HANAU. RB Cassel Kreisstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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HANAU. RB Cassel Kreisstadt.

Marien-K. Die Erhebung zur Stifts-K. veranlaßte die Erbauung [pg 171] eines neuen größeren und mit Aufwand durchgeführten Chors 1487. 4 Joche im Längsteil, 3/8 Schluß; Netzgwbb. mit Wappenschmuck in den Schlußsteinen und reicher Meißelarbeit an Dienstsockeln und Konsolen; 3teilige Fenster mit reichem Fischblasenmaßwerk; hohl geschwungene Abdeckung der Strebepfll. Das Lhs. erneuert 1558-61; hölzerne Emporen in 2 Rängen; die Mauern niedriger als die des Chors, der Dachfirst in gleicher Höhe, Turm im südöstl. Winkel. — Der Chor diente 1451-1612 als Begräbnisstätte für das gräfliche Haus Hanau-Münzenberg. Die Grabsteine sind durchweg heraldisch, und es ist der Brauch festgehalten, Wappen und Inschriftrand in Bronze auf den Steinrand zu setzen. Einigen Grabsteinen sind Wandepitaphe beigegeben. Adriane v. Nassau † 1477, überlebensgroße, kniende Steinfigur; Philipp III. † 1561, Standbild in flacher, von Konsolen getragener Nischen- und Pilasterarchit., gefällige, doch nicht bedeutende Renss. Arbeit, im Ornament hauptsächlich Groteskenwerk und Anfänge von Rollwerk; Helene von der Pfalz † 1579, Seitenstück zum vorigen, die Archit. pompöser, das Rollwerk hat breitere Ausdehnung gefunden, Hermen mit jon. Kaptt. (alles auf niederländischen Einfluß deutend), Philipp Ludwig I. † 1580, künstlerisch das beste Stück der Reihe, im Stilcharakter der internationalen Hoch-Renss., der triumphbogenartige Aufbau klar disponiert und fein gestimmt in den Verhältnissen, treffliches Ornament, das Rollwerk mit großer Zurückhaltung. — Vom got. Chorgestühl 2 Wangenteile erhalten, ungewöhnlicherweise mit Porträtfiguren aus dem Grafenhause geschmückt. — Orgel 1696, gegen die sonstige Kahlheit des Innern durch ihr Prachtgehäuse (von Franz Nagel aus Miltenberg) auffallend abstechend. — An den Chorgwbb. Reste von Malerei 1909 aufgedeckt und rest.

Wallonisch-Niederländische K. (reformiert). Gegr. 1599. Doppelkirche, veranlaßt durch den zweisprachigen Charakter der Gemeinde, die doch ihre Zusammengehörigkeit auch äußerlich betonen wollte. Ein größerer und ein kleinerer Zentralbau, jener 12Eck von 34,5 m Durchmesser, dieser 8Eck von 23 m Durchmesser, sind ineinander verschränkt. Umgänge von 12 resp. 8 Sandsteinsäulen tragen die flachen Decken und die nur 1geschossige Empore. Zugang zu den letzteren durch Treppentürmchen in den einspringenden Winkeln zwischen den beiden Kirchen. Die Scheidemauer durchschneidet auch den in der Mitte stehenden 8seitigen Turm. Beide K. sind gleichförmig ausgestattet, in calvinistischer Schlichtheit. Fenster rundbg. mit Maßwerk. An den Ecken Strebepfll. Besonders durch die ungeheuren, unter sich nicht gleichhohen, aber die [pg 172] Mauern an Höhe weit übertreffenden Walmdächer empfängt das Äußere einen ganz eigenartigen Umriß.

Johannes-K. (luth.) 1658-60. Einfaches Rck. mit Schluß in 3 Polygonseiten. Fenster spitzbg. mit ausgeartetem Maßwerk, schwere Barockportale. 1727 Erweiterung an einer Langseite. Gleichzeitig neue Ausstattung mit Marmorkanzel und reichem Orgelprospekt. Begräbnisstätte der letzten Grafen von Hanau-Lichtenberg.

Stadtschloß. Unregelmäßige Gruppe, meist Spätrenss., im heutigen Zustand kunstarm und interesselos.

Altstädter Rathaus. 1537-52. Oft verändert, jetzt whgest. Erdgeschoß ursp. offene Steinhalle, Obergeschosse Fachwerk mit Erkern. Eingebauter Justitiabrunnen. — Ein gegenüberliegender spgot. Erker vom älteren Rathaus.

Neustädter Rathaus. 1725-33 von Baudirektor Hermann. Gute Massenverteilung, derbstrenge Formen. Im Erdgeschoß Arkaden, teils offen, teils verblendet; 2 Obergeschosse mit leichtem Mittelrisalit, dessen Giebelfeld mit Hochreliefs gefüllt ist; hohes gebrochenes Dach, auf dem First kleines Uhrtürmchen

Gymnasium. 1664. Stattliches Portal, noch im Charakter der Spätrenss.

Fachwerkhäuser 16.-17. Jh., Stadtmauerreste.