleißigen Gegenden des Rohstoffbedarfs und. den gesegneten Ländern der Rohstofferzeugung wurde, je höher Handel und Verkehrsgeschäft einander gegenseitig emporschraubten, um so bunter und wechselvoller musste das Leben an den Plätzen der Erde werden, denen die Aufgabe zufiel, diesen Verkehr zu leiten und seine Fäden zu verknüpfen: in den rasch emporblühenden Hafenstädten. Nicht nur die Verkehrsgröße nahm mit diesem allgemeinen Aufstieg zu, auch seine Ausgestaltung gewann wesentlich andere Formen. Die großen, beherrschenden Weltstapelplätze verloren an Bedeutung und hatten gegen die aufstrebenden Umschlaghäfen, die in größerer Nähe der Hauptversorgungsgebiete liegen, den Wettkampf aufzunehmen. Der Massenstrom an Gütern floss in steigendem Maße unmittelbar den Ländern zu, die fortan in der Fabrikaterzeugung eine führende Rolle spielten. Und in der anderen Richtung mussten diese neuen Industrieländer ihre Einfuhrhäfen zugleich für die Ausfuhr ihrer gewerblichen Erzeugnisse ausbauen. So traten neben den Jahrhunderte alten Handels- und Stapelplätzen der Welt die europäischen Festlandshäfen in den Vordergrund, die durch ihre geographische Lage und ihren Unternehmungsgeist dazu in erster Linie berufen waren.

Dass das vor 50 Jahren neugeeinte Deutschland an dieser Entwicklung in hervorragendem Maße Anteil nahm, hatte es zum Teil seiner Lage im Herzen Europas zu danken. Schon lange aber hatten die deutschen Hansestädte den Aufschwung seiner Welthandelsbedeutung kraftvoll vorbereitet. Denn schon vor der Reichsgründung hatte sich mit der vorher gekennzeichneten Verlegung der Weltverkehrswege die bedeutsame Verschiebung des Schwerpunktes des Seehandels von der Ostsee zur Nordsee vollzogen. Und so war es vor allem dem rührigen und auf die Wandlungen der Weltvorgänge aufmerksamen Hamburg beschieden, die deutsche Führerrolle in der Weltwirtschaft zu übernehmen.


Es waren gewaltige Aufgaben, vor die sich die alte Hansestadt im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts gestellt sah, Aufgaben, die sie rechtzeitig erkannt, unbedenklich und rastlos angegriffen und fast völlig ohne materielle Unterstützung von Seiten des Reiches, wohl aber zu dessen Gunsten, gelöst hat.

Der natürliche Vorsprung Hamburgs gründet sich auf seine ausgezeichnete Lage zur See, am Ende der großen vom Weltmeer in die Nordsee an bedeutenden Anlaufhäfen vorüberführenden Seehandelsstraße. Die mächtige Elbe gestattet auch den größten Seeschiffen die Fahrt bis Hamburg. 100 km ins Land hinein erstreckt sich dieser Seeweg. Das hat den Vorteil, dass die durch keine Umladung verteuerte Seefracht bis zum äußersten ausgenutzt und die Ware den Absatzgebieten auf diesem billigsten Wege nahegebracht werden kann. Im Anschluss hieran geben die Binnenwasserstraßen des Elbgebietes und der durch Kanäle mit ihm verbundenen Strombereiche die Möglichkeit, die Ware mit der in normalen Zeiten billigen Wasserfracht weit in das Hinterland hinein zu verteilen und umgekehrt dem Seehafen die Erzeugnisse des Hinterlandes bequem zuzuführen.

Da erscheint es selbstverständlich, dass Hamburg stets alle Sorgfalt der Erhaltung einer guten Verbindung zum Meere zugewandt hat. Hierin erwuchs der Stadt allerdings eine Arbeit, deren Durchführung viel Mühe und große Kosten verursacht hat. Zunächst musste der Ausbau der Unterelbe durch eine Regulierung des Stromspaltungsgebietes zwischen Norder- und Süderelbe vorbereitet werden. Dazu bedurfte es der Verständigung mit dem preußischen Nachbarn, der die Süderelbe und den Köhlbrand für Harburg als Zufahrtstraße gewahrt wissen wollte. Das Ergebnis der kaum unterbrochenen Verhandlungen war eine Reihe von Staatsverträgen, unter denen dem ersten Köhlbrandvertrag von 1868 grundlegende Bedeutung zukommt. Nicht minder schwierig waren die technischen Aufgaben. Die rasch wachsenden Schiffsgrößen und die damit verbundene Zunahme des Tiefganges verlangten immer größere Fahrwasser tiefen. Die Schnelligkeit der Abwicklung des Verkehrs, die imm.er ausdrucksvoller zu seiner ersten Forderung wurde, duldete keinen Aufenthalt durch ein Fahrwasser, das durch Untiefen und Stromspaltungen beschränkt war. Die Elbe unterhalb Hamburgs bot früher der Schifffahrt manche Hindernisse; konnten doch selbst die damals noch kleinen Schiffe über die Barrengegenden bei Blankenese nur mit Hilfe des Hochwassers hinwegkommen. Durch groß angelegte Stromregulierungen in Verbindung mit Baggerungen ist es rechtzeitig gelungen, eine genügende Fahrwassertiefe auch für die größten Schiffe zu schaffen, so dass sie ohne Leichterung bis Hamburg gelangen können. Die Fahrwasser tiefe beträgt jetzt fast durchweg 10 m bei mittlerem Niedrigwasser oder 12 m bei Hochwasser. Da die tiefe Fahrrinne sich bald dem rechten, bald dem linken Ufer nähert und sehr wechselnde Breiten aufweist, musste das Fahrwasser genau gekennzeichnet und den Schiffen bei Tage wie bei Nacht sicher der Weg durch die Sande gewiesen werden. Die Betonnung und Befeuerung des Stromes gehörten daher ebenfalls zu den wichtigen Aufgaben Hamburgs in der Fürsorge für seine Seeschifffahrtsstraße auf der Unterelbe.

Auf die Ausgestaltung des Fahrwassers der Oberelbe dagegen hat Hamburg wenig Einfluss gehabt; diese blieb Sache der anderen Uferstaaten. Hamburg ist oberhalb der Elbbrücken nur am rechten Ufer bis Geesthacht hinauf mit einer etwa 40 km langen Strecke beteiligt. Auf der Oberelbe muss noch erhebliche Arbeit geleistet werden, damit die Elbe. zum Segen des ganzen Reiches so ausgestaltet wird, wie es ihrer Bedeutung als einem der beiden Hauptströme Deutschlands entspricht. Dann wird auch die für Hamburg Fo wichtige Binnenschifffahrt sich erst zur vollen Blüte entfalten können.

Weit größere Aufwendungen noch als für den Strom hat Hamburg für seine Hafenanlagen gemacht. Hier galt es gleichen Schritt mit der raschen Entwicklung der Technik zu halten und über Einrichtungen zu verfügen, die den Hafen aller Welt zum Vorbild machten.

Noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts besaß Hamburg keine besonderen Hafenbecken ; die Schiffe ankerten entweder auf dem freien Strom oder lagen vertäut an Dückdalben, die in den geschützten Buchten und Seitenarmen der Elbe eingerammt waren. Die Waren wurden in Schuten zu den in der Stadt an den Fleten gelegenen Speichern gebracht. Später aber, besonders nach Einführung der Eisenbahn, stellte sich das Bedürfnis heraus, die Waren unmittelbar zwischen Schiff und Land umzuschlagen, also den Seeschiffen Liegeplätze am Ufer zu geben. Die Elbufer reichten für derartige Einrichtungen nicht aus, und es mussten künstliche Hafenbecken ins Land eingeschnitten und mit Kaianlagen ausgerüstet werden.

Sorgfältiger Überlegung bedurfte es, wie diese Hafenbecken am zweckmäßigsten ausgestaltet werden sollten, ob als Dockhäfen mit Schleusenabschluß nach englischem Muster oder als offene Häfen. Die letztere Lösung verlangte zugleich die kostspielige sturmflutfreie Aufhöhung des Hafengeländes. Die mittlere Fluthöhe beträgt in Hamburg 2 m. Sie ist im Vergleich zu dem großen Flutwechsel in anderen Häfen, die als Dockhäfen ausgebaut werden mussten, nur gering. Der Schleusenabschluss in solchen Dockhäfen behindert ihre freie Benutzung und macht die Ein- und Ausfahrt der Schiffe mehr oder minder abhängig von Ebbe und Flut. Das wäre besonders auch für den den Hamburger Hafen kennzeichnenden regen Schuten verkehr unerträglich; und obgleich der Kampf der Meinungen lange Zeit dauerte, fiel die Entscheidung dank der von Natur gegebenen, durchaus günstigen Verh?ltnisse zum Segen Hamburgs rechtzeitig und grundsätzlich für den offenen Tidehafen.

Es muss weiter als glücklicher Umstand bezeichnet werden, dass die Hauptentwicklung des Hamburger Hafens in die jüngere Vergangenheit fällt. So konnten die Erfahrungen einer hochentwickelten Technik für seinen Ausbau verwertet und alle Einrichtungen dem mächtigen Emporblühen des Handels entsprechend Ton vornherein zweckmäßig und einheitlich ausgestaltet werden.

Die gruppenweise angelegten Häfen Hamburgs zeigen in ihrer Anlage überall dasselbe Bild: langgestreckte Becken, die unter spitzem Winkel in den Strom münden. Diese Anordnung ist sehr zweckmäßig für die Ein- und Ausfahrt der Schiffe, besonders auch in Hinblick auf die im Hafen wechselnde Strömung bei Flut und Ebbe. Die Hafenbecken trennen schmale Kaizungen, die die Träger aller Einrichtungen des Lösch- und Ladebetriebes sind. Sie sind für den Güteraustausch zwischen Land und Schiff durch Kaimauern begrenzt, an denen die Schiffe unmittelbar im Bereich der zahlreichen auf dem Kai befindlichen Kräne liegen. Diese heben die Güter in die großen Kaischuppen, wo sie vorübergehend eingelagert und bald weiter ihrer Bestimmung zugeführt werden. Zu diesem Zweck sind die Kais auch mit ausreichenden Straßen- und Eisenbahnverbindungen versehen.

Sobald das Seeschiff im Hafen angekommen ist, nimmt es mit Hilfe der bereitgehaltenen Schlepper seinen Liegeplatz am Kai ein. Die Vorbereitungen für das Löschen sind bereits getroffen, Schuten und Kähne sind zur Stelle, um auf der Wasserseite des Seeschiffes die Güter zu empfangen, die ohne vorhergehende Sichtung zu andern Seeschiffen, den Freihafenspeichern oder in das Binnenland gebracht werden sollen, während am Kai die Kräne auf der Rampe des Schuppens Güter verschiedenste! Art und Verpackung absetzen, die zuvor nach Empfängern gesondert und vom Kaufmann besichtigt werden, ehe ei über ihre baldige Weiterbeförderung mit Fluss- und Hafenfahrzeugen, Fuhrwerk oder Eisenbahn verfügt.

Inzwischen beginnt bereits wieder das Ladegeschäft, entweder an demselben oder an einem benachbarten Liegeplatz, wenn der Dampfer es nicht vorzieht, das Ausfuhrgut an den billigeren Liegeplätzen ,,im Strom" aus Flussfahrzeugen und Schuten zu empfangen. Denn solche Schiffe, die in Rücksicht auf den geringen Einheitswert ihrer Ladung nicht an den mit höheren Gebühren belasteten Kais löschen und laden wollen, finden dazu Gelegenheit inmitten der großen Hafenbecken selbst oder auf besonders abgeteilten Flächen des Stroms, wo sie an Dückdalben festmachen und ihre Ladung unmittelbar in Kähne und Schuten abgeben oder aus ihnen entnehmen.

In den tiefen Hafenbecken für Seeschiffe haben die in den regen Binnenschiffs verkehr eingestellten zahllosen Kähne und Hafenfahrzeuge nur so weit Platz, wie sie mit der Übernahme der Ladung beschäftigt sind. Die Flussfahrzeuge, die auf die Abgabe oder Aufnahme von Ladung warten müssen, oder über deren eingenommene Ladung noch nicht verfügt ist, finden Unterkommen in geräumigen Flussschiffhäfen, die für jede Gruppe von Seeschiffhäfen vorhanden sind und mit diesen fast überall in kürzester Verbindung stehen. Unter sich sind an beiden Elbufern die Flussschiffhäfen mit einem von der Oberelbe abzweigenden Kanalzug aneinander gereiht, so dass die Kähne im allgemeinen das lebhafte Fahrwasser der Hafenelbstrecke und die Einfahrt in die Seehäfen vom Strom her vermeiden können.

Die ersten Hafenanlagen, wie sie eben in ihrer Gesamtanordnung beschrieben wurden, entstanden vor etwa 55 Jahren auf dem Großen Grasbrook. Dort haben der Sandtor und Grasbrookhafen nur 5 1/2 m Wassertiefe bei Niedrigwasser und geringe Breite, erfüllen jedoch auch heute noch ihren Zweck, wie ihr lebhafter Verkehr beweist. Denn sie dienen fast ausschließlich den kleinen Seeschiffen der europäischen Fahrt. Wenige Jahre später wurde mit der Anlage des Petroleumhafens der Anfang zur Aufschließung des linkselbischen Gebiets für Hafenzwecke gemacht.

Von größter Bedeutung für die fernere Entwicklung des Hafens wurde der Zollanschluss des Staatsgebietes an das Reich im Jahre 1888. Hamburg lag nach der Reichs Verfassung außerhalb der gemeinsamen Zollgrenze, zwar unbehindert in seinem Handel mit dem Auslande, vom Deutschen Reich dagegen durch die Zollbeschränkungen abgeschieden. Da dieser Zustand der angestrebten wirtschaftlichen Einigung der Bundesstaaten im Wege stand, wurde 1881 beschlossen, die Wohnstadt Hamburg und ihre Randgebiete dem Zollgebiet anzuschließen, für den Seehandel dagegen ein nach wie vor als Zollausland anzusehendes Hafengebiet abzutrennen, das später mit dem Größerwerden des Hafens wiederholt erweitert wurde. Die in unmittelbarer Veranlassung des Zollanschlusses entstandenen Hafenbauten waren neue See- und Flussschiffhäfen links- und rechts-elbisch oberhalb der vorhandenen. Außerdem wurde an der Stadtseite für die Flussschifffahrt eine zollinländische Wasserverbindung der durch den Freihafen getrennten oberen und unteren Elbstrecke durch den Bau des Zollkanals geschaffen.

Von nun an ging die Entwicklung unaufhaltsam weiter. Der Bedarf an neuem Hafenraum stieg unausgesetzt mit der Zunahme des Schiffsverkehrs und der Vergrößerung der Schiffseinheiten. Der Ausbau der zwischen dem Reiherstieg und den Elbbrücken am Strom gelegenen Häfen war mit Ausgang des letzten Jahrhunderts vollendet, und die Hafenerweiterung musste auf das Gebiet zwischen Reiherstieg und Köhlbrand übergreifen. Hier entstanden die ausgedehnten Seeschiffhäfen auf Kuhwärder mit Abmessungen, die den Anforderungen der großen Liniendampfer entsprechen. Der Entwicklung waren jedoch Grenzen gesetzt, indem die Hafenanlagen bereits nahe an die Landesgrenzen heranreichten. Bin kleiner Gewinn konnte zwar auf Neuhof durch Gebietsaustausch mit Preußen auf Grund des sogenannten Köhlbrandvertrages von 1908 noch erzielt werden, im wesentlichen war jedoch die Möglichkeit der Hafenerweiterung gegenüber der Stadt erschöpft. So mussten die letzten Hafenbauten vor dem Kriege bereits auf das Gebiet jenseits des Köhlbrands übergreifen. Diese Hafenanlagen auf der Insel Waltershof sollen nach vollem Ausbau drei große Seeschiffhäfen umfassen, von denen vorläufig jedoch nur der mittlere, der Waltershofer Hafen, ausgeführt ist. Er soll 10 m Wassertiefe bei Niedrigwasser erhalten; seine Breite beträgt 280 m. Die Ufer sind vorläufig noch nicht kaimäßig ausgebaut, sondern in Böschung belassen. Hinter diesem Seeschiffhafen ist wieder ein Flussschiffhafen angefügt, der sowohl mit jenem wie mit dem Köhlbrand in Verbindung steht und darüber hinaus auch mit den Flussschiffhäfen östlich des Köhlbrands. Für die auf der Unterelbe verkehrenden Fluss- und Küstenfahrzeuge wurde der Maakenwärder Hafen angelegt und gleichzeitig mit diesen Becken am äußersten westlichen Ende des heutigen Hafengebiets ein neuer Petroleumhafen geschaffen, weil der alte den Verkehr nicht mehr bewältigen konnte, nicht erweiterungsfähig war und vor allem durch seine Lage inmitten des Hafen- und Industriegebiets nicht mehr genügende Sicherheit gegen Feuersgefahr gewährleistete. Der neue Petroleumhafen und der Waltershofer Hafen zweigen von einem gemeinsamen Vorbecken, dem Parkhafen, ab, das so geräumig ist, dass in ihm die größten Schilfe bequem wenden können. Die Westspitze von Waltershof umschließt den für den Segelsport zweckmäßig ausgestatteten Jachthafen.

Zugleich mit den Hafenbauten auf Waltershof wurden die Anlagen auf Ross-Neuhof in dem erwähnten Austauschgebiet erweitert. Durch Verlegung der Köhlbrandmündung nach Westen entstand ferner im alten Mündungslauf dieses Flussarmes der neue Kohlenschiffhafen.

Mit den zuletzt erwähnten ist die Zahl der Häfen für besondere Zwecke nicht erschöpft. Am oberen Ende des Hafengebiets, in der Billwärder Bucht, liegt der ausgedehnte Holzhafen, durch Pfahlreihen in viele Felder eingeteilt, die an Holzhändler vermietet werden. Oberhalb der Elbbrücken sind auf beiden Seiten der Elbe im Anschluss an die das Gebiet der Seeschiffhäfen umstehenden Flussschiff Wasserstraßen die Zollhäfen für die Abfertigung der Kähne angelegt.

Große räumliche Anforderungen stellt die bedeutende, im Hafen angesiedelte Industrie. Sie verlangte für ihre Betriebe Gelände, das land- und wasserseitig gut zugängig ist. So sehen wir das alte Industriegebiet zu beiden Seiten des Reiherstiegs von zahlreichen Kanälen, Straßen und Gleisen durchzogen. Neuere Industrieflächen sind sowohl oberhalb der Elbbrücken auf beiden Elbufern sowie abwärts des Hafengebietes vor Finkenwärder entstanden.

Was den Entschluss zur Hergabe so bedeutender Flächen in dem an sich knapp bemessenen Hafengebiet für Industriezwecke erleichterte, war die Erkenntnis des engen Zusammenhanges zwischen Hafen, Schifffahrt, Handel und Industrie. Mannigfach sind die wirtschaftlichen Gründe für diesen Zusammenhang: Eine ortseingesessene, leistungsfähige Ausfuhrindustrie bindet das Gut an die im Hafen verkehrende Schifffahrt. Die Aussicht auf Rückfracht für die überwiegend der Einfuhr dienenden Schiffe wächst und das so gebesserte Verhältnis zwischen Ein- und Ausfuhrmenge erhöht die Neigung der Schifffahrt für den Hafen. Die Industrie gewinnt den Vorteil kürzester Transportwege zum Seeschiff, die für die Betriebe am tiefen Wasser sogar ganz fortfallen. Die Veredelungsindustrie im Freihafen insbesondere zieht aus der Möglichkeit der Verarbeitung unverzollter Rohstoffe schwerwiegenden Gewinn. Die Zuführung von Einfuhrgütern an ortseingesessene Verbraucher bindet den Eigenhandel an den Platz. Vor allem aber bietet die größte aller dieser Industrien, die Schiffbauindustrie mit ihren zahlreichen verwandten Gewerben der im Hafen verkehrenden fremden Schifffahrt sowohl wie den einheimischen Reedereien Vorteile, die ohne weiteres auf der Hand liegen.

Hamburg hat von jeher die Industrie an seinen Hafen zu fesseln gesucht, und besonders in der neueren Zeit hat es im zielbewussten Streben nach dieser Richtung gewirkt und geworben.

Die zahlreichen großen und kleinen Schiffbaubetriebe haben, da sie naturgemäß vorwiegend am Strom liegen, dem Hafenbild sein ganz besonderes Gepräge aufgedrückt. Sie hatten, an ihrer Spitze die weltbekannten Anlagen von Blohm & Voß, der Vulkanwerke und der Reiherstieg-Schiffswerft, im letzten Friedensjahr nicht weniger als 165 Handelsschiffs-Neubauten in Arbeit von zusammen 257.000 Brutto-Registertonnen, daneben noch eine große Anzahl von Kriegsschiffen, Dockbauten u. dgl. sowie über 100 kleine Fahrzeuge. Wurden noch vor 20 Jahren die größten Neubauten der Hamburger Reedereien an englische Werften vergeben, so stehen jetzt Hamburgs große Werften mit den Riesendampfern "Imperator", "Vaterland" und "Bismarck" führend an der Spitze des Schiffbaus der ganzen Erde. Weiter unterhalb auf der Fischerinsel Finkenwärder hat sich zu ihnen während des Krieges die Deutsche Werft gesellt, in ihrer Anlage, ihrer Verbindung mit der binnenländischen Großindustrie und ihrem weitgespannten Bauvorhaben ein hochbedeutsames Unternehmen von großer Entwicklungsmöglichkeit. Neben den Werften selbst dienen zahlreiche Fabriken zur Herstellung der Schiffsmaschinen, der Schiffsausrüstung u. dergl. Im ganzen beschäftigte die Industrie im letzten Friedensjahr allein im Freihafen mehr als 20.000 von den 110.000 Arbeitern, die überhaupt in den gewerblichen Unternehmungen Hamburgs tätig waren.

Die Hafenanlagen von Hamburg und die Unterelbe als Seeweg nach Hamburg, Altona und Harburg bilden die Hauptbestandteile des Gesamthafens an der Elbmündung. Indessen wäre sein Bild nicht vollständig, würde nicht auch des Cuxhavener Hafens in diesem Zusammenhange gedacht. Er bildet eine wichtige Ergänzung des Hamburger Hafens insofern, als er für Hamburg der Vermittler im Schnellverkehr der Reisenden und im Postdienst geworden ist. Hier nahmen vor dem Kriege die großen Schnelldampfer der Hamburg-Amerika-Linie ihre Passagiere, die mit Sonderzügen hierher befördert waren, an Bord bzw. landeten sie zur schnellen Weiterreise nach Hamburg.

Die Cuxhavener Häfen, rund 100 km von Hamburg entfernt, dienten schon in alter Zeit den Schiffen als Not- und Anlaufhafen. Diesem Zweck entsprechend sind auch sie als offene Häfen geschaffen, obwohl der Tidehub an der Elbmündung 80 cm mehr als in Hamburg beträgt. Die älteren Anlagen, der Alte Hafen und die kleinen anschließenden Hafenbecken besitzen nur geringe Wassertiefe. Für die großen, tiefgehenden Schiffe wurde 1892 mit dem Bau des Neuen Hafens begonnen, der kurz vor dem Kriege bedeutend erweitert und vertieft wurde und den Namen Amerikahafen erhielt. Er ist 42 ha groß und hat eine 295 m breite Einfahrt. An seinem Südufer ist Platz für zwei Schiffe allergrößter Bauart, die hier an 52 pfähligen Dückdalben vertäut werden können. Ebenfalls für die größten Schiffe im Überseeverkehr ist das neue, 400 m lange Landungshöft erbaut, das, in zweckmäßiger Verbindung mit dem nahe gelegenen neuen Hafenbahnhof stehend, ausschließlich für die Abwickelung des Schnellverkehrs bestimmt ist. Weiter westlich dienen zwei ältere Landungsanlagen dem Seebäderdienst und dem Ortsverkehr.

Besondere Bedeutung gewinnen in heutiger Zeit die Hafen-Markt- und Industrieanlagen für die Hochseefischerei. Der Fischereihafen diente ursprünglich lediglich als Schutzhafen für Fischerei-Segelschiffe, wurde aber dann nach der im Jahre 1907 erfolgten Gründung der Cuxhavener Hochseefischerei A. G. für Fischdampfer ausgebaut und mit den für den Betrieb notwendigen Einrichtungen, Versteigerungshallen, Packräumen und Fischindustrieanlagen ausgestattet. Zu seinem weiteren Ausbau sind neuerdings wieder beträchtliche Mittel bewilligt, mit denen er in südlicher Richtung auf die dreifache Länge erweitert wird.

Aus diesem in großen Zügen gezeichneten Gesamtbild Einzelheiten herauszuheben, liegt nicht im Zwecke der Darstellung. Doch mag der Hinweis darauf nicht überflüssig sein, dass die zweckmäßige Durchbildung jedes Bauteils nicht minder zum Wert der Gesamtanlage beigetragen hat, wie die planvoll durchdachte Anordnung des Ganzen. So mögen immerhin die wichtigsten Bauwerke in ihrer örtlichen Eigenart kurz gestreift werden.

Es wurde erwähnt, dass die ursprüngliche Art der Schiffsbefestigung im Hafen das Vertäuen an Dückdalben gewesen ist, wie es noch heute im Strombetrieb geübt wird. Dückdalben befinden sich daher überall im Hafen in großer Zahl. Sie bestehen zumeist aus mehreren, mehr oder weniger geneigten Pfählen, die steif miteinander verzimmert sind. Je nach der Größe der zu haltenden Schiffe und der Tiefe des Hafens werden für Seeschiffe 9 bis 24 Pfähle zu einem Pfahlwerk vereinigt.

Die Kaianlagen erfordern gegenüber diesen einfachen Pfahlwerken recht kostspielige Bauten. Da sind zunächst die Kaimauern zu nennen, die die Einfassung der Hafenbecken bilden. Diese Kaimauern haben sich aus kleinen Anfängen zu immer größeren Bauwerken entwickelt. Sie bestehen in neuerer Ausführung durchweg aus massigem Betonmauerwerk mit Basaltverblendung und Graniteinfassung, das auf tief in die Hafensohle gerammten Pfahlwerken ruht und mit mannigfachen Befestigungsmitteln für das Vertäuen der Schiffe ausgerüstet ist. Uferstrecken, die nicht dem Kaibetrieb dienen, erhalten billigere Einfassungen. Solche bestehen in ihrem unteren Teil aus einer durch Pfahlböcke abgestützten oder verankerten, wenig über Niedrigwasser reichenden hölzernen Spundwand. Hierauf setzt sich die Uferböschung, die gegen den Angriff des Wassers durch Abdeckung mit Betonsteinen geschützt ist.

Der vor 54 Jahren dem Betrieb übergebene erste Dampfschiffkai, der Sandtorkai, erhielt Schuppen von 14 1/2 m Breite. Die größten Schuppen der Neuzeit dagegen, für den Betrieb der Hamburg-Amerika-Iyinie auf Kuhwärder, sind 60 m breit. Die dem allgemeinen Warenumschlag dienenden Kaischuppen haben grundsätzlich nur einen Boden in Höhe der Laderampen, an die die Eisenbahn und Ladestraße beiderseits heranführen. Der Fußboden liegt unmittelbar auf dem Erdreich auf, wodurch eine unbegrenzte Tragfähigkeit erreicht wird. Das Dach ist so reich mit Oberlicht versehen, dass der Raum genügend hell ist, um die niedergelegten Waren prüfen, ihre Marken erkennen und danach über sie verfügen zu können. Zu diesem Zweck muss der Kaischuppen breit genug bemessen sein, um auf Schiffslänge die Ladung der Dampfer unterbringen zu können ohne unübersichtliches, zeitraubendes und feuergefährliches Aufeinanderstapeln. Eiserne Säulen, auf Betonklötzen mit Pfahlgründung gestützt, tragen die hölzernen Dachbinder. Hauptbaumaterial für die Schuppen ist Holz, nur die Giebel- und Brandmauern sind aus Stein aufgeführt.

Besondere Einrichtungen erfordert der Überseehandel mit Südfrüchten. Hierfür wurden Schuppen gebaut, die heizbar sind, so dass auch bei strenger Kälte die Temperatur im Schuppen über dem Gefrierpunkt gehalten werden kann. Unter den Fruchtschuppen verdient ein am Magdeburger Hafen gelegener wegen seiner zweigeschossigen Anlage besondere Erwähnung. Diese einzige Abweichung von der Norm der Kaischuppen ist in der Eigenart des Fruchtverkehrs begründet.

Als besonderer Schuppen ist auch ein nur für den Flussschiffverkehr bestimmter Bau am Moldauhafen zu erwähnen. Dieser Schuppen nimmt die von den Elbkähnen herangebrachten Güter auf. Er ist zum Teil in das Wasser hineingebaut und lässt unter sich zwei Schutengassen frei, so dass zugleich mit den neben dem Schuppen liegenden Kähnen im Schuppeninnern die Schuten durch Bodenluken be- und entladen werden können.

Für die Verwaltung und den Kaibetrieb sind die nötigen Räumlichkeiten an den Schuppenenden in massiven Anbauten untergebracht.

Die ersten durch Maschinenkraft betriebenen Kräne vor den Kaischuppen waren Dampfkräne auf besonderen Kranwagen, die auf einem am Rande der Kaifläche angeordneten Gleise liefen. Der durch den Fahrbetrieb der Kräne beanspruchte Streifen des Kais ging für das Ladegeschäft verloren. Durch Einführung von Portalkränen mit torartigen Unterbauten, unter denen die Ladestraßen und Eisenbahngleise hindurchführen, wurde dieser Nachteil bei späteren Bauten beseitigt. Neuerdings werden diese Hebezeuge als Doppelkräne gebaut, die unter dem Schwenkkran einen ausziehbaren Laufkatzenkran tragen, um möglichst viele Kranhaken an einer Schiffsluke oder für die Bedienung zweier nebeneinander liegenden Fahrzeuge zur Verfügung zu haben. Die Kräne erhalten in neuerer Ausführung durchweg elektrischen Antrieb; ihre Tragkraft beträgt in der Regel 3.000 kg. Außer ihnen sind auch feststehende Kräne im Betrieb, die eine größere Hubkraft aufweisen für besonders schwere Lasten. Der bekannteste Vertreter ihrer Art ist der Dampfkran am Kranhöft, der 150 Tonnen trägt. Neben diesen vom Staat geschaffenen Einrichtungen ist noch eine Anzahl von Kränen in Privatbetrieben vorhanden. Besonders die Werften bedürfen solcher Anlagen zum Heben größter Lasten. So vermag der große Turmkran der Vulkanwerft 200 t, der der Werft von Blohm & Voß sogar 250 t zu heben.

Mit diesen Anlagen ist die mechanische Ausrüstung des Hafen noch keineswegs erschöpft. Besonders die Umladung der Massengüter, wie Getreide und Kohle, erfordert eigene Lösch- und Ladevorrichtungen. Getreide wird neuerdings fast nur noch durch Verwendung der Förderung im Luftstrom (Getreideheber) umgeschlagen, durch die in kürzester Zeit große Schiffsladungen gelöscht werden können. Das Beladen der Seeschiffe, Leichter, Kähne und Schuten mit Kohle von der Bahn aus erfolgt durch Kipper, die in einem Schwung eine ganze Wagenladung Kohle, in das Schiff entleeren, während umgekehrt das Löschen durch Verladebrücken mit Greiferanlagen bewerkstelligt wird. Für den Umschlag von Schiff zu Schiff stehen im Hafen schwimmende Kohlenheber verschiedener Bauart zur Verfügung.

Die langfristige Stapelung von Gütern erfolgt nicht an den Kaianlagen. Zwar ist auch am Kai eine Speicheranlage mit Seeschifftiefe, der Kaiserspeicher, erbaut, doch erweist es sich für Hamburger Verhältnisse zweckmäßig, grundsätzlich die Speicheranlagen vom Kai zu trennen. Die Speicherstadt zwischen Sandtor- und Grasbrookhafen einerseits, Zollkanal und Binnenhafen andererseits, von zahlreichen, 20 — 25 m breiten, bei Niedrigwasser 2 m tiefen Längs- und Querkanälen durchzogen und dem Landverkehr durch Straßen erschlossen, entstand aus Anlass der Zollanschlussbauten 1883 — 1888 und wurde im Laufe der folgenden Jahre immer weiter ausgebaut. Die Herrichtung des Baugeländes hierfür, d. h. die Anlage der Kanäle, Mauern, Brücken und Straßen, besorgt der Staat, den Bau der Speicher selbst die Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft. Die Breite der Baublöcke beträgt etwa 28 m, ihre Länge ist verschieden. Die bauliche Anordnung ist bei allen Speichern ähnlich. Auf Keller- und Erdgeschoss folgen im allgemeinen 4 — 5, teilweise auch mehr Böden. Besonderes Augenmerk musste beim Bau der Speicher, in erster Linie der Stützen, Decken und Ausgänge, auf die Feuersicherheit gelegt werden.

Von besonderer Bedeutung für die Abwickelung des Güterverkehrs auf dem Lande ist das Hafenbahnnetz, das mit den Privatanschlüssen 290 km Gleis enthält, mit seinen Verästelungen jeden Kaischuppen, Freiladeplatz und Schwerkran erreicht und auch den Lager-, Industrie- und Werftplätzen Anschlussgelegenheit bietet. An 3 Stellen des Hafengebiets sind Sammelbahnhöfe angeordnet, auf denen die Übergabe der Wagen zwischen der hamburgischen Hafenbahn und der Reichseisenbahn erfolgt. Besondere Schwierigkeiten verursachte die Eisenbahnverbindung der Hafenteile westlich des Köhlbrands, die mit dem älteren Hafengebiet und auch sonst noch keine landfeste Verbindung haben. Die vorläufige Lösung wurde in der Einrichtung einer Eisenbahnfähre über den Köhlbrand gefunden, nachdem der Einspruch Preußens die Überbrückung dieses zum Harburger Hafen führenden Stromlaufes verhinderte. Es besteht die Absicht, Waltershof und Finkenwärder von der Bahnlinie Harburg — Cuxhaven aus anzuschließen.

Im übrigen führen zahlreiche Brücken den Bahn- und Straßenverkehr des Hafens über die trennenden Wasserflächen. Davon sind mehr als 100 fest und nur 10 als bewegliche Brücken ausgebildet. Auch der Elbstrom selbst ist von festen Brücken überspannt. Die beiden nahe beieinander errichteten Elbbrücken, eine für den Straßen-, die andere für den Eisenbahnverkehr, bilden damit die obere Begrenzung des Seehafens und der Seeschifffahrt, zugleich auch des Freihafens. Während jene beiden im Zollinland liegen, soll eine dritte Elbbrücke dicht unterhalb, deren Bau durch die Kriegsereignisse unterbrochen wurde, die unmittelbare Eisenbahn- und Straßenverbindung der Hafenanlagen beiderseits der Elbe innerhalb des Freihafengebietes herstellen.

Zur Ergänzung der im oberen Hafengebiet durch die Elbbrücken geschaffenen festen Verbindung beider Elbufer wurde im Jahre 1911 weiter abwärts zwischen St. Pauli und Steinwärder für 11,6 Mill. M. der Elbtunnel erbaut. Auf jedem Ufer führt ein überbauter, 24 m tiefer Schacht von 22 m Durchmesser zu den beiden Tunnelrohren von 6 m Durchmesser, die 21 m unter dem Hochwasser der Elbe die 450 m lange Verbindung zwischen beiden Ufern herstellen. Außer Treppen vermitteln in jedem Schacht 2 Personen- und 4 Wagenaufzüge die bequeme Verbindung zwischen Tunnel und Straße. Der bedeutende Fahr- und Fußgängerverkehr zwischen beiden Elbufern betrug 1914 monatlich rund 9.000 Fuhrwerke, 850.000 Fußgänger, 15.000 Radfahrer.

Zu der durch den Elbtunnel gebotenen Verbindung mit dem links-elbischen Hafengebiet führen bei den St. Pauli Landungsbrücken, neben denen das Tunnelschachtgebäude sich erhebt, viele Straßenbahnen und die Hochbahn unmittelbar an den nördlichen Rand des Hafens. Es besteht der Plan, die städtische Hochbahn über die neue Elbbrücke als Hafenschnellbahn in das links-elbische Gebiet zu führen. Denn da im Hafen selbst aus Raummangel und zolltechnischen Gründen mit wenigen Ausnahmen keine Wohngelegenheit für die dort beschäftigten Personen geboten ist, so ist die Heranführung der Arbeitermassen zu den Arbeitsstätten mittels geeigneter Schnellverbindungen eine der wichtigsten Aufgaben der Verkehrstechnik, so lange es an Gelegenheit fehlt, den Arbeiter in der Nähe seines Arbeitsbereiches anzusiedeln.

Im übrigen wird der Personenverkehr über den Strom durch zahlreiche kleine Dampfer und Barkassen vermittelt. Große industrielle Werke und Reedereien unterhalten eigene Fahrzeuge für die Beförderung ihrer Angestellten, aber den Hauptanteil an der Personenbeförderung hat die Hafendampfschifffahrtsgesellschaft, deren grüne Dampfer die Verbindung zwischen den Hauptverkehrspunkten herstellen. Daneben lässt die Gesellschaft noch sogenannte Jollenführerdampfer laufen, die dem Personenverkehr zwischen den an Dückdalben liegenden Schiffen und dem Lande dienen. So ziehen die Fährdampfer ein Netz von Linien kreuz und quer durch den Hafen und befördern mit beachtenswerter Schnelligkeit die Hafenarbeiter an ihre Arbeitsstätten und wieder zurück.

Für den Verkehr der Fähren und sonstigen kleinen Personenfahrzeuge sind am Stadtrande, an den Spitzen der Kaizungen und an sonstigen Verkehrssammelpunkten Landungsanlagen geschaffen. Da der Wasserstand im Hafen unter der Wirkung von Ebbe und Flut sich dauernd ändert, sind die bedeutenderen Anlagen auf dem Wasser schwimmend angeordnet. Von den Pontons, die zwischen Dückdalben auf- und niedergleiten und mit Wartehallen ausgerüstet sind, führen bewegliche Brücken und Treppen bei jedem Wasserstande bequem an Land. Die größten Anlagen dieser Art sind die St. Pauli Landungsbrücken mit ihrer 420 m langen, 20 m breiten Landungsbühne, die von 110 eisernen Schwimmkästen getragen wird. Da die Anlage auch für die größeren Dampfer im Seebäderdienst und überseeischen Personenverkehr bestimmt ist, hat sie auf 200 m Länge ein Oberdeck erhalten, von dem aus die hochgebauten Dampfer bequem betreten werden können. Neun Brücken verbinden die schwimmende Anlage mit dem Lande und dem stattlichen Empfangsgebäude, das eine Gepäckhalle und Diensträume für die Schifffahrtsgesellschaften sowie eine vielbesuchte Gastwirtschaft enthält.

Den bunten und vielsprachigen Fremdenstrom, den die Schiffe aller Länder dem Hafen zuführen, scheiden die zweckmäßigen Verkehrseinrichtungen rasch aus dem Hafengetriebe aus. Das gilt auch von dem Auswandererzuzug aus dem Hinterlande, der dem allgemeinen Verkehr sorgsam ferngehalten wird. Der Auswandererverkehr, der sich vor dem Kriege von Jahr zu Jahr weiter entwickelt hatte, ergänzt die Rückfrachtmöglichkeit, die das Ausfuhrgut liefert, und ist daher von jeher pfleglich behandelt worden. Die Hamburg-Amerika-Linie, der das Hauptgeschäft im Auswandererverkehr zufiel, hat die Auswandererhallen im links-elbischen Hafengebiet auf der Veddel geschaffen. In ihnen können 5.000 Personen Unterkunft und Verpflegung finden. Die stadtartige, völlig abgeschlossene Bauanlage ist mit Bade- und Entseuchungsräumen, Wohngebäuden, Speisehallen, Kapellen und Grünplätzen an hübschen Straßen ausgestattet und erweckt einen durchaus freundlichen Eindruck.

Für die im Hafen Beschäftigten, denen es wegen der großen Entfernungen nicht möglich ist, während der Mittagspause ihre Mahlzeit zu Hause einzunehmen, bieten 17 auf das ganze Hafengebiet verteilte Speiseanstalten des Vereins für Volkskaffeehallen gegen geringes Entgelt ein gutes Mittagessen.

Große Aufmerksamkeit ist der Feuersicherheit im Hafen zugewandt worden. Feuermelder und Überwachungsanlagen ermöglichen ein schnelles Herbeirufen der Feuerwehr, die am rechten Elbufer in Hafennähe vier, am linken zwei Feuerwachen unterhält. Wirksame Unterstützung erhält die Feuerwehr durch die Fährdampfer, die sich als Spritzendampfer jederzeit in größerer Zahl bereithalten.

Zum Schluss mögen noch einige Angaben über die Regelung des gewaltigen Schiffs- und Güterverkehrs im Hafen folgen. Schiffsverkehr und Lotsenwesen im Hafen unterstehen dem Oberhafenamt der Marineverwaltung, die ihrerseits der Deputation für Handel, Schifffahrt und Gewerbe zugehört. Zur Erleichterung des Überwachungsdienstes ist der Hafen in vier Bezirke eingeteilt, die je einem Hafenmeister unterstellt sind. Sobald dem Oberhafenamt die Ankunft eines Seeschiffes gemeldet ist, bestimmt es den Liegeplatz des Schiffes; sofern dieses am Kai festmachen will, setzt der Oberhafenmeister sich zuvor mit der Kai Verwaltung ins Benehmen. Schiffe über 150 cbm Raumgehalt erhalten auf Verlangen einen Hafenlotsen, der sie zu ihrem Liegeplatz geleitet. Die Lotsenstation hat ihren Platz am unteren Ende des Freihafens. Die von der Oberelbe eintreffenden Flussschiffe erhalten ihren Liegeplatz durch den Hafenmeister des oberen Bezirks zugewiesen.

Nicht auf allen Kaianlagen untersteht der Betrieb der staatlichen Kaiverwaltung. Ein Teil der Kaistrecken ist an mehrere große einheimische und ausländische Reedereien verpachtet. Der Privatkaibetrieb erstreckt sich in der Regel nur auf die eigenen Schiffe des Pächters, so dass ein Wettbewerb mit dem staatlichen Betriebe ausgeschlossen ist.

Die Überführung der im Freihafen aufgestapelten Gütermengen in das Inland unterliegt den zollamtlichen Bestimmungen. Um Zollhinterziehungen zu verhindern, wird die Grenze des Freihafens scharf bewacht. Sie ist deshalb auf dem Lande durch ein hohes Zollgitter gesichert. Auf dem Wasser wird diese Sicherung durch schwimmende Holzzäune erreicht, im Fahrwasser aber, wo eine feste Absperrung nicht angängig ist, durch Zollbarkassen. Zahlreiche, wohlbewachte Durchgänge vermitteln den Verkehr zwischen Freihafen und Inland. Die Zollgeschäfte werden in den teils schwimmenden teils landfesten Abfertigungsstellen mit ihren mannigfachen Nebenanlagen erledigt. Diese Zollstellen sind 7 Hauptämtern zugeteilt.

Der Hamburger Hafen umfasst heute ein Gebiet von rund 4.000 ha; hiervon entfallen 1.350 ha auf den Freihafen. An Wasserflächen sind 1.661 ha vorhanden, von denen etwas mehr als die Hälfte für Seeschiffe nutzbar ist. Die Länge der Uferstrecken, die mit Kaimauern ausgerüstet sind, beträgt am Wasser mit Seeschifftiefe 31,5 km, mit Flussschifftiefe 15,5 km. Die Gesamtlänge aller Uferstrecken im Freihafengebiet mit und ohne Kaimauern beträgt über 81 km, im Hafengebiet überhaupt 169 km. Die Schuppen überdecken eine Lagerfläche von 516.000 qm, die Speicher eine solche von 532.000 qm. Für sämtliche Anlagen einschließlich derjenigen in Cuxhaven hat Hamburg seit 1814 rund 670 Mill. M. ohne Zinsen aufgewendet; hiervon entfällt auf die Strombauten mehr als ein Viertel. Dass dies große Kapital nutzbringend angelegt ist, zeigt ein Blick auf die hamburgische Verkehrs- und Handelsstatistik,

In dem halben Jahrhundert vor dem Kriege hat sich die Zahl der ankommenden Schiffe verdreifacht, während der Schiffsraum um das Zehnfache gewachsen ist. Der Raum der Segelschiffe hat sich verdoppelt, der Dampferraum auf das Vierzehnfache vermehrt. 1913 liefen rund 16.500 Seeschiffe in die Hamburger Häfen ein mit einem Nutzraum von mehr als 14 Mill. Reg. -Tonnen. Das Gewicht der von ihnen beförderten Warenmassen belief sich auf über 16 1/2 Mill. Tonnen in der Einfuhr und fast 9 Mill. Tonnen in der Ausfuhr. Der Wert dieser Einfuhr betrug 4,7 Milliarden M., der der Ausfuhr über 3,8 Milliarden M. Die Flussschifffahrt umfasste in runden Zahlen 83.000 Schiffe mit 12 1/2 Mill. Gewichtstonnen Ladung in Ein- und Ausfuhr zusammen.

Das sind Zahlen, die eine deutliche Sprache reden. Sie zeigen die große Leistungsfähigkeit des Hamburger Hafens, sie beweisen aber auch das hohe Ansehen und die Bevorzugung, die unser Hafen in aller Welt genoss. Es muss Bewunderung erregen, welche Summe von Arbeit hier von einem kleinen Staatswesen geleistet ist. Was in ihm durch Jahrhunderte in zähem Festhalten an klar erkannten praktischen Grundsätzen vorbereitet und in den Jahrzehnten glanzvollen Aufstiegs ohne Nachlassen der Spannkraft und ohne Ausruhen auf errungenen Erfolgen ausgebaut und vollendet wurde, das muss das Reich sich jetzt im Angesicht seiner schweren Aufgabe, das deutsche Wirtschaftsleben wieder in die Höhe zu bringen, im praktischen imd idealen Sinne zunutze machen. Der Übergang der Wasserstraßen in die Reichsverwaltung, das Problem Groß -Hamburg, die drohende Verstaatlichung der Schifffahrt, das unnatürliche Missverhältnis zwischen Eisenbahn- und Binnenschifffahrtstarifen, das sind einige von den brennenden Gegenwartsfragen, die Hamburg bewegen und bei der Gesamtheit des deutschen Volkes der richtigen Lösung harren. Wohl trifft es zu, dass Hamburg viel von seinem Aufstieg der Gunst der Natur zu danken hat und darauf in dem kommenden, verschärften Wettkampf der Völker starke Hoffnungen gründen darf. Aber solche Erwägungen dürfen nicht zur Überschätzung führen. Schon hat der Hamburger Hafenverkehr einen erheblichen Teil von seiner Friedensstärke wieder erreicht. Soll ein solcher Gewinn erfolgreich ausgebaut werden, so wird man sich vor allen versuchsmäßigen Eingriffen in einen so empfindlichen Wirtschaftskörper wohl zu hüten haben. Nach hanseatischen Erfahrungen, im hanseatischen Geiste wird hier weitei zu schaffen sein. Dann kann es am Erfolg nicht fehlen.

01. Row of buildings of the Free Port Warehousing Company

01. Row of buildings of the Free Port Warehousing Company

02. Transportation map of Germany

02. Transportation map of Germany

03. Hamburg freighter, being served by barges and lighters.

03. Hamburg freighter, being served by barges and lighters.

04. The Steekelhorn, one of Hamburg’s ancient canals

04. The Steekelhorn, one of Hamburg’s ancient canals

05. The „Kaiserin Auguste Victoria“.

05. The „Kaiserin Auguste Victoria“.

06. Hamburg freighter at a pier, discharging.

06. Hamburg freighter at a pier, discharging.

07. Pier cranes discharging cargo at Hamburg.

07. Pier cranes discharging cargo at Hamburg.

08. Church in the emigrant village at Hamburg.

08. Church in the emigrant village at Hamburg.

09. The „Deutschland“

09. The „Deutschland“

10. View looking into the main basin of the Hamburg-American Line.

10. View looking into the main basin of the Hamburg-American Line.

11. Launching of the „Fürst Bülow“.

11. Launching of the „Fürst Bülow“.

12. The „Imperator,“ the Hamburg-American’s new monster liner.

12. The „Imperator,“ the Hamburg-American’s new monster liner.

13. River terminal at Torgau on the Elbe. River scene on the Elbe at Magdeburg.

13. River terminal at Torgau on the Elbe. River scene on the Elbe at Magdeburg.

14. River scene on the Elbe at Laube-Tetschen. Pier crane in the river port at Torgau on the Elbe.

14. River scene on the Elbe at Laube-Tetschen. Pier crane in the river port at Torgau on the Elbe.

15. The levee at Saint Louis. A cotton landing on a tributary of the Mississippi.

15. The levee at Saint Louis. A cotton landing on a tributary of the Mississippi.

16. Loading a trainload of cable direct from cars into steamer.

16. Loading a trainload of cable direct from cars into steamer.

17. Elbe barges being discharged at a steamship pier at Kuhwärder.

17. Elbe barges being discharged at a steamship pier at Kuhwärder.

18. Map of the harbor at Hamburg.

18. Map of the harbor at Hamburg.

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