Das Bankwesen von A. Hübbe, Direktor der Dresdner Bank

Um im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung Hamburgs Bedeutung für das internationale Wirtschaftsleben Deutschlands unter gleichzeitiger Berücksichtigung der rein hamburgischen Interessen zu kennzeichnen, darf man Hamburg nicht nur als Hauptpforte und Sitz des Ein- und Ausfuhrhandels betrachten, vielmehr muss man auch seine charakteristischen Merkmale als Bankplatz einer Erwägung unterziehen.

Das Hamburger Bankwesen blickt auf eine lange und ereignisreiche Entwicklung zurück. Am 20. Februar 1619 wurde auf „inständiges Anfordern der allhier residierenden Kauf- und Handelsleute" die Hamburger Bank durch den Rat der Stadt bestätigt, ohne Zweifel eine Gründung der Kaufmannschaft, da die Verwaltung der Bank in der Hauptsache Kaufleuten unterlag.


Diese Hamburger Girobank, die bis zum 1. Januar 1876, wo sie in eine Zweigniederlassung der Deutschen Reichsbank umgewandelt wurde, in den mehr als 250 Jahren ihres Bestehens in umfangreicher Weise den Sonderbedürfnissen unseres Handelsplatzes gedient hat — das Geschäft der ,,Wechsel und Lehenbanko" wie es hieß, kennzeichnet von Anfang an den vorzugsweisen Charakter des Handelsinstituts — ist im weiten Umfange vorbildlich geworden für das spätere deutsche Bankwesen und hat dem hamburgischen Geldverkehr von vornherein den Stempel aufgedrückt durch die weitgehende Durchbildung des Giroverkehrs unter Ausschaltung des Bargeld-Verkehrs. Diese alt-hamburgische Einrichtung wurde von der Reichsbank übernommen, die innerhalb ihres Betriebes das gesamte deutsche Reichsgebiet zu einem einheitlichen Giroplatz macht. Auf diese wichtige Tatsache darf vom Hamburger Standpunkt mit berechtigtem Stolz bei der Schilderung des Hamburger Bankwesens hingewiesen werden.

Auch auf diesem Gebiet ist in Hamburg der derzeitig starke Einfluss der holländischen Stammesbrüder erkennbar: Das unmittelbare Vorbild der Hamburger Bank war die Bank von Amsterdam. Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass der Münzumlauf kleiner Staaten und Stadtstaaten nicht ausschließlich aus Münzen eigener Prägung bestehen kann, sobald der Handelsverkehr über den Rahmen des lokalen Bedürfnisses hinausgeht. Daher war es notwendig, Vorsorge gegen Münzverwirrungen zu schaffen. Diese Erkenntnis führte auch in Hamburg zu der frühen Schaffung der eigenen Bank, die die Aufgabe übernahm, die Kaufmannschaft möglichst zu schützen vor den ständigen Wertschwankungen der verschiedenen Münzsorten, und bestrebt war, den durch die
,,Kipper" geübten Münzbeschneidungen Einhalt zu tun. Das wurde dadurch erreicht, dass in eine gemeinschaftliche Kasse ein Fonds vollwichtiger Münzen eingelegt wurde, welche die beteiligten Kaufleute unter einander bis zur Höhe ihrer jeweiligen Guthaben durch „Assignation" übertrugen. Schuld und Forderung wurden beglichen durch buchmäßige Belastung und Kreditierung, und zwar in ältester Zeit auf Grund der Menge eingelegter Species-Taler, seit dem Jahre 1710 auf Grund der Mark Banko. Diese war nichts anderes als ein bestimmter Gewichtsteil Reinsilber, jedoch haftete ihr die Eigentümlichkeit an, dass nicht etwa jede entsprechende Menge Silber als eine „Mark Banko" gezahlt und empfangen werden konnte und musste, sondern durch den Akt des Einbringens in die Bank, des Abwägens vermittelst der amtlichen Bankgewichte und des Gutschreibens des erzielten Betrages wurde diese „hamburgische Währung", wie man es nannte, „kreiert".

Dieser kurze Überblick als Einleitung der vorliegenden Veröffentlichung soll nicht weiter auf die interessanten Einzelheiten der Tätigkeit der Hamburger Bank eingehen. Wünschenswert ist, dass eine nach modernen Gesichtspunkten bearbeitete umfassende Darstellung dieses Institutes von berufener Seite geschrieben wird. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen der Geld- und Valutaentwertung, nicht nur in Deutschland, sondern in den meisten Kulturstaaten, ist sehr vieles für die Praxis zu lernen aus der Jahrhunderte alten vielseitigen Erfahrung des Hamburger Instituts.

Eine starke Entwicklung des Hamburger Bankwesens trat etwa um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein. Die Ausdehnung des Handels, das Wachstum der Industrie, vornehmlich im deutschen Binnenlande, die Umwälzungen im Verkehrswesen legten auch in Hamburg den Gedanken der Gründung einer Diskontobank mit Noten-Emission nahe. Die Einführung eines imaginären Papierumlaufmittels an Stelle der als solide erachteten Reinsilber-Währung begegnete namentlich bei den älteren Mitgliedern der Kaufmannschaft starken Bedenken, und tatsächlich wurde — in einer Zeit starker Entwicklung des Notenbankwesens im übrigen Deutschland — in dem immer an Traditionen festhaltenden Hamburg der Gedanke zunächst wieder fallen gelassen. Bald jedoch setzte sich die Erkenntnis der Unzulänglichkeit des derzeit einzigen hamburgischen Bankinstituts machtvoll durch, und wiederum fand die Hamburger Kaufmannschaft den Mut zur Initiative und Durchführung. Im Jahre 1855 traten 7 Hamburger Handelshäuser zusammen und zeichneten das vorläufig einzuzahlende Kapital von 5 Millionen Mark Banko für eine Aktienbank mit Notenausgabe unter der Firma „Norddeutsche Bank". Namen und Zeichnungssummen werden auch heute noch mit Interesse gelesen:

Der Senat stand dieser Neugründung durchaus ablehnend gegenüber; er vermochte ein Bedürfnis für eine Vermehrung des Papierumlaufs nicht anzuerkennen und verweigerte die Genehmigung. Die Handelskammer (damals Commerz-Deputation) prägte einen Satz, der auf die auch heute stark am Alten hängende hamburgische Eigenart passt: ,,Es sei einleuchtend, dass bei den rasch aufeinander folgenden tief eingreifenden Umgestaltungen im Handels- und Geldwesen Ansichten, die vielleicht vor 10 Jahren als richtig und zeitgemäß galten, gegenwärtig nicht ohne weiteres noch einen Maßstab für die endgültige Beurteilung neuer Pläne geben".

Lebhafte Diskussionen in der Presse und vielfache Ausschusssitzungen brachten allmählich Klärung über die notwendig gewordene Reform des hamburgischen Geld- und Kreditwesens. Mitten hinein in die angeregtesten Debatten erfolgte überraschend am 21. Mai 1856 die Gründung eines Bankinstituts mit 20 Millionen Mark Banko Grundkapital, ohne Notenausgabe, ohne Staatsaufsicht, der ,,Vereinsbank". Diese Gründung beschleunigte die Arbeiten des provisorischen Komitees der Norddeutschen Bank, so dass sie im Oktober 1856 ihre Geschäfte eröffnen konnte, nunmehr auch unter Verzicht auf die Notenausgabe. Der fast gleichzeitige Geschäftsbeginn zweier Hamburger Großbanken wurde von Anfang an nicht als lästige Konkurrenz empfunden, sondern brachte frische aufbauende Arbeit in das Hamburger Handels- und Wirtschaftsleben. Das Betätigungsfeld war weit; der Hamburger Handel mit seinem traditionellen Expansionsdrang wies Richtung und Ziel; die alleinige Bindung an die „Hamburger Bank" an die in den Kellern aufbewahrten Barguthaben, war fortgefallen, so dass eine größere Einstellungsmöglichkeit auf die Bedürfnisse des Handels vorlag. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Bank-Gründungsjahr 1856 wirtschaftlich einen besonderen Höhepunkt darstellt. Zwei Zahlenreihen seien hier genannt.

Die Hamburger Seeschiffe hatten an Zahl und Tragfähigkeit rasch zugenommen: Man registrierte


Ende 1856 verzeichnete man dabei bereits 17 Seedampfschiffe gegen 11 im Vorjahr, darunter je 2 große transatlantische für die Fahrt nach Nordamerika und Brasilien.

Es betrug die Ein- und Ausfuhr in Hamburg dem Werte nach zusammen:

1846 558 Millionen Banko-Mark
1850 667 Millionen Banko-Mark
1855 1036 Millionen Banko-Mark

Das ergibt in 10 Jahren fast eine Verdoppelung.

Es berührt uns in der gegenwärtigen Generation, die wir an die weitgehende Publizität unserer Geldinstitute gewöhnt sind,, eigenartig, dass erst in der Jahresversammlung „Eines Ehrbaren Kaufmanns" im Krisenjahr 1857 die nachdrückliche Forderung aufgestellt wurde, die Banken sollten regelm?ßig Bericht erstatten über ihren Geschäftsgang und die bei ihnen vorhandenen Barvorräte.

Viele Sorgen machten der Hamburger Kaufmannschaft damals wie heute wieder die Frage der Valuta, damals im Sinne der Hamburger Bank -Valuta. Schon derzeit beschäftigte sich der deutsche Handelstag mit dem noch in weiter Ferne liegenden Problem der Schaffung von einheitlicher Münze, Maß und Gewicht für ganz Deutschland. Damit ward der Anfang gemacht mit der Aufhebung einer bis vor Jahresfristen nicht mehr vorstellbaren Verworrenheit im Geldverkehr und mit der Beseitigung der auf der Basis des ungemünzten Feinsilbers beruhenden Hamburger Bank -Valuta. Allerdings nur ein theoretischer Anfang. Auch hier wieder trat eine starke Neigung zum Beharren bei alten liebgewordenen Zuständen in die Erscheinung. Erst musste die politische Einheit Deutschlands errungen sein, ehe die Münzeinheit hergestellt werden konnte. Auch damals schon gab es eine „vom hamburgischen Kaufmanns-Konvent zur Prüfung der Valuta-Frage niedergesetzte Kommission", die eingehende Beratungen angestellt hat über die Hamburger Valuta-Frage; aber zur Lösung gebracht wurde dieses wirtschaftliche Problem erst durch die Schaffung der Grundlage, d. h. der Reichseinheit. Sehr bald nach der Reichsgründung schritt die Reichsleitung zur Herstellung des einheitlichen Münzwesens auf der Grundlage der Goldwährung, wodurch unmittelbar die auf Reinsilber lautende Hamburger Bank-Valuta endgültig ausschied.

Im Gebäude der alten Hamburger Bank wurde am 1. Januar 1876 eine Reichsbankhauptstelle eingerichtet; damit wurde eine alt-hamburgische Hinrichtung, die mehr als ein Vierteljahrtausend vornehmlich der Kaufmannschaft der Vaterstadt gedient hat, in neue Form hinübergeführt. Mit diesem Übergang begann in gewissem Sinn eine Beschränkung des Geschäftsverkehrs der Nachfolgerin, obgleich an dieser Stelle mit Befriedigung darauf hingewiesen sein mag, dass auch die Reichsbankhauptstelle in Hamburg der Eigenart des Hamburger Warenhandels, vornehmlich im Wechsel-Verkehr, allen Umfangs Rechnung getragen hat.

Wieder einmal hatte es sich erwiesen, dass man in unserer Vaterstadt zwar gern am bewährten Alten festhält, aber doch nicht blind ist für die Notwendigkeiten der in steter Entwicklung fortschreitenden Zeit, und das als wünschenswert Erkannte mit ganzer Tatkraft aufgreift.

Es ist ein typischer Charakterzug Hamburgs, dass durch den regen Auslands-Besuch und -Aufenthalt der nachwachsenden Generation eine ständige Befruchtung der leitenden Wirtschaftskreise erfolgt. Kluge, weitsichtige Heranziehung des Nachwuchses zu Arbeit und Verantwortung hat immer eine glückliche Mischung ergeben, aus der gerade in schweren Zeiten die Persönlichkeiten der Tat erwuchsen.

Als wichtigstes Erbe übernahm die Reichsbank das wohlausgebildete Girosystem der alten Hamburger Bank, ein System, dessen Bedeutung und Brauchbarkeit an keinem Platz Deutschlands so früh erkannt und so allseitig angewandt war wie in Hamburg. Bis zum Detaillisten und kleinen Handwerker hat man sich in unserer Vaterstadt daran gewöhnt, Zahlungen nicht durch Bargeld zu begleichen, sondern durch Bankabschreibung auf Bankkonto zu erledigen. Es mag auch hierbei die Tradition in Hamburg mitspielen, in sofern zwischen Lieferanten und Abnehmer ein oft Generationen überdauerndes Vertrauensverhältnis zu herrschen pflegt, aber von diesem engsten Kreis aus liefen die Richtungen weiter und weiter und rundeten sich zu einem fast lückenlosen System bargeldloser Zahlungen, dessen volkswirtschaftlich vorbildliche Bedeutung erst jetzt unter den obwaltenden Finanzschwierigkeiten voll erkennbar in die Erscheinung trat.

Der Hauptaufgabe Hamburgs als Vermittlerin des Ein- und Ausfuhrhandels entsprechend, erweiterte sich schnell der Kreis der Banken und Bank-Niederlassungen am hiesigen Platze.

1870 verzeichnen wir die Gründung der Kommerz- und Diskonto-Bank (heute Kommerz- und Privat-Bank). 1872 errichtete als erste unter den Berliner Banken die Deutsche Bank die Hamburger Niederlassung; im Jahre 1892 folgte die Dresdner Bank, 1896 die Mitteldeutsche Privatbank, 1912 die Darmstädter Bank.

Zu erwähnen ist endlich noch die Gründung der Hypothekenbank in Hamburg im Jahre 1871, die, ihren Ursprung vornehmlich Hamburger Initiative verdankend, heute an erster Stelle unter den Hypothekenbanken Deutschlands erscheint.

Das starke Übergewicht des Auslands- und Überseegeschäfts in Hamburg leitete den Zahlungsverkehr mit überseeischen Ländern in den Tätigkeitsbereich der Hamburger Banken und Bankniederlassungen, und führte folgerichtig schnell zu der Verwirklichung der Gründung eigener selbständiger überseeischer Bankinstitute. Diese Bemühungen sind durch die Initiative einzelner Banken in die Tat umgesetzt. Von Hamburg aus sind folgende überseeische Bankinstitute gegründet worden:

1. Brasilianische Bank für Deutschland: Norddeutsche Bank in Gemeinschaft mit der Direktion der Diskonto-Gesellschaft, Berlin. Sitz Hamburg. Zweigniederlassungen: Rio de Janeiro, Santos, Sao Paulo und Porto Alegre.

2. Bank für Chile und Deutschland: Norddeutsche Bank in Gemeinschaft mit der Direktion der Diskonto-Gesellschaft, Berlin, Sitz Hamburg. Zweigniederlassungen: Valparaiso, Santiago, Concepcion, Temuco, Antofagasta, Victoria und Valdivia.

3. Deutsch-Asiatische Bank: sämtliche D. -Banken m Verbindung mit anderen Bankhäusern unter Führung der Direktion der Diskonto-Gesellschaft. Sitz in Shanghai. Zweigniederlassungen: in Berlin, Kalkutta, Hankow, Canton, Hongkong, Peking, Tientsin, Tsinanfu, Tsingtau, Yokohama, Kobe, Singapore.

4. Deutsche Afrika-Bank: Norddeutsche Bank in Gemeinschaft mit der Direktion der Diskonto-Gesellschaft. Zweigniederlassungen in Swakopmund, Windhuk, Lüderitzbucht.

Ergänzend sei hier erwähnt, dass von Berlin aus die Gründung folgender überseeischer Banken erfolgte, deren hamburgische Zweigniederlassungen ebenfalls wirksam zur Unterstützung des Hamburger Ein- und Ausfuhrhandels eingegriffen haben:

Deutsche Überseeische Bank; Deutsche Bank. Sitz Berlin. Zweigniederlassungen: Hamburg. Barcelona, Madrid, Bahia Bianca, Buenos Aires, Córdoba, Mendoza, Rosario de Santa Fe, La Paz, Oruro, Antofagasta, Concepcion (Chile), Iquique, Santiago de Chile, Temuco, Valdivia, Valparaiso, Arequipa, Callao, Lima, Montevideo, Rio de Janeiro, Sao Paulo.

Deutsch Südamerikanische Bank: Dresdner Bank in Gemeinschaft mit Nationalbank für Deutschland und A. Schaaffhausenschen Bankverein. Sitz Berlin. Zweigniederlassungen : Hamburg, Mexiko, Torreon, Buenos Aires, Valparaiso, Santiago, Rio de Janeiro.

Deutsche Orientbank: Dresdner Bank, A. Schaaffhausenscher Bankverein, Nationalbank für Deutschland. Sitz Berlin. Zweigniederlassungen: Hamburg, Konstantinopel, Brussa, Mersina, Adana, Adrianopel, Aleppo.

Deutsch-Westafrikanische Bank: Dresdner Bank. Sitz Berlin. Zweigniederlasstingen: Hamburg, Duala, Lome.

Daneben haben in Hamburg als dem Hauptsitz des deutschen Ein- und Ausfuhrhandels fremdländische Banken eine Rolle gespielt. Ihre Tätigkeit vor dem Kriege beschränkte sich naturgemäß vornehmlich auf die Ausführung der ihnen von ihren heimatlichen Instituten und deren Filialen zugeführten Geschäfte. Sie haben aber auch im Wege der Finanzierung des Ausfuhrhandels hier befruchtend auf das kaufmännische Leben gewirkt.

Vor dem Kriege unterhielten folgende ausländische Banken in Hamburg Niederlassungen:

die Hongkong & Shanghai Banking Corporation,
die Chartered Bank of India, Australia & China,
die Bank of British West-Africa Ltd.,
die Standard Bank of South Africa Ltd.,
die Anglo-South-American Bank Ltd.,
der Banco Espanol del Rio de la Plata,
die Banque d'Athènes.

Von diesen Niederlassungen hat nur der Banco Espanol del Rio de la Plata den Betrieb während der Kriegsjahre aufrechterhalten; die englischen Bankniederlassungen sind noch nicht wieder aktiv in Erscheinung getreten. Neu hinzugekommen ist nach dem Kriege die Yokohama Specie Bank Ltd., die kürzlich eine eigene Niederlassung hier errichtete. Weitere Niederlassungen auswärtiger Banken am hiesigen Platze scheinen bevorzustehen. Es mag für manchen betrübend sein, aus der neu beginnenden Entwicklung der Niederlassungen auswärtiger Banken am hamburgischen Platze wie auch in anderen Teilen des Deutschen Reiches ein Zeichen der gewaltsamen Überfremdung Deutschlands zu erkennen. Rein sachlich betrachtet, gehört diese Erscheinung nicht zu dem Schwersten, was das Schicksal dem Vaterlande auferlegt hat. Fremde Arbeit und fremde Hilfsmittel können befruchtend wirken, wenn eigene Tatkraft und klare Erkenntnis bei uns vorherrschend bleiben. Nicht rückwärts blicken auf das, was hätte sein können, sondern vorwärts in die alte bekannte Bahn weltweiter Arbeit zu eigenem Nutzen! Das ist immer Hamburger Eigenart gewesen.

Wenngleich die überall im modernen Kulturleben gleich gelagerten Bedürfnisse des Güteraustausches im Bankwesen zu einer gewissen Uniformierung führten, so zeichnet sich im Hamburger Bankwesen doch unverkennbar die Übersee gerichtete Tendenz ab. Dem Hamburger Ein- und Ausfuhrhandel zu dienen, war von jeher die als dringend erkannte und erfüllte Aufgabe der Banken. In gleichem Sinne arbeiteten und arbeiten heute noch eine ganze Reihe von Privatbank-Firmen, geleitet von Männern von hoher wirtschaftlicher und geistiger Bedeutung, deren Namen innerhalb Hamburgs zu den besten zählten und die weit über die Grenzen der Vaterstadt hinaus zu Weltruf gelangt sind. Diese Firmen haben, wie es die allgemeinen Geschäfte des Bankwesens überhaupt bekunden, vielfach in ihrem Ursprung sich erst allmählich von der des eigentlichen Kaufmanns, d. h. des dem Warenhandel Beflissenen gesondert; noch im 18. Jahrhundert findet man beide Zweige eng verschwistert bei ihnen, woraus es sich erklärt, dass gerade sie es gewesen sind, die auf dem Gebiete des Überseehandels auch finanziell eingegriffen haben. Einzelne der Firmen älteren Datums nennen, heißt hier schon ein für jeden Kundigen vorstellbares Bild zeichnen:

L. Behrens & Söhne; Joh. Berenberg, Goßler & Co.; Conrad Hinrich Donner; Münchmeyer & Co.; Hesse, Newman & Co. ; Nottebohm & Co. ; Schröder Gebrüder & Co. ; Johannes Schuback & Söhne; M. M. Warburg & Co.

Ein Rückblick auf die Geschichte dieser Firmen zeigt, wie eng die Hamburger Kaufmannschaft mit dem Bankwesen der Vaterstadt von jeher verbunden gewesen ist. Wie schon im Verlaufe dieser Niederschrift ausgeführt, erscheint mancher Name bei der Gründung der Hamburger Bankinstitute im verflossenen Jahrhundert; das enge Zusammenarbeiten der Privatbankfirmen mit den Bankinstituten einerseits und mit der Kaufmannschaft im allgemeinen andererseits gibt auch heute noch dem Hamburger Bankwesen das Gepräge, das dem Hamburger Handel volles Verständnis für die Eigenart seines Geschäfts sichert und in der Vergangenheit wie auch in der Zukunft Kraft und Leistungsfähigkeit verbürgt.

Der zur Verfügung stehende begrenzte Raum ermöglicht es nicht, in der vorliegenden Gesamtdarstellung ein Bild der Tätigkeit der einzelnen Bankinstitute zu geben. Ziffernmäßig seien für die wirtschaftlichen Leistungen des Hamburger Bankwesens dem Fernerstehenden nur die Zahlen vor Augen geführt, die der Abrechnungsverkehr der dem Clearing angeschlossenen Banken in den Jahren 1910-;— 1913 aufweist (nach der von der Reichsbank herausgegebenen Übersicht):

Jahr Stückzahl Summe

1910 7.004.426 M. 20.960.070.000
1911 7.403.266 M. 23.121.076.000
1912 7.990.791 M. 25.895.229.000
1913 8.231.544 M. 26.658.603.000

Schon aus diesen Ziffern wird sich jedem unbefangenen Beurteiler die Erkenntnis aufdrängen, dass Hamburgs Bankwesen für den gesamten Handel einen Hauptfaktor darstellt.

Zusammenfassend kann im Hinblick auf die Zukunft gesagt werden, dass das Hamburger Bankwesen wohlerfahren und wohlgerüstet ist, um den schwierigen Aufgaben der Wiederaufrichtung des Hamburger Wirtschaftslebens volle Unterstützung zu Teil werden zu lassen. Für jeden, der unter dem Drucke der Gegenwart Sorgen und Zweifel hat, kann ein Rückblick in die Jahrhunderte alte Geschichte des Hamburger Bankwesens eine Quelle der Lehre und Aufrichtung werden. Es sei nur erinnert an die wohlbekannten Wirtschaftskrisen vergangener Jahrhunderte, an die Zeit der 7jährigen Franzosenherrschaft in Hamburg anfangs vorigen Jahrhunderts, an die Nacht vom 4. auf den 5. November 1813, in welcher infolge des Raubes der Hamburger Bank durch die Franzosen der völlige Zusammenbruch der finanziellen Kraft des Platzes unvermeidbar schien. Zähe Beharrlichkeit, unbeirrbare Tatkraft und gesunder innerer Kern waren immer Merkmale des Hamburger Bankwesens vom ersten Anfang an durch alle Zeitläufe hindurch. Das ist auch heute das prägnante Merkmal des Hamburger Bankwesens und schließe, als Geleitwort in die Zukunft, die vorliegende Ausführung.