Die Industrie von Dr. Georg Stenzel, Syndikus der Gewerbekammer

Die Freie und Hansestadt Hamburg ist nicht nur eine bedeutende Welthandelsstadt und der erste Handels- und Schifffahrtsplatz Deutschlands, sondern auch eine Stätte, wo neben Handel und Schifffahrt und dem damit zusammenhängenden Schiffbau auch die Industrie im allgemeinen eine beachtenswerte und angesehene Stellung einnimmt und ein nicht zu unterschätzender Faktor im Wirtschaftsleben geworden ist. Zwar hat die Industrie in Hamburg erst in den letzten Jahrzehnten eine zahlenmäßige Bedeutung erlangt. Sie ist aber keineswegs neueren Datums. Es lässt sich vielmehr nachweisen, dass Industrie und Gewerbe jahrhundertelang schon, fast seit Gründung der Stadt im 9. Jahrhundert, neben Handel und Schifffahrt vorhanden gewesen sind und auch in früheren Zeiten eine beachtenswerte Stellung im staatlichen und städtischen lieben Hamburgs eingenommen haben. Nur einige markante Beispiele aus vergangenen Zeiten sollen für diese Behauptung angeführt werden: die Hamburger Brauindustrie, die Tuchfabrikation und die Zuckersiederei.

Die Hamburger Brauindustrie lässt sich geschichtlich bis in die Mitte des 13. Jahrhundert verfolgen, wo das Hamburger Bier ein wichtiges Ausfuhrprodukt gewesen ist, das in den damaligen Stapelplätzen des nordischen Handels, in Brügge, in Bergen und in den russischen und baltischen Häfen geschätzt und begehrt wurde. Die Zahl der Braubetriebe war recht bedeutend im alten Hamburg. 500 wurden während der höchsten Blütezeit Ende 1600 gezählt. Bis zu 700.000 Hektoliter Bier sollen jährlich gebraut worden sein, eine beachtenswerte Menge, die, nur um einen Maßstab anzugeben, etwa der Hälfte dessen gleichkam, was die sämtlichen Groß-Hamburger Brauereien vor dem Kriege hergestellt haben.


Als zweites Beispiel für alt-hamburgische industrielle Betätigung ist die Tuchfabrikation genannt worden, die im 17. Jahrhundert nach dem Niedergange der Brauereien in größerem Umfange in Hamburg betrieben wurde. Band-, Tuch-, Sammet-Weberei und Kattundruckerei waren besonders vertreten. Hamburger Sammet war nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden, in den nordischen Ländern, in Russland und selbst in Spanien und Portugal sehr gesucht. Hamburger Druckkattun ging über England in die ganze Welt. Mehrere hundert Betriebe mit mehreren tausend Webstühlen und 5 — 6.000 Arbeitern sind Ende des 18. Jahrhunderts in dieser Industrie in Hamburg vorhanden gewesen. Noch heute erinnern Straßennamen, wie Alter und Neuer Wandrahm, Caffamacherreihe, an dieses Gewerbe.

Zu gleicher Zeit mit der Tuchfabrikation blühte in Hamburg auch die Zuckersiederei, in der der aus dem Zuckerrohr gewonnene und in diesem Zustande eingeführte Rohzucker weiter verarbeitet und gebrauchsfertig gesotten wurde. In 400 Betrieben waren um das Jahr 1800 bis 10.000 Arbeiter tätig, eine recht bedeutende Zahl für das damalige Hamburg mit seinen nur 100.000 Einwohnern.

Zollschranken, die im Innern Deutschlands und auch im Auslande gegen Hamburger Erzeugnisse zum Schutze der eigenen Fabrikate errichtet wurden, haben das Weiterblühen dieser alten Hamburger Industrie mehr und mehr erschwert, und die napoleonischen Kriege vor 100 Jahren und die Kontinentalsperre haben sie schließlich völlig zerstört.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist daher eine Hamburger Industrie so gut wie nicht vorhanden. Die Stadt mit ihren einschließenden Wällen war auch allmählich zu dicht bevölkert, um noch Platz für Fabrikbetriebe geben zu können. Hinzu kommt, dass sich Hamburg außerhalb des Zollvereins befand, vom inländischen Markt abgetrennt war und daher nur für die Ansiedelung solcher Industriezweige in Frage kam, die für den Export oder höchstens für den Bedarf der Stadt arbeiteten.

Endlich Mitte des vorigen Jahrhunderts kommt wieder Leben in die industrielle Betätigung Hamburgs. Der Export nimmt zu und einige wichtige Betriebe, die den Veredelungsverkehr pflegen, d. h. ausländische Rohprodukte in Halb- oder Fertigerzeugnisse umwandeln, siedeln sich in Hamburg an. Ihre Zahl ist immer noch gering, wenn sie auch von Jahr zu Jahr zunimmt. 1880 sind rund 600 über den Rahmen des Handwerksbetriebes hinausgehende gewerbliche Anlagen mit etwa 18.000 Arbeitern in Hamburg vorhanden. Da tritt endlich ein Ereignis ein, das die Fesseln sprengt, die die Wiederentwicklung der Industrie in Hamburg behindert haben. Es ist der Zollanschluss Hamburgs an das deutsche Reich im Oktober 1888, durch den die Stadt mit Ausnahme eines Freihafengebietes in das Zollinland aufgenommen wird. Nun beginnt ein schnelles Aufsteigen der Industrie. 1890 sind bereits 1.000 Fabriken und etwa 30 000 Arbeiter vorhanden. 1900 werden 1.400 industrieartige Anlagen mit 45.000 Arbeitern gezählt. 1910 weist die Statistik über 3.500 industrielle Unternehmungen und motorisch betriebene Anlagen mit 85.000 Arbeitern und kurz vor dem Kriege annähernd 5.000 derartige Betriebe mit rund 115.000 darin beschäftigten Arbeitern nach.

Dieses erfreuliche Ereignis in der Entwicklung Hamburgs aus der Handelsstadt zu einer Handels- und Industriestadt, die leider durch den unglücklichen Ausgang des Krieges unterbrochen worden ist, ist um so mehr beachtenswert, als man die Hamburger Industrieverhältnisse nicht mit denen in anderen Staaten und Groß-Städten vergleichen kann. Man muss insbesondere beachten, dass Hamburg ein nur verhältnismäßig beschränktes Gebiet besitzt, durch Staatsgrenzen von seinen Nachbarn getrennt ist und nicht nach wirtschaftlichen Rücksichten, wie bei anderen Groß- und Industriestädten beliebig vergrößert werden kann. Lässt man diese Staatsgrenzen unberücksichtigt und zählt auch diejenigen Hamburger Unternehmungen, die ihre Betriebe auf dem benachbarten preußischen Gebiet haben, — in erster Linie in Altona, Wandsbek, Wilhelmsburg und Harburg, — als zu Hamburg gehörig hinzu, so sind in dem großhamburgischen Industriegebiet rund 150.000 Arbeiter vorhanden, zu denen noch weitere 15.000 bis 20.000 Angestellte in industriellen und über den Rahmen des Handwerks hinausgehenden gewerblichen Unternehmungen kommen.

Auch hinsichtlich der Art der Betriebe und des Grundes ihrer Entstehung nimmt die Hamburger Industrie eine immerhin erwähnenswerte Ausnahmestellung ein. In anderen Industriegebieten sind gewerbliche Unternehmungen entstanden und haben sich besonders ausgedehnt, weil die Rohstoffe sich an Ort und Stelle befanden oder wenigstens leicht erreichbar waren — als Beispiel hierfür kann die Großeisen-Industrie angeführt werden — , oder die Industrie hat sich entwickelt, weil für den betreffenden Industriezweig eine besonders geeignete Arbeiterschaft ansässig war oder sich leicht heranziehen ließ, wie dies in der Regel bei den großstädtischen Massenindustrien der Fall ist, oder weil die erzeugten Produkte der betreffenden Gegend einen besonders guten Ruf verliehen hatten, wie dies besonders bei Textilerzeugnissen zu beobachten ist. Alles das trifft für die Hamburger Industrie nicht, oder doch nur beschränkt zu. Sie ist vielmehr in erster Linie aus den Bedürfnissen des Kaufmannes und Reeders entstanden, dem eine vorteilhafte Konjunktur oftmals nicht mehr allein den Vertrieb eines Erzeugnisses, sondern auch seine Herstellung zweckmäßig und nutzbringend erscheinen ließ. Fehlte dann zu einem solchen Zeitpunkt die betreffende Industrie in Hamburg, so wurde sie kurz entschlossen vom Hamburger Kaufmann geschaffen. Dadurch erklärt sich auch die große, fast übergroße Mannigfaltigkeit der Hamburger Industrie und ferner die Tatsache, dass nicht Massenfabrikation, sondern Qualitätsarbeit in weitestgehendem Umfange das Kennzeichen der Hamburger Industrie bisher gewesen ist.

Da es nicht möglich ist, in dem für diesen Aufsatz vorgesehenen Umfange eine weitgehende Schilderung der gesamten so verschiedenartigen Industrien Hamburgs zu geben, soll wenigstens versucht werden, sie gruppenweise dem Leser vor Augen zu führen. Man kann etwa fünf Hauptgruppen unterscheiden:

Die erste und wichtigste ist der Hamburger Schiffbau und die mit dem Schiffbau zusammenhängenden Industriezweige, für deren Entstehung der Seeverkehr maßgebend war. Sie hat ihren Sitz im Freihafen, auf der Halbinsel Steinwärder und kleiner Grasbrook, neuerdings auch auf Finkenwärder, und beschäftigt rund 30.000 Arbeiter. Vorhanden sind 8 größere Seeschiffswerften und etwa 75 kleinere Betriebe, die sich vorwiegend mit der Herstellung und Ausbesserung von kleinen Fahrzeugen und Booten befassen. Die Hamburger Werften haben vor dem Kriege Weltruf genossen. Die größten Schiffe der Welt sind auf ihnen gebaut worden. "Imperator", ,,Vaterland" und ,,Bismarck" sind kennzeichnende Namen, Schiffe von 50.000 Bruttoregistertonnen und 90.000 Pferdestärken. Aber auch ein Teil der ehemaligen deutschen Kampf flotte ist in Hamburg entstanden, unter anderen die großen Kreuzer ,,Moltke", ,,Seydlitz" und „Derfflinger".

An der Spitze der Werften stehen die Firmen Blohm & Voß, Vulkan-Werke und Reiherstieg Schiffswerfte und Maschinenfabrik, zu denen die während des Krieges angelegte und in den beiden letzten Jahren stark ausgebaute Deutsche Werft hinzukommt. Blohm & Voß ist Ende der 70er Jahre entstanden. Die Vulkan-Werke eröffneten 1909 ihren Betrieb als eine Zweigniederlassung der Stettiner Werft. Die Reiherstiegschiffswerft siedelte bereits in den 50er Jahren aus dem preußischen Wilhelmsburg nach Hamburg über. Die Einrichtungen dieser 4 Groß-Werften sind so mustergültig und groß angelegt, dass sie allen Anforderungen des Neubaugeschäftes gerecht werden können. Hellinge für Schiffe bis zu 280 m sind auf mehreren von ihnen vorhanden.

Ein besonderes Kennzeichen der Hamburger Werften ist das Ausbesserungsgeschäft, das einen großen Teil der Schiffbauarbeit ausmacht, mit der schnellen Entwicklung des Hamburger Hafens Schritt gehalten hat und durch das in Zeiten ungenügender Neubautätigkeit die wirtschaftliche Sicherheit im Werftgeschäft bisher gewahrt werden konnte. Fast alle großen Werften legten deshalb vor ihrem Werftgelände Schwimmdocks an, deren Große und Leistungsfähigkeit von Jahr zu Jahr wuchs. Während z. B. Anfang der 80er Jahre in Hamburg nur ein einziges Dock und wenige kleinere Shlips vorhanden waren, sind vor dem Kriege 20 Schwimmdocks mit über 200.000 Tonnen Tragfähigkeit im Hamburger Hafen vorhanden gewesen.

In engem Zusammenhang mit dem Betrieb der Werften steht die Hamburger Maschinenindustrie und die Eisen- und Metall-Verarbeitung, in der etwa 18.000 Arbeiter beschäftigt sind. 12 Eisengießereien und 20 Metallgießereien arbeiten fast ausschließlich für den Schiffbau, desgleichen die Schiffs- und Kupferschmiede. Auch die größeren Verzinkereien sind vorwiegend auf den Werftbetrieb eingestellt. In den Maschinenfabriken, von denen annähernd 50, wenn auch kleineren Umfanges vorhanden sind, werden vielfach Hilfsmaschinen, Pumpen, Hebezeuge und andere für die Schiffsausrüstung notwendige Gegenstände hergestellt. Die feinmechanischen Betriebe stehen gleichfalls in Zusammenhang mit dem Schiffbau, da ihre Haupterzeugnisse nautische Instrumente, Indikatoren, Signalvorrichtungen und ähnliche Schiffsnotwendigkeiten sind. Nicht zu vergessen sind hier schließlich die Segelmachereien, die Betriebe für Seilerwaren, die Schiffsfarbenfabriken und Schiffsreinigungsunternehmen, die alle von dem Blühen des Reedereigeschäftes und von der Größe der nach dem Hamburger Hafen gehenden Schifffahrt abhängig sind.

Als zweite Hauptgruppe in der Hamburger Industrie ist sodann die Einfuhrindustrie zu nennen. Sie verdankt ihren Ursprung und ihre Entwickelung dem Bestreben Hamburger Kaufleute, die seewärts eingeführten Rohstoffe schon im Einfuhrhafen in eine solche Form umzuwandeln, dass sie auf dem inländischen Markte in vorteilhafterer Form als die Rohstoffe selbst abgesetzt werden können. Hierher gehören die Gummi- und Asbest-Industrie, in der drei führende Betriebe, die New-York-Hamburger Gummiwaren-Compagnie, Dr. Heinrich Traun Söhne und die Asbest- und Gummi-Werke Alfred Calmon A.-G. mit annähernd je 1000 Arbeitern vorhanden sind, ferner die Salpeter- und Superphosphat- Fabriken, in denen der aus dem Ausland eingeführte Schwefelkies und Phosphate vor dem Kriege in großen Mengen auf Düngemittel verarbeitet wurden. Leider liegen die Betriebe zurzeit wegen der ungünstigen Gold- und Frachtverhältnisse fast still. Weiter sind als bemerkenswerte Einfuhrindustrie die Gerbe- und Farbstoffanlagen der Firma Renner & Co. A.-G., der größten Fabrik des Kontinents dieser Art, zahlreiche chemische und pharmazeutische Betriebe, Fabriken für ätherische öle, Lederverarbeitungsanstalten zu nennen, unter denen vor allem mehrere Treibriemenfabriken beachtenswert sind. Auch Fournierschneidereien und Stuhlrohrfabriken, Darmzubereitungsanstalten, Kaffeebearbeitungsbetriebe und die drei Hüttenwerke, 2 Kupferhütten und 1 Zinkhütte, können als Importbetriebe angesprochen werden, da sie vorwiegend ausländische Rohwaren in handelsübliche Form überführen.

Im engen Zusammenhang mit der Einfuhrindustrie steht die dritte Gruppe, die Ausfuhrindustrie, die zum Teil den sogenannten Veredelungsverkehr pflegt, d. h. aus dem Ausland kommende Produkte in einer veredelten Form wieder dem Ausland zuführt. Zur Vermeidung von Verzollungsschwierigkeiten hat die Ausfuhr- und Veredelungsindustrie ihren Sitz in der Hauptsache im Freihafen. An erster Stelle sind in der Ausfuhrindustrie Hamburgs die Öl- und Schmierfett-Fabriken zu nennen, die sich seit Beginn der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts in Hamburg angesiedelt haben und seitdem zu führenden Betrieben ausgewachsen sind. Sie verarbeiteten vor dem Kriege in der Hauptsache russische Öle, sind aber zurzeit wegen der politischen Schwierigkeiten in Russland von ihren früheren Bezugsquellen abgeschnitten und auf die Verarbeitung amerikanischer Rohstoffe angewiesen. Einen wichtigen Teil der Hamburger Veredelungsindustrie nahmen vor dem Kriege auch die Reismühlen ein, deren Betrieb seit Kriegsbeginn leider fast gänzlich eingestellt werden musste, die aber hoffentlich bald wieder ihren vollen Betrieb aufnehmen können. Auch ein Teil der Kaffeeverarbeitungsbetriebe sind als Veredelungsbetriebe anzusprechen, da in ihnen die Kaffeebohnen lediglich ausgelesen, sortiert und gemischt, und in diesem Zustande in das Ausland, insbesondere die nordischen Länder und Russland, weiter versendet werden. Neben den Fabrikationsbetrieben, die ausländische Rohstoffe in veredelter Form in das Ausland wieder überführen, sind im hamburgischen Staatsgebiet auch zahlreiche industrielle Unternehmungen vorhanden, in denen aus deutschen Rohstoffen Fabrikate für das Ausland angefertigt werden. Glashütten, deren Erzeugnisse — Flaschen und Demijohns — in Südamerika gesucht werden, Likörfabriken, vorwiegend für das afrikanische Geschäft, Schmuckwaren-, Nähmaschinenfabriken, Betriebe für medizinische und physikalische Instrumente, Pianofabriken, unter ihnen die bekannte Firma Steinway Sons, deren Flügel und Klaviere den Ruhm Hamburger Instrumentenbaues in der Welt verbreiteten, und Kunstmöbel-Werkstätten mit erstklassigen Erzeugnissen gehören hierzu.

Als vierte Industriegruppe, der Zahl und dem Umfange nach ebenfalls recht bedeutend, sind die industriellen Betriebe für den großstädtischen Bedarf zu nennen. Brauereien, Eisfabriken, Kunst- und Speisefett-Fabriken, Seifensiedereien, Schokoladen-, Keks- und Zuckerwaren-Betriebe, Anlagen der Fischindustrie, Werkstätten für Bekleidung, und Reinigung, ferner Maßschneiderei, Pelzkonfektion, Korsettfabriken, Krawattenfabriken, mechanische tmd chemische Wäschereien, und die Luxusgewerbe sind Beispiele hierfür.

Schließlich kommt als fünfte Industriegruppe noch die sogenannte Hilfsindustrie in Betracht, zu der vor allem die Kisten- und Fassfabrikation, die Sacknäherei, die Blechemballagenherstellung, Korbflechterei und ähnliche zu rechnen sind. Auch sie sind an Zahl und Größe recht bedeutend und weit über den Rahmen in anderen Industriegebieten hinausgehend. Schließlich gehört zu den Hilfsindustrien auch ein Teil der Buch- und Kunstdruckereien, da Hamburgs Handel, Schifffahrt und Industrie zahlreiche Drucksachen brauchen.

Um das Bild der Hamburger Industrie einigermaßen zu vervollständigen, ist es notwendig, noch ein paar Worte über die Größenordnung der einzelnen Betriebe zu sagen. Wie in der Art der Fabrikation unterscheiden sich die Hamburger Industriebetriebe auch hinsichtlich der Größe von denen in anderen Industriegebieten. Während dort der Massenbetrieb eine hervorragende, in der Regel ausschlaggebende Bedeutung hat, ist dies in Hamburg nicht der Fall. Wie bereits oben gesagt, ist nicht Massenarbeit, sondern Qualitätsarbeit das Kennzeichen der Hamburger Industrie. Qualitätsarbeit bedingt in der Hauptsache aber Mittel- und Kleinbetriebe. Und deshalb findet man in Hamburg auch vorherrschend die Mittel- und Kleinindustrie. Selbstverständlich fehlen auch nicht Großbetriebe. Die Großschiffswerften, von denen die größeren bereits bis zu 12.000 Arbeiter beschäftigt haben, sind auch im Vergleich zu anderen Industriegegenden beachtenswerte Großbetriebe. Im ganzen sind aber unter den 5.000 industrieartigen Betrieben in Hamburg nur 5 Anlagen, in denen mehr als 1000 Arbeiter tätig sind und nur rund 100 industrielle Unternehmungen mit mehr als 100 Leuten und etwa 700 gewerbliche Betriebe mit mehr als 20 arbeitenden Personen. Wenn auch also nur etwa 15 von je 100 Betrieben mehr als 20 Arbeiter haben, so sind doch in diesen Betrieben 60 — 70% der gesamten hamburgischen Arbeiterschaft tätig.

Im Anschluss an dieses statistische Material sollen noch kurz einige Bemerkungen über die Gliederung der Hamburger Arbeiterschaft gemacht werden, insbesondere darüber, ob es sich um gelernte, angelernte, männliche, weibliche oder jugendliche Arbeitskräfte handelt. Auch in dieser Hinsicht bietet die Hamburger Industrie wegen ihrer Verschiedenartigkeit ein vielseitiges und oft auch wechselvolles Bild. Hinsichtlich der gelernten Leute kann festgestellt werden, dass sie überwiegen in den auf handwerksmäßiger Grundlage beruhenden Industriezweigen, wie beispielsweise in den Kupferschmieden, der Maschinenindustrie, dem Wagenbau und der Pianofabrikation, wo etwa 70 — 80% handwerksmäßig ausgebildete Arbeiter vorhanden sind. Der Rest mit geringer Ausnahme sind angelernte Personen in diesen Betrieben. Im Schiffbau sind etwa 50% handwerksmäßige Leute, Angelernte etwa 30% und Ungelernte 20%. In der Leder- und Gummiindustrie sinkt die Zahl der gelernten Handwerker auf 20%, die der angelernten Arbeiter steigt auf 50%. Auch im polygraphischen Gewerbe ist annähernd dieses Verhältnis vorhanden. In der Öl- und Fettindustrie hat sich das Verhältnis noch mehr verschoben. Hier sind nur 10% der Arbeiterschaft gelernte Handwerker, 20 — 30% angelernte Leute, während die übrigen meist als ungelernte Arbeiter anzusprechen sind. Die Zahl der in gewerblichen Betrieben Hamburgs beschäftigen Arbeiterinnen beträgt nach der letzten Zählung des Hamburgischen Gewerbeaufsichtsamtes rund 21.000. In Hamburg sind also nur etwa 25% der Arbeiterschaft weiblichen Geschlechts, ein Prozentsatz, der gegenüber dem in anderen Großstädten wesentlich geringer ist, wo er etwa zwischen 30 — 40% beträgt. Die Mehrzahl der Arbeiterinnen sind in der Bekleidungs-, Nahrungsmittelindustrie und in dem Reinigungsgewerbe tätig. Der geringe Prozentsatz ist darauf zurückzuführen, dass in Hamburg die Massenfabrikation fehlt, und ferner solche Industriezweige, die vielfach in anderen Großstädten vorhanden sind, wie Großkonfektion, Textil- und Luxuspapierindustrie. Auch ist hier mit ausschlaggebend, dass die in Hamburg geborenen Mädchen entsprechend dem kaufmännischen Charakter der Stadt ihren Verdienst vornehmlich in kaufmännischen Betrieben suchen. Die jugendlichen Arbeiter betragen in Hamburg 5% der gesamten Arbeiterschaft. Auch hier liegt der Prozentsatz unter dem in anderen Städten. Ausländische Arbeiter sind in der Hamburger Industrie nur in verhältnismäßig geringem Umfange beschäftigt. Nicht ganz 1% sind vorhanden. In der Hauptsache handelt es sich um galizische und polnische Arbeiter, die in den Hüttenwerken und einigen chemischen Betrieben, wo besonders schmutzige Arbeit vorhanden ist, tätig sind.

Vorstehend ist versucht worden, einen kurzen Überblick über die Hamburger Industrie und die Arbeiterverhältnisse zu geben. Industrie und Arbeiterschaft in Hamburg zeigen ein eigentümliches, durch Schifffahrt und hanseatischen Unternehmungsgeist beeinflusstes Gepräge. Im schweren Wettkampf mit ausländischen Werken hatte sich die Hamburger Industrie eine beachtenswerte Stellung errungen. Fünf Jahre war sie vom Weltmarkt abgeschlossen, und schwer hat sie in dieser Zeit um ihre Existenz gerungen. Die Aussichten sind wenig rosig. Aber der hanseatische Unternehmungsgeist wird nicht erlahmen. Man mache ihn von allen Fesseln frei, dann wird auch die Hamburger Industrie, wenn auch langsam, wieder zu jener Höhe emporklettern, auf der sie vor dem Kriege gestanden hat.