Beleidigende Lügen, Verleumdungen und Klatschereien

Ehe ich zu der letzten Abteilung der Taten unserer Helden fortschreite, halte ich es für meine Pflicht, eine kleine Bemerkung vorauszuschicken. Da ich es unternommen habe, Unwahrheiten aller Art, von denen es in den literarischen Bildern wimmelt, aufzudecken, so bin ich verbunden, auch die unrechtfertigen Äußerungen und Bemerkungen in Betreff unserer Regierung, deren Maßregeln und Wirkens zu rügen. Es dürfte jedoch hier nicht am 'unrechten Orte sein zu erwähnen, dass an diesen Äußerungen und Bemerkungen, so weit ich mutmaßen kann, Melgunow unschuldig ist. Wahrscheinlich hat sie Herr König von irgend einem Deutschen oder Franzosen überkommen, der sich eine Zeitlang in Russland aufgehalten, da eine Menge abgeschmackten Zeugs aufgeschnappt, und dieses, nach seiner Rückkehr ins Ausland, weiter verbreitet hat. Ein Russe aber, er möge übrigens noch so niederträchtig und dumm sein, ist nicht im Stande, das zu sagen, was in Königs Buche gedruckt zu lesen ist. Wir begreifen nur nicht, warum sich Herr Melgunow nicht laut und feierlich von Dingen lossagen kann, die doch offenbar nicht von ihm herrühren. Allein da ihre Sache eine gemeinschaftliche ist, so mögen sie auch Kapital nebst Zinsen gemeinschaftlich in Empfang nehmen: unsere Sache ist nur, mit dem Handels-Hause Melgunow, König et Comp. ehrlich und ohne Rückstände Abrechnung zu halten.

P. 26. „Philaret, dermaliger Metropolit von Moskau, ist durch seine Predigten berühmt, die in früherer Periode mystischen Inhalts und verboten sind.“ Ihr lügt! Das ist niemals der Fall gewesen.


P. 45 ist gesagt, dass sowohl Lomonossow als auch Peter der Große ihren frühzeitigen Tod dem Trunk zu verdanken gehabt haben. Nein! dieses hat kein Russe schreiben können; die Hand hatte ihm den Dienst versagt, eine solche Lüge niederzuschreiben! — Ein Russe hätte niemals vermocht, Dershawin als einen Schlemmer und als ein Opfer der Unenthaltsamkeit darzustellen. — Wer hat diese Lügen ausgesonnen? —

P. 58 heißt es, Katharina II. habe die Zensur aufgehoben und eine unbegrenzte Pressefreiheit eingeführt, sodann aber einen Schriftsteller, wegen Benutzung dieser Freiheit, nach Sibirien verbannt. Das ist nicht wahr. Katharina hat niemals Pressefreiheit eingeführt. Der hier in Rede stehende Schriftsteller ist dafür, dass er eine Schmähschrift gegen die Regierung in seiner eigenen Druckerei, ohne Vorwissen der allerdings existierenden Zensur, hat drucken lassen, also für eine offenbare und vorsätzliche Übertretung des Gesetzes, auf richterliches Erkenntnis bestraft worden.

Es wäre wohl der Mühe wert zu erfahren, wer es dem Verfasser in den Kopf gesetzt hat, als habe Krylow (p. 88) in seiner Fabel: der Esel und die Nachtigall, unter der Nachtigall sich selbst, unter dem Hahne aber Dmitriew gemeint! Wer hat das Recht, der Absicht und dem Ziel des Dichters eine solche Bedeutung unterzulegen? Nie ist Krylow gegen Dmitriew aufgetreten; niemals hat er sich berufen gefunden, diejenigen, welche Dmitriews Poesie lieben, Esel zu nennen; liebt er sie ja doch selbst. — Weit beleidigender noch ist für die Freunde und Verehrer Krylows folgende Anekdote: (p. 89) „Krylow — heißt es — brauchte in seinen früheren Jahren viel Geld, und nahm zuweilen, wenn es ihm fehlte, zu einem in Russland durch seine albernen Poesien bekannten, gräflichen Dichtergecken seine Zuflucht. Dieser war wohl um einen Verleger seiner Gedichte nicht verlegen: er ließ sie auf eigene Kosten drucken, und kaufte sie auch mit eigenem Gelde, wenn sie liegen blieben; nur Zuhörer entbehrte er ungern, da er seine Sachen gar zu gern vorlas. Und da hatte nun Krylow die Kunst weg, diese Schwäche des Grafen auszubeuten; indem er dem Dichter, der auch Fabeln in seiner Weise verfertigte, lang und geduldig zuhörte, um am Schlusse dem seelenvergnügten Grafen — ein Anlehen abzufordern, und so aus dessen Fabeln eine goldene Lehre zu ziehen.“ Bei dieser Gelegenheit wird Krylow mit dem Fuchse verglichen, der dem Raben den Käse aus dem Schnabel lockt. So äußern sich diese Herren über unsern ehrwürdigen Dichterveteranen! Da sie seine Werke nicht herabzuwürdigen vermögen, so spritzen sie ihr Gift auf seinen persönlichen Charakter, indem sie ihn als einen Neidhart, als einen niedrigen, geldgierigen Speichellecker darstellen. — Ein wahrhaft kritisches Verfahren in der Literatur!! Und Melgunow unterfängt sich, in seiner Erwiderung, von erhabenen und edlen Gesinnungen zu sprechen!

Wir begreifen nicht, wie es möglich war (p. 202) die Worte eines Schriftstellers anzuführen: „Ich bin kein Dichter, ich bin nur — Bürger,“ Ein schöner Bürger! ein Mensch, der mit der abgeschmackten, aberwitzigen Idee: das russische Reich in eine Republik umzuschaffen, alle Rechte und Verbindlichkeiten des Bürgers mit Füßen tretend, die verbrecherische Hand gegen die Heiligkeit des Throns und die Ruhe der Gesellschaft erhob, eine Menge unerfahrener junger Leute in seine hirngespinnstischen, albernen Anschläge verwickelte, ganze Familien ins Verderben stürzte, um auf Treubruch und Mord den eigenen Ruhm zu begründen! Man wird mir einwenden: er hat dafür mit dem Leben gebüßt, und man soll das Andenken des Verblichenen nicht schmähen. Auch gedenkt dieser Unglücklichen Niemand in Russland auch nur mit einem Worte. Aber warum wollt ihr ihn als einen rechtschaffenen Bürger darstellen? — Bei uns wird der rechtschaffene Bürger nicht gehenkt. — Noch ist es bemerkenswert, wie hier die Tatsachen vermengt werden; man schreibt: „zwei Literaten waren in die Empörung vom 14. Dec. 1825 verwickelt; der Erstere wurde zum Tode verurteilt, der Letztere aber, der in der Garde diente, als Soldat, in ein entferntes Regiment verbannt.“ Man sollte meinen, sie seien gleich schuldig gewesen, und welcher Unterschied in der Strafe! In der Tat aber war Jener der Anstifter und die Seele der Verschwörung, Dieser aber einer der Hauptmitschuldigen. Dieser Letztere war ebenfalls zur Todesstrafe verurteilt, zugleich mit Anderen aber begnadigt worden, und wurde, in Ansehung dessen, dass er, aus freiem Antriebe, mit reuigem Geständnis) vor dem Kaiser erschien, von der peinlichen Zwangarbeit befreit, und nach einjähriger Haft auf der Festung, nach Sibirien auf Ansiedelung verschickt. Beim Ausbruch des türkischen Krieges ward er auf seine Bitte, als Soldat, in eins der Regimenter des kaukasischen Corps versetzt, diente gegen die Türken und dann gegen die Bergvölker, erhielt das Georgenkreuz, und avancierte zum Unteroffizier und zum Fähnrich *). — Das ist der wahre Hergang der Sache. Allein fast alle Tatsachen sind in diesem Buche auf ähnliche Weise verdreht und entstellt.

*) Er blieb, im Sommer 1837, in einem Gefechte gegen die Gebirgsvölker.

P. 144. „Als der jetzige Kaiser an die Regierung kam und der Krönung wegen in Moskau zubrachte*), ließ er unerwartet den Dichter (Puschkin) von seinem Land- und Bannsitze abholen. Dieser, nichts weniger, als eine Verbannung nach Sibirien erwartend, musste aus der Kibitka, wie er war, vor dem Kaiser erscheinen.“ Lauter Lügen! Puschkin hat selbst den Kaiser um die Erlaubnis ersucht, vor Ihm zu erscheinen, und als er sie durch einen Feldjäger bekam, eilte er nach Moskau. Die Ausländer bilden sich ein, dass man bei uns den Ersten, den Besten von der Straße aufgreift, ihn ohne Verhör, Untersuchung und Gericht, mit der Knute abstraft und nach Sibirien verschickt. Und wie sollen sie in dieser Meinung nicht bestärkt werden, wenn man ihnen erzählt, Puschkin habe, als man ihn zum Kaiser gefordert, geglaubt, er solle nach Sibirien verschickt werden? Wen hat man bei uns ohne richterlichen Spruch nach Sibirien verbannt? Selbst der niedrigste Verbrecher genießt bei uns des Schutzes der gesetzlichen Formen, wie in jedem wohlgeordneten Staate.

*) Anmerk. d. Übers. Wenn Hr. M. diesen Aufsatz redigiert hat, so lässt sich der hier vorgefallene Schnitzer entschuldigen. Von H. König sollte man aber doch wohl voraussetzen dürfen, dass er wenigstens seine Sprache verstehe.

P. 147. „Zwei Gedichte schadeten ihm (Puschkin) besonders in der öffentlichen Meinung, teils wegen ihres Inhalts, noch mehr aber wegen der darin ausgesprochenen, auffallenden Gesinnungsänderung des Dichters.“ Was meint man wohl, welches diese beiden Gedichte sind? Nimmermehr wird man das erraten: eins, das Gedicht auf die Einnahme von Warschau, das andere an die Verleumder Russlands!— In welch einem abscheulichen Lichte wird hier sowohl Puschkin, als das russische Publikum gezeigt! Nein, ihr Herren Verleumder Russlands, er war niemals der Feind seines Vaterlandes; er ehrte Russland, er liebte den Ruhm desselben; dem Spiele mit Epigrammen, den Torheiten der Jugend sich hingebend, wagte er doch niemals, weder durch Gesinnungen noch Gefühle sein Vaterland zu kränken. Die schlechte Gesellschaft, in welche er bei seinem Eintritt in die Welt geriet, konnte nur auf einige Zeit seinen hellen Geist umnebeln und ihn vermögen, sein herrliches Talent an eines großen Dichters unwürdige Erzeugnisse zu vergeuden. Er kam zur Besinnung, er erkannte seinen Beruf und hätte das Geschick den Faden seines Lebens nicht abgerissen, so würde er durch gereifte, klassische, unsterbliche Werke die Fehler und Verirrungen einer brausenden Jugend gewiss reichlich vergolten haben. Schon war die Morgenröte eines neuen, bessern Puschkin angebrochen; die oben erwähnten Dichtungen, die gereifte Männlichkeit seiner Prosa, die, wie einst seine Poesie, eine Epoche in unserer Literatur begründet hätte, die Richtung seiner Aufmerksamkeit und seiner Studien auf Russlands hehren Genius, Peter, alles weissagte in ihm einen zweiten Karamsin, den Karamsin des XIX Jahrhunderts. Die verhängnisvolle Kugel vernichtete unsere Hoffnungen und Erwartungen! — Und jetzt haben sich Leute gefunden, die sich erfrechen, seine Asche zu besudeln, die es wagen, die schöne Richtung seines Strebens, die er in der letzten Zeit entwickelte, zu verhöhnen! Durch diese unüberlegten Zeilen (p. 147) ist auch ganz Russland, alle Russen, denen ihre Literatur am Herzen liegt, zugleich mitbeleidigt. Ich erkläre laut und vor dem Angesichte Europas, dass, wenn Russland je einen Nationalkampf gefochten hat, es der Krieg von 1830 und l831 gegen die polnischen Rebellen war. Es handelte sich um Russlands Ehre, um die Aufrechterhaltung seiner durch Blut und langjährige Leiden erkauften Habe. Da war keine Frage; da konnte keine Frage sein. Von der Ostsee bis zur Ansiedelung Roß, bei Kalifornien, von Kola bis zum Araxes, gab es keinen Russen, der nicht seinen letzten Heller, seinen letzten Tropfen Blut daran gesetzt hätte, um den Triumph seines Vaterlandes zu sichern. Und beide Dichtungen Puschkins, voll Hochsinn und Kraft, und ganz im russischen Geiste geschrieben, fanden Anklang in allen Herzen, und erwarben ihm allgemeine Verehrung. Man wird vielleicht sagen, dass sich dieser Geist der Anhänglichkeit an Russlands Sache und der glühende Wunsch für den siegreichen Ausgang in den damaligen Journalen nicht Verlautbarte: sie teilten nur amtliche Berichte über den Gang der Kriegsoperationen mit. Das hatte seine Ursache: die Regierung gestattete nicht die Aufnahme irgend eines für die Polen kränkenden Artikels. Als einer hohen Person einige in scharfem und schonungslosem Tone über die damaligen Angelegenheiten abgefassten Artikel vorgelegt wurden, erfolgte die Entscheidung: „Besiegen soll man den Feind, aber nicht auf ihn schimpfen.“ Kaum war Warschau gefallen und der Sache unseres Kaisers der Triumph errungen, so ergoss sich die Freude und der Stolz des russischen Volks in Gedichten: das erste war von Shukowski, das zweite von Puschkin. Das eine wie das andere ward mit allgemeinem Beifall aufgenommen. Das ist die Wahrheit.

Ich lasse andere, ähnliche Stellen ungerügt und komme zum Schluss meines Aufsatzes, zu demjenigen Teil, wegen dessen er vorzugsweise geschrieben wurde, zur Verteidigung der Ehre der russischen Schriftsteller, die in besonderem Grade die Galle des Herrn Melgunow erregt und dessen Unwillen und Groll auf sich gezogen haben. Es ist bemerkenswert, dass seine Angriffe hauptsächlich gegen die Herausgeber von Zeitschriften gerichtet sind. Leicht begreiflich: diese unerträglichen Wächter am Eingänge zu den Pforten der Literatur fragen jeden Einlassbegehrenden nach seinem Pass, nach dem Aussteller desselben, und ob er nicht verfallen sei. Sie untersuchen die Ware und konfiszieren die Konterbande. Sind das nicht wahre Bösewichter? Und bestechen kann man sie auch nicht — die Teufelskerle sind reich; und das ist gerade das Allerärgerlichste!

Soll ich mich selbst rechtfertigen? Soll ich diesen Gabelfischern beweisen, dass meine Herkunft nicht im geringsten zweifelhaft und ich keinesweges ein Fremdling bin, dass meine Familie dem russischen Lande über hundert Jahre mit Feder und Degen dient? Ihren Begünstigten rechnen sie den ausländischen Namen zum Verdienst an, während sie mich als Gott weiß was für einen Pseudomenschen, einen zweideutigen Auswanderer darstellen wollen. Ich möchte ihnen doch wohlmeinend geraten haben, die Taufscheine und Dienstlisten nicht gar zu genau zu untersuchen; Mancher der guten Freunde dürfte schlecht dabei fahren. — Soll ich meinen Versuch einer Geschichte der russischen Literatur verteidigen? Melgunow sagt, Otto habe die erste Ausgabe dieses Versuchs übersetzt: aber es ist auch gar keine zweite erschienen; nur ein kurzer Auszug daraus ist in die neue Ausgabe meines Lehrbuchs (1830) übergegangen. Melgunow nennt dieses Buch mager und jeder philosophischen und gelehrten Grundlage ermangelnd. Aber hat es denn etwa Ansprüche auf tiefe Gelehrsamkeit, auf allumfassende Wirksamkeit machen wollen? Dieser Versuch ist ohne alle Prätensionen, namentlich für niedere Schulen, nicht einmal für Gymnasien, geschrieben. Seit jener Zeit sind achtzehn Jahre verflossen, und keiner unserer großen Männer hat bis jetzt etwas Besseres zu Tage gefördert. Alle stehlen aus diesem Buche und machen es herunter, um die Quelle zu verbergen. Selbst Melgunow hat, bei seiner königlichen Arbeit, ohne Gewissensskrupel daraus geschöpft; was er jedoch nicht in dem Buche selbst, sondern erst dann eingestand, als er wegen des Inhalts seines niederträchtigen Libells zur Rechenschaft gefordert wurde. Melgunow behauptet, dass die politischen Nachrichten der Nordischen Biene aus dem Journal de St. Pétersbourg entnommen seien. Das ist nicht wahr. Wir ziehen unsere Nachrichten mit jenem aus denselben Quellen, aber keinesweges aus dem J. de St. P. Es hat sich wohl zuweilen getroffen, dass auch wir einen Artikel aus diesem Blatte übersetzt haben; aber weit öfter hat das J. de St. P. seine Nachrichten aus der Biene gezogen. Ist je ein politischer nicht offizieller Original-Aufsatz in einem Blatte erschienen, so können wir kühn behaupten, dass es in der Biene gewesen ist. — Herr Melgunow wundert sich, dass wir mit Bulgarin seit 15 Jahren Freunde sind. Es ist wahr, dass wir seit 1825 die Biene und andere Zeitschriften mit einander herausgegeben, gegen anderthalb Millionen Rubel Einnahme und Ausgabe mit einander berechnet, und uns nicht entzweiet haben. Allein welchen rechtschaffenen und edeldenkenden Menschen kann das in Verwunderung setzen? Wäre unsere Verbindung auf Plane niedriger Habsucht gegründet gewesen, mit der Absicht, das Publikum zu betrügen, und uns einander zu beschuppen, so hätte sich unser Freundschaftsbund schon im ersten Jahre aufgelöst, wie wir so manches Beispiel der Entzweiung bei unseren Oresten und Pyladen gesehen haben. Es scheint also, dass dies nicht der Fall gewesen und die Sache ganz natürlich zugegangen ist. — Soll ich mich etwa ärgern, dass Herrn Melgunow meine Romane nicht gefallen? Nein, wahrhaftig nicht: er kann darüber jede Meinung haben und ausposaunen. Schade nur, dass er sie, allem Anschein nach, gar nicht gelesen hat, indem er den Inhalt des Einen, der Wahrheit gänzlich zuwider, darstellt *). Könnte mich die Meinung eines solchen Menschen kränken, so fände ich wenigstens Trost in dem Beifall Anderer, wie z. B. Puschkins und Ludwig Tiecks, so wie in der Theilnahme des russischen Publikums, das fünf tausend Exemplare dieser Albernheiten weggekauft hat. — Von meiner Grammatik behauptet er, dass ihr die philosophische Grundlage mangele; d. h. sie ist in klarer, leichtfasslicher Ordnung abgefasst und regelrecht russisch geschrieben; es fehlt ihr aber freilich jenes geckenhafte Narrengewand, in welchem unsere den Deutschen nachäffen wollende Philosophenjünger einherstolzieren. Bis zu welchem Grade Groll, Neid und Unwissenheit einen Menschen verblenden und dumm machen können, erhellt aus Melgunows Artikel über mich: er hat nicht umhin gekonnt; selbst einzugestehen, dass ich bis jetzt die beste Geschichte der russischen Literatur geschrieben habe, dass meine Kritiken zuweilen geistreich und schärf sind, dass ich mir durch meine Grammatik, die wegen ihrer materialreichen Vorarbeiten unschätzbar genannt werden darf, eine ehrenwerte Stelle in der russischen Literatur verdient habe — und was folgert er daraus? — dass ich zu der Zahl derjenigen Schriftsteller gehöre, die durch Glück und geschickten Charlatanismus die Gunst des Publikums gewonnen haben! Wäre ich wirklich Charlatan, so wäre ich ein bewundernswürdiger Mensch, ein wahres Genie, ein Napoleon des Charlatanismus. Wie! Ich hätte mich dreißig Jahre lang unausgesetzt mit Literatur beschäftigt, ich hatte die ersten Journale herausgegeben, eine unschätzbare Grammatik verfasst, Romane geschrieben, die das Publikum mit Wohlwollen und Dankbarkeit aufgenommen hat; ich hätte mir eine ehrenwerte Stelle in den Reihen der vaterländischen Meister erworben — und das Alles ohne irgend ein Verdienst, ohne Kenntnisse, ohne Talent, durch bloße Geschwindigkeit, Hokuspokus? — Nein, das ist zu viel; das überstiegt wohl auch die Kräfte eines Andern. Was das Glück anbetrifft, darüber hat unser Suworow schon entschieden. Man rühmte einst in seiner Gegenwart die Taten und Talente des damals auf dem Schauplatz erschienenen Napoleon Bonaparte. Einer aus der Gesellschaft, der ihm nach dem Munde zu sprechen wünschte, sagte, das Alles sei nichts als Glück. Glück? erwiderte Suworow — heute Glück, morgen Glück, übermorgen Glück! Erbarme Dich, Bruder, da muss doch auch etwas Verstand dabei sein.— P. 311 wird gesagt: „Gretsch gibt in Petersburg einigemal in der Woche Soireen, Konzerte und Theatervorstellungen, wo er seine Klientel versammelt, und die Ausländer, Reisende und dgl. streichelt, um durch sie seinen Namen und Nimbus in die Welt verbreiten zu lassen.“ Ist es möglich, dass sich ein edler, rechtlich denkender, reiner Mensch so tief erniedrigen kann? Wer sind denn diese Ausländer, die ich streichele, um meinen Ruhm in die Welt zu verbreiten? Nennen Sie sie, mein Herr! Und so lange Sie dieses nicht tun, empfangen Sie den Ihnen gebührenden Titel eines Lügners und Klatschentrompeters. Einem Jeden das Seine! —

*) Hr. M. gibt den Inhalt meines Romans, die schwarze Frau, (P. 304) folgendermaßen an: „Im zweiten Romane, dessen Intriquen**), da es ihm an Einheit fehlt, beständig abbrechen, und nie recht ziehn, scheint Gretsch das Vorwalten der übersinnlichen Natur über die sinnliche zum Hauptthema gesetzt zu haben. Doch seltsamer Weise ist das Übersinnliche als eine Maschinerie behandelt, und die außerordentlichen Vorfälle, welche die geistige Natur des Menschen erweisen sollen, sind auf erbärmliche prosaische Weise erklärt, in der Art etwa wie die christlichen Wunder durch die Werkeltags-Nationalisten erklärt werden.“

**) Ist das Melgunow’sche oder König’sche Orthographie? Der Übersetzer.


Jetzt sei es mir erlaubt ein deutsches Urtheil über dasselbe Buch anzuführen: „Das Buch verdiente eine Übertragung in unsere Sprache, und wenn die russische schöne Literatur mehrere solche Werke dieser Gattung aufzuweisen hätte, so würde sie die Aufmerksamkeit anderer Nationen in hohem Grade auf sich ziehen. Der Roman erhält den Leser in steter Spannung, die Handlung ist vortrefflich erfunden, und die Charaktere sind so gut angelegt, und verraten in ihrer Ausführung eine so sichere Hand, dass keine Literatur sich derselben zu schämen braucht. Die Szenerie bietet beständige Abwechselung, indem der Verfasser seinen Helden aus Russland nach Italien, Frankreich, und zuletzt sogar an den Kaukasus, wo er am Kriege gegen die wilden Gebirgsvölker Teil nimmt, versetzt. Die Darstellung hat oft eine südliche Lebendigkeit; der Verfasser beobachtet scharf und genau und er scheint nicht unerhebliche psychologische Studien gemacht zu haben. Wir vermuteten in dem Romane eine gewöhnliche Gespenstergeschichte, und dass der Fatalismus sich darin gewaltig breit machen würde; allein dem ist nicht also. Die schwarze Frau spielt eine nicht eben bedeutende Nebenrolle, und erscheint nur hin und wieder, so oft es der Verf. nötig findet, um die Grundidee des Ganzen gehörig hervortreten zu lassen. Er hörte nämlich in einem geselligen Kreise die Lebensgeschichte eines Menschen, der in seiner frühen Jugend durch eine schreckliche Erscheinung zur Zeit der Pest in Moskau, in Furcht und Schrecken versetzt wurde. Diese Erscheinung ward nun sein unzertrennlicher Begleiter: sie weissagte ihm Glück und Unglück, Freude und Leid, Gelingen oder Misslingen in seinen Unternehmungen, und wich erst dann von seiner Seite, als sie sich selbst vor den Augen des Sehers wie ein wirkliches Dasein vorstellte. Diesen in der Vorrede angedeuteten Hauptgedanken des Romans hat der Verfasser vortrefflich durchgeführt, und wir verdanken der Lektüre des Werks einen Genuss, den wir keinesweges unter die gewöhnlichen rechnen können. — s —.“ (Korrespondenzblatt für den Berliner Modenspiegel, 1837, No. 47.) Wer von Beiden hat Recht, der Landsmann, der sich alle mögliche Mühe gibt, mich zu erniedrigen, oder der auswärtige Rezensent, der mir durchaus fremd ist, und der seine Meinung in einem Blatte äußert, dessen Existenz mir bis dahin gänzlich unbekannt war? Durch einen Freund bekam ich diese Nummer unlängst in die Hände. Ich setze diese zwei Urteile nebeneinander, mehr um die materiellen Lügen und Verdrehungen des Melgunow in Evidenz zu bringen. Ich bin weit entfernt, meinen literarischen Ruf auf Romane gründen zu wollen, die ich, zu meiner Erholung, in den Mußestunden, zwischen meinen wissenschaftlichen Studien und journalistischen Tagesbeschäftigungen, schrieb. Sie mögen noch so schlecht sein und der Berliner Rezensent der schwarzen Frau mag sich getäuscht haben; so ist doch das, wovon M. schreibt, nicht darin enthalten. G.

P. 211 stehen folgende Worte: „Es ist der und der. Grüßen Sie ihn! Vielleicht ladet er Sie ein zu den interessanten Ausländern, zu den Künstlern, Gelehrten und Literaten, die er in seinem Hause zu versammeln pflegt.“ — Folglich ist das doch erlaubt, ist es gut. Warum soll denn ich allein nicht das Recht haben, dasselbe zu tun? Warum soll denn ich allein eigennützige Absichten dabei haben? Übrigens weiß ich nicht, worüber man mehr aufgebracht werden kann, ob über Melgunows Lob oder seinen Tadel. — Unter allen russischen Journalisten gedenkt er nur Polewoys mit Lobe; aber auf welche Weise? indem er behauptet, dass er unsere gemeinsame Literatur zu einer gemeinen gemacht, sie in die niederen Kreise herabgezogen und dadurch viel Plattes, Abgeschmacktes und Triviales hervorgerufen habe; indem man ihm allerhand Schwindeleien andichtet, als sei es seine Absicht gewesen, die Literatur dem Adel aus den Händen zu reißen und den Plebejern zu überliefern; mit einem Wort, indem man ihn als eine Art von Volkstribun, als Demagogen, Chartisten schildert, während sich Polewoy von alledem nichts hat einfallen lassen. Er hat sich herumgekampelt und herumgestritten, geeifert und disputiert mit Jedem, der ihm vor das Gesicht kam, mit dem Fürsten, wie mit dem Seminaristen, dem Offizier wie dem Kaufmann, ohne dabei einen andern Zweck als gerade die Literatur selbst und das Interesse seiner Leser im Auge zu haben. Und er soll durch seine Angriffe die Schriftsteller aus dem höheren Adel in der öffentlichen Meinung herabgesetzt haben! Lächerlich ist es, dass das scherzhafte Epithet: die berühmten Freunde, dessen sich zuerst Wojeykow (im Sohne des Vaterlands 1821) bedient hat, hier durch vornehme Freunde wiedergegeben, und in Polewoy's Feder gelegt wird. — Wer nur einigermaßen mit der russischen Literatur vertraut ist, wird ganz das Widersprechende und Abgeschmackte dieser Angaben und Folgerungen einsehen.

Es versteht sich, dass in der Zahl der Journalisten auch Senkowski heruntergemacht wird. Ich stehe in keinen freundschaftlichen Verhältnissen mit ihm, und habe ihn seit einigen Jahren nicht gesehen; allein ich kann die Leser dieser Blätter versichern, dass der Herausgeber der Lesebibliothek, Herr Professor Senkowski, ein Mann von vielseitiger Gelehrsamkeit, voller Geist, Talent und von unermüdlichem Fleiße ist; seine Bestrebungen haben dem russischen Publikum in vielen Beziehungen reichen Nutzen gebracht, und das von ihm redigierte Journal, an dem ich nur im Jahre 1834 Mitarbeiter gewesen bin, war jederzeit eins der besten. Es trifft sich wohl, dass wir verschiedener Meinung sind, dass wir in Fehde mit einander liegen, dass ich mich über ihn ärgere; aber nie werde ich mich erkühnen, ihm das Verdienst, das ihm gebührt, streitig zu machen, und werde vor der ganzen Welt seinen wohlerworbenen Anspruch auf die Achtung der literarischen Welt verteidigen.

Ich komme jetzt, in der von mir angenommenen Ordnung, zu dem letzten Schriftsteller, dem ersten nach dem Grade von Erbitterung, Groll und Verleumdung, womit Melgunow et Comp. ihn anfeinden. Ich meine Bulgarin. Seine Verteidigung übernehmend, erfülle ich die Pflicht der Freundschaft, der Wahrhaftigkeit und der Dankbarkeit. Da ich ihn seit zwanzig Jahren kenne, täglich mit ihm zusammengewesen bin und meine literarischen Arbeiten mit ihm geteilt habe, so kann ich mit Wahrheit und Sachkenntnis über ihn sprechen. Ich will seinen Verleumdern Schritt vor Schritt folgen, und ihr gemeines Lügengewebe zerreißen.

P. 303. „Bulgarin ist ein Pole von Herkunft, hat im Kadettenkorps zu Petersburg seine Erziehung erhalten, und hierauf unter den Garde-Ulanen gedient. Als er unfreiwillig den Dienst verlassen mußte, ist er zum Heere Napoleons übergegangen, hat den spanischen Krieg mitgemacht, und soll auch unter diesen fremden Fahnen in Moskau gewesen sein. Aber nach Napoleons Sturze hatte Bulgarin nichts Besseres zu tun, als wieder nach Russland zurückzukehren, und wo er früher Dienste gefunden, nun seine Dienstbarkeit anzubieten, in seinem zweiten Vaterlande nämlich, nachdem er dem ersten und dritten treulos geworden war.“ Wir müssen dieses, der reinen Wahrheit gemäß, folgendermaßen berichten: Bulgarin ist von Geburt ein Pole, wurde zu St. Petersburg im Land-Kadettenkorps erzogen, diente bei den Leib-Ulanen, war bei den Schlachten von Austerlitz und Friedland, wurde in der letzteren durch einen Stich durch den Leib schwer verwundet und erhielt den Orden für Tapferkeit; dann machte er die finnländische Campagne mit, nahm, nach dem Frieden von Friedrichsham, wegen Unannehmlichkeiten im Dienst, seinen Abschied, und trat in den Dienst einer mit Russland damals befreundeten und verbündeten Macht, Frankreich. Wie konnte auch ein zwanzigjähriger Cornet einen Bruch vorhersehen, der selbst außer dem Gesichtskreise ergrauter Staatsmänner lag! Er diente in Spanien, und mußte späterhin seiner Truppenabteilung nach Russland folgen. Aber in Moskau ist er, selbst bis auf den heutigen Tag, niemals gewesen. Er teilte die Drangsale der Armee, in welcher er diente, war in den Schlachten von Bautzen, Kulm und Leipzig, ward im Jahre 1814 von dem preußischen Parteigänger Colomb, in Frankreich gefangen genommen und nach Stargard abgeführt. Nach Abschluß des Friedens stellte er sich in Warschau seinem ehemaligen Chef, dem Großfürsten Constantin Pavlowitsch vor. Der Zesarewitsch empfing ihn huldreich und machte ihm den Antrag, wieder in den Dienst zu treten.

Bulgarin dankte und lehnte es ab. Seine häuslichen Angelegenheiten waren, in Folge der langen Abwesenheit, in Verwirrung geraten, und die greise Mutter bedurfte seiner Unterstützung und Pflege. Zur Beendigung eines wichtigen Familienprozesses kam er im Jahre 1819 nach St. Petersburg, knüpfte mit mehreren geistreichen Männern Verbindungen an, beschäftigte sich mit Literatur, und erwarb sich in kurzer Zeit einen Namen und die Liebe des russischen Publikums. Der jetzige Kaiser erhob ihn, bald nach seiner Thronbesteigung, zur 8ten Klasse (Majorsrang) und befahl, ihn beim Ministerium des öffentlichen Unterrichts anzustellen. Da er sich jedoch ausschließlich der Literatur zu widmen wünschte, so nahm er, etwa zwei Jahre nachher, wieder seinen Abschied. — Wäre auch nur der zehnte Teil der Angaben Melgunow's Wahrheit, so hätte Bulgarin nie als Schriftsteller und Publizist in Russland auftreten können. — Die unmittelbar darauf eingeschaltete Anekdote widerlegt sich durch ihre Abgeschmacktheit von selbst.— Bulgarin hat in Russland und in der französischen Armee gedient (wess Letzteren er keinesweges Hehl hat, indem er in seinen Schriften öffentlich davon spricht); noch leben allenthalben seine Chefs, seine Jugend- und Dienstgenossen. Sie mögen auftreten und sagen, ob sich Bulgarin in irgend einem Falle nicht als braver und adeliger Offizier, als tapferer, seinen Fahnen getreuer Soldat benommen hat! Ich kann nicht umhin, bei dieser Veranlassung die Grenzen des Vertrauens zu überschreiten und einen Vorfall auszuplaudern, der nach Bulgarins Wunsche niemals hätte verlautbaren sollen. Im vergangenen (1838) Jahre machte Bulgarin eine Reise nach Schweden, wo er bis dahin nur durch seine Schriften, die sämtlich in das Schwedische übersetzt sind *), bekannt war, und wo er mit allgemeiner Achtung und Herzlichkeit aufgenommen wurde. Bei einem Mittagsmahl, das ihm zu Ehren gegeben wird, sieht er, als man sich zu Tische setzt, ein Blatt der schwedischen Zeitung von 1809 vor sich liegen: in diesem wird die schöne Tat eines russischen Ulanenoffiziers geschildert, der, während des finnländischen Feldzugs, mit Gefahr des eigenen Lebens, einen Familienvater, der im Eifer der Verteidigung zu weit gegangen ist, vom Tode errettet. Dieser Offizier war Bulgarin.

*) P. 311 wird angedeutet, dass wir mit Bulgarin gewisse ärmliche Deutsche und Franzosen im Dienste haben, die sich bereitwillig finden lassen, unsere Meisterwerke zu übersetzen. Wer sind diese Übersetzer? Nenne man sie! Wyshigin und der Pseudo-Demetrius sind von dem bei der eigenen Kanzlei S. M. des Kaisers dienenden Kollegienrat Oldekop ins Deutsche, und der letztere von dem Professor Fleury ins Französische übersetzt worden. Meine Ausflucht nach Deutschland hat ein mir unbekannter Autor, Eurot und „die schwarze Frau“ der Staatsrat Schulz, Sekretär I. K. H. der Großfürstin, Prinzessin von Oranien, im Haag übersetzt. Meine ausführliche Grammatik ist von dem bekannten Schriftsteller und Verfasser des besten russisch-französischen Wörterbuchs, Reiff, in das Französische übertragen, und die deutsche bis jetzt noch handschriftliche Übersetzung derselben ist von dem k. sächsischen Gesandtschaftssekretär, Herrn Kammerherrn v. Seebach. Das sind die ärmlichen Deutschen und Franzosen, die wir in unseren Diensten haben! — Bulgarins Schriften sind von ihm gänzlich unbekannten Personen ins Englische und Schwedische übersetzt.

Genug von seinem Leben; gehen wir zu seinen literarischen Erzeugnissen über. Herr Melgunow erzählt, Bulgarin habe sich ein fremdes Werk, den Horaz mit einem gelehrten Kommentar, die Arbeit eines polnischen Philologen zugeeignet, den Namen desselben aber zu nennen vergessen. Es hätte hinzugefügt werden müssen, dass er in der Vorrede alle diejenigen namhaft gemacht hat, denen er bei dieser Gelegenheit verpflichtet war. Bulgarins eigennützige Absichten bei diesem Unternehmen erhellen daraus, dass er sämmtliche Exemplare den Lehranstalten zum Geschenk machte. — Die Angabe Melgunow's, als habe Bulgarin seine „Erinnerungen aus Spanien“ aus französischen Originalen entlehnt, ist eben so erlogen. — Man sage, aus welchen, oder man schweige. — Wir wiederholen es: Herr Melgunow kann über den literarischen Werth russischer Erzeugnisse urteilen wie er will; das ist eine Sache des Geschmacks und eigentümlicher Stimmung. Da kann man seine Urteile widerlegen, ohne dass man sich zu erzürnen braucht. Aber wenn er mit Gewissenhaftigkeit verfahren wollte, so hätte er es anerkennen müssen, dass Bulgarin der Erste gewesen, der es gewagt hat, russische Romane zu schreiben; dass dies ihm zum Bewundern gelungen ist, und dass er allen seinen Nachtretern die Bahn gebrochen hat; dass keiner der russischen Schriftsteller, in dem Grade wie er, das Talent besitzt, für eine oder zwei Nummern einer Zeitschrift einen so leichten, erfindungsreichen und interessanten Artikel zu liefern; dass die von ihm herausgegebenen Bücher und Journale die Verbreitung der Literatur und die Liebe zum Lesen, in ganz Russland bedeutend befördert haben. Die Bemerkung, als ob er, wegen seines langjährigen Aufenthalts im Auslande, nicht im Stande sei, russische Sitten zu schildern, widerlegt sich von selbst. Namentlich wird Einer, dem die Sonderbarkeiten, Vorurteile und Gebräuche eines Landes noch neu sind, der sich noch nicht eingelebt hat, dieselben treffend und treu schildern. Die Gewohnheit macht uns unaufmerksam gegen manche anziehende und bemerkenswerte Eigenheiten der Volkssitten. — Bulgarin hat sich nicht mit rein belletristischen Arbeiten begnügt: in der letzten Zeit ist er mit einer Geschichte Russlands aufgetreten, einem selbständigen Werke, welches in vielen Rücksichten eine neue Bahn in der Geschichtsforschung Russlands gebrochen hat. „Ein solches Missverständnis seines Talents,“ sagt M. (p. 309) „können wir leider nicht bloß belächeln oder bedauern; wir müssen es laut verklagen, vor Russland, wo so zahlreiche Schriften, die schon einige und dreißig Bände ausmachen, sich dei Verbreitung des schlechten Geschmacks, des Unsittlichen und Niedern in der Gesinnung, des Platten und Gemeinen im Urtheil schuldig gemacht, und den ihrer selbst unbewussten Russen einen falschen Begriff von sich beigebracht zu haben.“ — Wir aber erklären noch lauter, dass dieses eine infame und niederträchtige Lüge ist; dass Bulgarin in allen seinen Schriften bestrebt gewesen ist, seinen Lesern echtes Vaterlandsgefühl, Liebe zur Aufklärung, zu den Wissenschaften und Künsten, zu allen Tugenden, die den Bürger und Menschen zieren, einzuflößen; dass er Unwissenheit, Eigennutz, Ungerechtigkeit, Lüge, falschen Patriotismus und unfruchtbaren Pedantismus mit unerbittlicher Strenge verfolgt. Führe man aus den dreißig Bänden seiner Werke auch nur eine Zeile an, die dem hier Gesagten widerspräche.

Der Schluss ist des Ganzen würdig: (p. 312). „Bulgarin hat sich ein schönes Gut dicht an Dorpat gekauft, und lebt dort, bald in Eintracht, bald in Zwietracht mit den Studenten, auf dem Fuß eines polnischen Magnaten. Solchen behaglichen Zustand verdankt er der Publizität seiner literarischen Arbeiten, so wie vielleicht auch jenen Diensten, die nicht immer für die Publizität bestimmt sind.“ —Was soll denn das heißen? — Sein Sie so gut, meine Herren, erklären Sie sich! Was sind das für geheime Dienste, die so teuer bezahlt werden? Heraus damit!— Ich erkläre sowohl dem, der diese niederträchtige Zeile geschrieben hat, als auch einem Jeden, der sie liest, dass dieses eine so infame, nichtswürdige, jedes Grundes ermangelnde Lüge ist, dass die Antwort darauf keine schriftliche sein darf! — Und der Verfasser dieses Buchs erfrecht sich noch, vor dem Angesicht des Publikums zu behaupten, dass er sich bei Abfassung desselben von den Gesetzen der Ehre, der Wahrhaftigkeit, der Unparteilichkeit und edler Gesinnung habe leiten lassen! — Ich erwidre ihm nochmals und zum zehnten Mal, dass dieses Buch das nichtswürdigste und lügenhafteste Libell ist, das mir jemals zu Gesicht gekommen. Man dürfte vielleicht fragen, warum man in den Literarischen Bildern gerade über Bulgarin mit solcher Erbitterung hergefallen ist? Das Warum ist leicht zu finden. Bulgarin hat den berühmten oder vornehmen Freunden Melgunows mehr als einmal derb die Wahrheit gesagt, sie der Unwissenheit und Talentlosigkeit geziehen. In Folge seines leicht erregbaren und feurigen Charakters fährt Bulgarin auf jeden schlechten und dabei wohl gar noch frechen Schriftstellerling los und zaust ihn ohne Gnade und Barmherzigkeit. Aber es ist nicht literarischer Neid allein, der die Feder unseres schimpfenden Widersachers leitet. Das Gefühl seines edeln Unwillens ergießt sich darüber, dass sich einige russische Schriftsteller durch ihre Arbeiten auf ehrlichem Wege ein Vermögen erworben haben. Wie untersteht ihr euch, eure Werke zu verkaufen; wie untersteht ihr euch der Früchte eures Geistes und eurer Talente zu genießen; während doch die Werke meiner Freunde Niemand lesen, und was noch schlimmer ist, Niemand kaufen will! Auch der arme Sagoskin hat etwas dafür abbekommen, dass das Publikum seine Werke kauft. Diese liebenswürdige Taktik hat man an uns schon lange versucht. Seit den fünfzehn Jahren, dass die Nordische Biene erscheint, sind alljährlich eine Menge von Journalen aufgetaucht, um ihr entgegenzuwirken, und die Zahl ihrer Abnehmer zu verringern; jedes derselben begann in der Regel mit einem Galimathias über die Schellingsche oder Hegelsche Philosophie, lieferte am Ende ein miserables Modekupferchen, und füllte die Mitte mit Schmähungen auf die Nordische Biene und Bulgarin. Und alle diese Journale sind versunken in den Abgrund der Vergessenheit; die Nordische Biene aber stiegt und fliegt. Auch jetzt pfeifen zwei Journale, ein dickes und ein dünnes, auf dem letzten Loche ihr Gezisch des Neides. Ich befasse mich nicht damit und lese sie fast niemals; aber Bulgarin zieht, nach alter Ulanengewohnheit, unablässig mit seiner Pike gegen sie zu Felde, und hat sich schon ein ganzes Hospital voll größtenteils unheilbarer Feinde zusammengestochen. Aus dem Gewimmer dieser literarischen Landsknechte hat Melgunow eine Symphonie komponiert, die er mit König à quatre mains abdudelt, wobei das Journal der Freihafen die Parthie der obligaten Geige übernommen hat. Zu Ende des Buchs findet man (p. 318 — 319) eben so verkehrte Angaben, wie zu Anfang und in der Mitte; man behauptet: bei uns habe der Buchhändler die Überhand über den Literaten; nicht jener hinge von diesem, sondern dieser von jenem ab; die Literatur sei eine Dienerin des Handels und die Schriftsteller Handlanger der Buchhändler; daher würden ächtpoetische Erzeugnisse immer seltener, wie rein wissenschaftliche Werke; die Wissenschaft werde in Pfennig-Magazinen versplittert, und das kindische Publikum (sehr verbunden!) mit Holzschnitten herbeigelockt, oder sie werde in Lieferungsportionen ausgewogen, um die übermäßigen Bücherpreise zu verdecken. Das ist Alles zusammengelogenes Zeug: unsere Buchhändler haben an und für sich selbst ganz und gar keine Stimme, und nicht den geringsten Einfluss auf die Schriftsteller; die Poesie ist voll, kommen unabhängig vom Buchhandel: hinkt aber bei uns jetzt etwas, wie sonst auch im ganzen übrigen Europa; niemals sind bei uns so viele rein wissenschaftliche Werke erschienen, als eben jetzt; wir haben kein einziges Pfennig-Magazin, und kein einziges Werk kommt in Lieferungsportionen heraus. Einmal nur ward eine Übersetzung des Don Quixote auf diese Weise herausgegeben; — aber auch dieses Unternehmen ist an den Flügeln einer französischen Windmühle hängen geblieben. Ich lege die Feder nieder; ich habe meiner Pflicht genug getan, die reine Wahrheit gesagt, freilich nicht sine ira; denn bei dem Anblick solcher Niederträchtigkeiten ist es unmöglich, seinen Gleichmut zu bewahren; doch wenigstens nach bestem Wissen und Gewissen.

Die Herren König, Melgunow et Comp. belieben diese Blätter als Zulage zu dem Honorar, welches sie von dem Herrn Buchhändler Cotta von Cottendorf beziehen, in Empfang zu nehmen und freundschaftlich mit einander zu teilen.

St. Petersburg, den 6/18. Dez. 1839. N. Gretsch