H. Königs Literarische Bilder aus Russland in ihrem wahren Lichte dargestellt

Autor: Gretsch, Nikolai Ivanovitch (1787-1867) russischer Grammatiker, Philologe und Journalist, Erscheinungsjahr: 1840
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Literatur, Literarische Bilder, Schriftsteller, Journalisten, Literarische Werke, Rezensionen, Übersetzer, Verunglimpfung
N. Gretsch, Gründer und Herausgeber der Zeitschriften: Sohn des Vaterlandes (1812—1839); Nordische Biene (mit Bulgarin, seit 1825); Journal des Minister, des Innern (1828—1830); Lesebibliothek (mit Senkowski, 1834); Gründer und Hauptredakteur des großen russischen encyclopädischen Lexikons (1835 — 1836, der 6 ½ ersten Bände), und des militärischen encyclopädischen Lexikons (mit den, General-Major Baron v. Seddeler, seit 1836); Verfasser des Versuchs einer Literaturgeschichte Russlands (1822); der russischen Grammatiken: einer ausführlichen (erster Band 1827, zweite Aufl. 1830), einer praktischen (1327, zweite Aufl. 1834), einer kurzen Sprachlehre (die erste Aufl. 1830, die siebente 1839, überhaupt 50.000 Exempl.); der Romane: Ausflucht eines Russen nach Deutschland, 2 Bde. (1831, Die schwarze Frau, 4 Bde, (1834), beide zum zweiten Mal gedruckt in s. sämtlichen Schriften, 1838! der Reisebriefe aus England, Frankreich und Deutschland, 3 Bde., 1839; Mitglied aller russischer literarischer Vereine, der kaiserlichen St. Petersburgischen Akademie der Wissenschaften, der kaiserlichen mineralogischen Gesellschaft und der pharmazeutischen Gesellschaft in St. Petersburg, der königl. Akademie der Wissenschaften in Upsala, und des Frankfurter Gelehrtenvereins für deutsche Sprache.
Einführung

Det er en daarlig Fugl som
skider in sin egen Rede.

Altes dänisches Sprichwort.


Im September 1837 ist in Deutschland ein Buch erschienen: „Literarische Bilder aus Russland“, herausgegeben von H. König, Stuttgart und Tübingen, I. G. Cotta'sche Buchhandlung, 1837, XII. 344 S. In München habe ich es gelesen. Der Inhalt desselben hat mich gekränkt und empört. Es sind darin einige russische Literaten, und in deren Zahl auch ich, auf die allerabscheulichste Weise, als nichtsnutzige, neidische, geldgierige Scharlatane dargestellt. Wer ist dieser König? Woher hat er seine Nachrichten genommen? In der Vorrede sagt König, dass er diese Nachrichten von einem Reisenden aus Moskau, einem gewissen Melgunow, mündlich überkommen, späterhin aber aus brieflichen Mitteilungen vervollständigt habe. — Als ich nach Wien kam, teilte ich meine Bemerkungen über dieses Buch einem daselbst wohnenden Bekannten mit, den ich bat, sie ins Deutsche zu übertragen und in eins der gelesensten deutschen Journale einrücken zu lassen. Bereitwillig übernahm er dieses Geschäft, benachrichtigte mich aber einige Zeit nachher, dass keine deutsche Journal - Redaktion von Ruf die Widerlegung der Urteile eines unter dem Einflusse und im Geiste des jungen Deutschlands verfassten Buches übernehmen wolle. Was sollte man tun? Dulden und schweigen! — Unterdessen hatte Königs Buch auch den Weg nach Russland gefunden und wurde mit Lobpreisungen und Entzücken von einigen Journalen empfangen; namentlich: dem Zeitgenossen und den literarischen Beilagen zum russischen Invaliden, deren Herausgeber dieses Buch wahrscheinlich nicht selbst gelesen, sondern sich nur auf das Urteil ihrer in demselben gefeierten und zu Genies vom ersten Range erhobenen Freunde verlassen haben. In Deutschland erregte es allgemeine und laut ausgesprochene Aufmerksamkeit. Anfangs glaubte man ihm unbedingt, indem unsrerseits keine Erwiderung erschien; nach und nach erhoben sich aber doch Zweifel, ob auch alle Angaben Königs wahr sein möchten. Zuerst, glaube ich, stand Menzel, der bekannte Kritiker und Feind des jungen Deutschlands, in den von ihm redigierten literarischen Beilagen zum Morgenblatt dagegen auf, und äußerte Zweifel, ob Bulgarin, dessen Schriften mit Vergnügen und Beifall in Russland und Deutschland gelesen werden, in der Tat ein so erbärmlicher Schriftsteller sei, wie er in dem Buche Königs geschildert wird. — Späterhin verlautbarten Zweifel über die Richtigkeit der Urteile Königs in dem Berliner Magazin für die Literatur des Auslandes. Folgendes erschien darüber in der „Nordischen Biene“ (No. 35. 1838) von dem damaligen Mitarbeiter derselben, Polewoy: „Wir können nicht umhin den Herausgebern des in Berlin erscheinenden, durch Mannigfaltigkeit und Neuheit sich stets auszeichnenden Magazins für die Literatur des Auslandes unsern Dank abzustatten. Auch uns Russen haben sie nicht vergessen. Wir haben in ihren Blättern unlängst einen gehaltvollen Aufsatz über die mongolische Chrestomathie des Herrn Kowalevski gelesen, und noch kürzlich haben sie unsern, von einem gewissen H. König, dem Herausgeber eines literarischen Libells, unter dem Titel: „Literarische Bilder aus Russland“, verunglimpften Literaten, Th. W. Bulgarin vertreten. In diesem Buche werden mehrere unserer Literaten angegriffen und verleumdet, und Nachrichten über die russische Literatur mitgeteilt, die den vorgeblichen Nachrichten Herschels über den Mond zu vergleichen sind. Jetzt hat Hr. König sich einfallen lassen, in einem deutschen Journale (Telegraph für Deutschland) zu behaupten, Bulgarin habe in seinem Aufsatz: ein Sommer in Reval, der im Magazin für die Literatur des Auslands übersetzt war, die Deutschen angegriffen. Die Herausgeber des Magazins widersprechen dieser Behauptung Königs und sagen, er solle sich schämen, da er selbst kein Russisch verstehe, die Verleumdungen seines russischen Einbläsers Herrn Melgunow's nachzubeten; für Herrn Melgunow aber sei es eine Schande, in einer fremden Sprache und außerhalb der Glänzen seines Vaterlandes den literarisch-polemischen Handschuh hinzuwerfen und seine achtbaren Landsleute mit Unglimpf zu bedecken, da sich diese doch gegen seine Umtriebe und Anschuldigungen nicht verteidigen können, indem das deutsche Publikum, wegen eigener Unbekanntschaft mit der russischen Literatur, dem Ankläger aufs Wort glauben müsse. — Wir geben den ehrenwerten Herausgebern des Magazins unsere vollkommene Beistimmung. Und wenn durch den Mund des deutschen Verleumders einer unserer russischen Literaten spricht, so finden wir sein Betragen, — um uns nicht stärker auszudrücken — wenigstens unschicklich. Uns setzt auch noch das in Erstaunen: wer ist denn dieser grimmige Herr Melgunow? und warum ist er gerade gegen Bulgarin so ergrimmt? — Wahrhaftig, in der Zahl der russischen Literaten ist von dem Namen eines Herrn Melgulow oder dergleichen nichts zu hören gewesen, und ich berufe mich dabei auf das russische Lesepublikum. Sollte dieser Gewisse, der aus dem Winkel hervor mit Steinen wirft, nicht gar ein Pseudonym sein?“ Auf diese ziemlich deutliche Herausforderung erfolgte nicht die geringste Antwort. Mit diesem Stillschweigen war bei uns die Sache auch abgetan; aber im Auslande hatte der Senfsame der Unwahrheit gewuchert und war lustig emporgeschossen. Die Einwürfe Menzels und des Berliner Magazins waren verschollen. Das Buch Königs hatte man ins Holländische, ins Französische, und wo ich nicht irre, auch ins Englische übersetzt. Die von Gott verliehenen Talente, die gemeinnützigen Bestrebungen, der ehrliche Name russischer Literaten blieben einer unbegreiflichen Erbitterung, einer scheußlichen Verleumdung preisgegeben. Man glaubte König aufs Wort. Wie sollte man ihm auch nicht glauben? Die wegen ihres kühnen Muths und ihrer Aufrichtigkeit bekannten, durch Königs Buch mehr oder weniger gekränkten russischen Journalisten, Senkovski, Bulgarin, Polewoy, Gretsch, schwiegen, gaben also ihre Zustimmung. Endlich, im Oktober 1838, erschien in dem „Hamburger Correspondenten“ (No. 240) ein N. Iwanow unterzeichneter Aufsatz, welcher Einwürfe gegen einen im „Freihafen“ (No. 2. 1838) abgedruckten Artikel über die russische Literatur enthielt, und wo unter Andern, gesagt war: „Der Verfasser dieses Aufsatzes behauptet, dass das Buch: Literarische Bilder aus Russland bei uns Aufsehen und Glück gemacht hat, dass es in St. Petersburg großen Beifall findet“. Dies ist nicht wahr. Dieses Buch ist, da es Personal - Injurien enthält, gar nicht in den russischen Buchhandel gekommen. Ein Paar Exemplare sind vielleicht eingeschmuggelt worden. Natürlich haben die Literaten, die darin zu großen Geistern gestempelt sind, es versucht, das Werk in den Journalen ihrer Cotterie*) zu loben. In der „Nordischen Biene“ ist aber gesagt worden, Melgunow (der dieses Libell Hrn. König in die Feder diktiert hat) sei wahrscheinlich ein Pseudonym, da man in der russischen Literatur keinen Schriftsteller dieses Namens kenne, und Herr Melgunow hat dazu schweigen müssen; denn erstlich ist er, wie auch seine Schriften, — Herr König mag dazu sagen was er will, — durchaus bei uns unbekannt; zweitens würde er sich, wenn er sich zum Mitarbeiter des Herrn König erklärte, sehr unangenehmen Auftritten aussetzen. Das ganze Buch wimmelt von Verstößen, Lügen, Klatschereien, Verleumdungen und lächerlichen Lobhudeleien. Ins Russische kann und darf und wird es nicht übersetzt werden. Man sagt: es wird Russisch gedruckt mit Auslassungen und Zusätzen. Also gesteht man, es könne so nicht erscheinen, wie es in Deutschland gedruckt ist? Und doch genießt bei uns die wissenschaftliche und literarische Kritik der größten Freiheit, wenn sie nur keine beleidigende Persönlichkeiten enthält. Das Wahre an der Sache wäre wohl dieses: Herr M. hat sich ein Vergnügen gemacht, Herrn König zu mystifizieren, ohne zu ahnen, dass dieser je seine vertrauten Lügen drucken werde, und ist selbst dadurch in die größte Verlegenheit gerathen. Sollte dies nicht der Fall sein, so fordere ich Herrn Melgunow auf, sich öffentlich als den Souffleur des Herrn König zu erklären. Bis dahin bleibe ich bei meiner Behauptung. Die Wahrheit meiner Beschuldigungen werde ich nächstens öffentlich beweisen.“

*) Cotterie, Fr. Coterie, eine Anzahl von mehreren Personen, die vertraulich miteinander umgehen, und gemeinschaftliche Lustbarkeiten miteinander anzustellen pflegen, z. E. zum Ausreiten, zum Spazierenfahren, zum Concert, zum Schmausen, Pickenick, Kränzchen, u. d. g. m.

Darauf erfolgte endlich eine Antwort; und auch das nach langem Zögern. In der zweiten Nummer des Freihafens 1839 nämlich erschien ein Aufsatz von der russischen Grenze, ohne Unterschrift. Darin heißt es, Herr Melgunow sei in der Tat der Mitarbeiter Königs, er sei kein Pseudonym, sondern gehöre einer alten, russischen Familie an; sein Buch sei keinesweges in Russland verboten; dass man es aber nicht bekommen könne, habe man einzig und allein dem Betrieb von zwei bis drei Journalisten zu verdanken, die in demselben nicht geschont worden sehen*); Melgunow habe auf den Artikel der von Bulgarin redigierten Nordischen Biene nicht geantwortet, weil seine Antwort nicht habe im Druck erscheinen dürfen u. s. w. Am Schlusse des Artikels wird über das Melgunow-Königsche Buch Folgendes gesagt: „Darin ist Allen, worauf Russland stolz sein kann, die gebührende, verdiente Gerechtigkeit widerfahren. Alles aber, was dessen Literatur in Misskredit bringen kann, jeder unverdiente Erfolg, Alles, was dem Nationalgeschmack und Bildung verderblich sein kann, ist darin nach Gebühr gewürdigt, und kein nachdenkender und gebildeter Mann, der die russische Literatur kennt, wird sagen, dass in dem Buche des Herrn König ein guter Schriftsteller einen Platz unter den schlechten, oder ein schlechter unter den guten bekommen hat.“

*) Es ist wahr, dass das Buch des Herrn König in Russland nicht verboten ist. Wie kann aber der Betrieb der Journalisten dem Absatz eines Buchs hinderlich sein? Es ist ja bekannt, dass im Gegenteil Journal-Bemerkungen und Zänkereien die Verbreitung des kritisierten Werks befördern; aber Königs Buch hat bei uns nicht einmal der Kritik unterlegen; es ist über dasselbe nur der einzige oben angeführte Artikel in der Nordischen Biene erschienen, und dieser konnte dem Abgang desselben auf keine Weise Abbruch tun. Wer eine unrechtfertige Sache verteidigt, verfällt unwillkürlich in Widersprüche und Abgeschmacktheiten.

Dieser Aufsatz ward auch in Russland wiederholt. Im März oder April des vergangenen Jahres erschien am Schlepptau eines schwerfälligen Petersburger Journals ein federleichtes Broschürchen, unter dem Titel: „Die Geschichte eines Buches“, mit der Unterschrift N. Melgunow und mit einem Motto aus der Nordischen Biene: Sein wir gerecht, ihr Herren Literaten, scheiden wir die Kritik von der Persönlichkeit und geben wir zu, dass ohne Kritik die Literatur nicht gedeihen kann, so wenig als das Wachstum ohne Regen. Erinnern wir uns der Worte Krylows: „Nur künstliche Blumen scheuen den Regen.“

In dieser Broschüre bekennt Melgunow, an der Abfassung und Herausgabe des Werkes von König Teil genommen zu haben, und äußert am Schlusse, in der Kürze, Folgendes: „Zu Anfange des Jahres 1837 bat mich König, der den Wunsch hatte, seine Landsleute mit der Geschichte der russischen Literatur und besonders mit dem gegenwärtigen Zustande derselben bekannt zu machen, ihm mündlich einige Auskünfte und Gedanken darüber mitzuteilen; dazu fügte er andere aus Journalen, Blumenlesen, dem Lehrbuche des Herrn Gretsch *) u. s. w. geschöpfte Nachrichten, so wie auch das, was er aus Privat-Korrespondenz und aus Erzählungen Anderer zu ziehen vermochte. Auf diese Weise gehört die ursprüngliche Idee und die Abfassung des Buches, nach aller Billigkeit, ihm zu, aber nicht mir, noch irgend einem Andern. Ich aber, wie es Herr König in der Vorrede zu seinem Buche ausspricht, war zwar die vorzüglichste, doch bei weitem nicht die einzige Quelle, aus welcher Herr König seine Materialien geschöpft hat. Also habe ich Herrn König sein Buch nicht in die Feder diktiert, und Herr König hat nicht sklavisch meine Worte nachgeschrieben. . . . Das Buch des Herrn K., in welchem Deutschland und Europa zum ersten Mal die russische Literatur in einem organischen, lebendigen Bilde erblickt, hat mächtig die Ausländer zu unserer Sprache und Literatur hingezogen. Die literarischen Bilder Königs sind in mehrere Sprachen übersetzt; in Deutschland selbst zeigt sich schon das Bedürfnis einer zweiten Ausgabe, die, wie man hoffen darf, mit bedeutenden Berichtigungen und Verbesserungen herauskommen wird. — Eine solche Erscheinung müsste, sollte ich glauben, einen Jeden erfreuen, dem die Ehre des russischen Namens und der russischen Literatur am Herzen liegt. Es haben sich jedoch Leute gefunden, die von literarischem Parteigeist so sehr verblendet sind, dass sie den Herren König, Varnhagen und besonders mir allerhand nie geschehene Dinge aufbürden, und sich dabei Ausdrücke, Anspielungen und

*) Es ist bemerkenswert, dass die Verfasser der literarischen Bilder hier zum erstenmal eingestehen, Notizen aus meinem vor 18 Jahren gedruckten Versuch einer Geschichte der russischen Literatur entlehnt zu haben. Dieses Buch ist noch bis jetzt fast die einzige Quelle für Alle, welche über russische Literatur und die Geschichte derselben schreiben. Ein gewisser Herr Otto, preußischer Kosak, wie er sich nennt, hat es sich angeeignet, und aus dieser seiner Übersetzung haben unsere Siamesischen Zwillinge, König und Melgunow, geschöpft. Wenigstens macht doch Otto den von ihm benutzten Autor nicht herunter; diese Herren aber, welche sich gar nicht vorteilhaft über dieses Buch geäußert, gestehen jetzt, dass sie demselben Dank schuldig sind.

Beschuldigungen erlauben, auf welche ein sich selbst achtender Manu nicht antworten kann und nicht darf *)... Als ich Hrn. König das Recht gab, mich in der Vorrede zu nennen, handelte ich vielleicht unvorsichtig; aber wenigstens wird Niemand sagen, dass ich nicht gerade und offen zu Werke gegangen sei **). Die Verantwortlichkeit für das Buch des Herrn K. in seinem ganzen Umfange von mir ablehnend, und zwar mit Recht, sage ich mich doch keinesweges von den darin ausgesprochenen literarischen Meinungen über die Erzeugnisse der russischen Literatur los, selbst von denen nicht, die nicht von mir, sondern von Anderen herrühren mögen, und glaube, dass mit Ausnahme vielleicht einiger spezieller Bemerkungen, die allgemeine Charakteristik der Schriftsteller treu und der Wahrheit gemäß sei. Nirgends ist in diesem Buche ein guter Schriftsteller den schlechten zugesellt, oder ein schlechter unter den guten aufgeführt. Aus allem bis jetzt Gesagten muss man (?) schließen, dass die scharfen, ungerechten und unanständigen Urteile über mich und über das Buch des Herrn König aus der gereizten Eigenliebe von Menschen hervorgegangen sei, welche fürchten, eine gebührende Würdigung ihrer literarischen Bestrebungen dürfe ihren schwankenden und unverdienten Ruf stürzen, von Menschen, deren ohnmächtiger, weder vom Geschmack, noch dem Gefühle des Anstandet und noch weniger von erhabener und edler Gesinnung geleiteter Grimm ihnen den unreinen Gedanken eingibt, dass zur Erreichung seines Zweckes, d. h. zum Sturze des Gegners, jedes Mittel gut und erlaubt sei. Aber das Publikum, diese Gerichtsstelle, an die wir alle appellieren, hat seinem Rechte noch nicht entsagt, und seine gerechte Stimme wird früher oder später entscheiden, wer von uns Recht hat, — ich, oder meine Gegner.“ —

*) Wie sieht denn Herr Melgunow nicht ein, was er sich da aufbürdet? — Indem er jetzt auf jene Einwürfe antwortet, erklärt er ja geradezu, dass er sich selbst nicht achtet. Aus dieser und anderen Stellen seiner Replik muss ich die Folgerung ziehen, dass er sie nicht selbst geschrieben habe.

**) Straßenraub bei Tage und nicht bei der Nacht.


Nachdem ich diese Worte abgeschrieben habe, weiß ich nicht, ob ich unwillig werden, oder lachen soll! Herr Melgunow behauptet, dass er nur eine literarische Kritik der russischen Erzeugnisse geschrieben habe (geschrieben, diktiert, mitgeteilt, das kommt alles auf eins heraus). Wäre das der Fall gewesen, so hätte Niemand auf ihn zürnen können, Niemand hätte ihm sein Recht streitig gemacht. Allein ist das eine Kritik, wenn Jemand, nachdem er sein Vaterland verlassen, wo die Gesetze die persönliche Ehre des Bürgers gegen gedruckte Beleidigungen schützen, diesen Umstand benutzt, um Männer, die ihm nicht das Geringste zu Leide getan haben, Männer, denen er nach den Gesetzen der Ehre und seines Vaterlandes Achtung schuldig ist, zu verleumden, schlecht zu machen, im abscheulichsten Lichte darzustellen? Ist das eine Kritik, wenn er die gewissenhaften, wohlgemeinten und gemeinnützigen Bestrebungen von Schriftstellern, die in ihrem Vaterlande allgemeiner Hochschätzung genießen, herabwürdigt, um seine Bekannten, die nur ihm allein bekannt sind, zu verherrlichen, und er dadurch Nachteil und Schande über die vaterländische Literatur bringt*)? Mein Buch gehört dem Publikum; aber meine Persönlichkeit, meine Ehre, mein Familienleben, das sind Güter, die Niemand anzutasten wagen darf. — Weiter oben ist alles angeführt, was über Hrn. König und Hrn. Melgunow zur Verteidigung und Ehrenrettung der von ihnen Beleidigten gesagt worden ist: man hat diesen Herren niemals allerhand nie geschehene Dinge aufgebürdet, sich keiner ehrenrühriger Ausdrücke, noch Anspielungen, noch Beleidigungen bedient. Wo sind die scharfen, ungerechten und unanständigen Urteile einiger Journalisten über Melgunow und über das Buch Königs? — Wo der ohnmächtige, weder vom Geschmack, noch von dem Gefühle des Anstands und noch weniger von erhabenen und edeln Gesinnungen geleitete Grimm? Wo hat sich der unreine Gedanke gezeigt, dass zur Erreichung seines Zweckes jedes Mittel gut und erlaubt sei? In der Nordischen Biene ist das Urteil eines deutschen Journals wiederholt worden, dass es eine Schande sei, in einer fremden Sprache und außerhalb der Grenzen seines Vaterlandes seine Landsleute zu verleumden und mit Unglimpf zu bedecken, indem sich diese gegen dergleichen Verleumdungen und Anschuldigungen nicht verteidigen können; und dem ist nur eine Äußerung von Zweifel hinzugefügt, ob in der Tat wohl ein solcher Mensch existiere. In dem Hamburger Korrespondenten hat man Herrn Melgunow damit entschuldigt, dass er Herrn König wahrscheinlich habe mystifizieren wollen, indem er ihm Lügen über die russische Literatur vertraut habe. Wo ist da eine Beleidigung? Wo eine Verletzung der Gesetze des Geschmacks und des Anstandes? Wo ein Ausbruch von Groll und unreinen Gedanken? Und alles dieses bürdet seinen Gegnern ein Mensch auf, der sich nicht entblödet hat, Männer zu verleumden, die er, seinem eigenen Geständnis nach, nicht einmal von Ansehen kennt! Und er will seine Ansprüche geltend machen auf die Rechte eines literarischen Kritikers, will die Kritik von der Persönlichkeit geschieden wissen, und selbst gründet er sein Gebäude auf Lüge und Verleumdung. Haben wir, russische Schriftsteller, für die Förderung und den Ruhm unserer Literatur darum unser Lebelang gearbeitet, dass uns ein halbgeschulter Scribar, aus Verdruss über den Mangel an Teilnahme, den das russische Publikum seinen erbärmlichen Sudeleien schenkt, im Angesichte des gesammten Europas öffentlich beschimpft?

*) Nachteil und Schande. Den ungereimten Urteilen Melgunow's Glauben beimessend, haben sich einige deutsche Literaten veranlasst gefunden, die Schriften der von ihm gefeierten Autoren zu übersetzen. Sie wurden mit Kälte von dem deutschen Publikum aufgenommen; die Kritik aber schrieb, in der Voraussetzung auserlesene russische Erzeugnisse vor sich zu haben, die Gehaltlosigkeit der übersetzten Werke der Armut der russischen Literatur im Allgemeinen zu. (vid. Telegraph für Deutschland No. 16l. 1839)

Wenn Herr Melgunow die Wahrheit gesagt, wenn er dem Herrn König in der Tat nur literarische Auskünfte mitgeteilt hätte, so würde es ihm sehr leicht sein, sich zu rechtfertigen. Er brauchte ja nur öffentlich zu erklären: „Ich habe Herrn König unschädliche, Niemand beleidigende Notizen über die russische Literatur mitgeteilt; nun aber finde ich in seinem Buche Nachrichten und Angaben, die er entweder ausgedacht, oder von Anderen überkommen hat, aber nicht von mir. Diese Nachrichten und Angaben sind folgende: ... Ich erkläre diese für falsch, mich selbst aber unschuldig an ihrer Verbreitung; bitte jedoch meine Landsleute und das gesamte literarische Publikum, das deutsche, wie das russische, um Vergebung, dass ich mich mit einem Menschen eingelassen, welcher, unvermögend, Wahrheit von Lüge, Kritik von Verleumdung zu unterscheiden, meine gutgemeinte Arbeit entstellt und Personen, die zu beleidigen ich nie den Willen gehabt habe, Unannehmlichkeiten verursacht hat.“ Bevor H. Melgunow eine ähnliche Erklärung nicht drucken lässt, bevor er seinen Weizen von der Spreu Königs nicht sondert, so lange ist es erlaubt, ihn für den Autor des Buches zu halten, und ihn für den Inhalt desselben zur Rechenschaft zu fordern. Und dieses Rechts bediene ich mich jetzt im Angesicht des gesammten Publikums, mit meines Namens Unterschrift. Ich fordere Hrn. König, Melgunow und ihre ganze lügenhafte Sippschaft auf, mir auf die weiter unten folgenden Bemerkungen zu antworten, und sie durch jegliche Beweisführung, durch alle Vernunftschlüsse, die ihnen nur zu Gebote stehen, zu widerlegen. Ich beantworte vorläufig den einzigen Einwurf, der mir gemacht werden könnte, wenn man fragte, warum ich so lange geschwiegen, warum ich diese Lügenkritiker nicht früher entlarvt habe. Als der erste Ärger bei mir vorüber war, hielt ich dafür, die beste Antwort sei das Schweigen der Verachtung, nach dem Ausspruch Jesus Sirachs:

„Blasest du ins Fünklein, so wird ein großes Feuer daraus; speiest du ins Fünklein, so verlöscht es.“

Allein dieses Mal verlöschte es nicht; es loderte nur heller auf. Das Buch Königs, dem keine klare und öffentliche, auf Belege und Beweise gegründete Entgegnung widersprach, ward zur Autorität und zur Quelle für die Charakteristik der russischen Literatur und ihrer Schriftsteller. Aus diesem trüben, verpesteten Pfuhl schöpft man Notizen zu ernsten und schätzenswerten Werken. In dem Konversationslexikon der neuesten Literatur, Völker- und Staatengeschichte (Lpzg. 1839. Otto Wigand) steht die aus Lügen, Verleumdungen und Beschuldigungen zusammengeflickte Lebensgeschichte Bulgarins „nach Königs Worten und Melgunows Angaben,“ wie namentlich darin erklärt wird. Es ist Zeit, diesem ein Ende zu machen, Zeit, das ehrenwerte deutsche Publikum aus dem Irrtum zu ziehen und der Bosheit und Unwissenheit die Maske abzureißen. Plutôt tard que jamais! — Zur Sache.

Ich erkläre hiermit das Buch unter dem Titel: „Literarische Bilder aus Russland“ nicht für ein Bild, sondern eine Karikatur der russischen Literatur, ein Gemisch von Wahrheit und Lüge, von richtiger Würdigung und Verleumdung, welches in literarischer und wissenschaftlicher Hinsicht nicht der geringsten Aufmerksamkeit wert ist, indem es von den gröbsten und lächerlichsten Verstößen gegen die russische Geschichte, Geographie, reinen Geschmack und gesundes Urteil wimmelt, in welchem das Gute, das sich etwa darin findet, aus meinem Versuche einer Literaturgeschichte Russlands entlehnt, aber auch dieses in einem Meere von Ungereimtheiten und Widersprüchen ersäuft ist. Schlechte Schriftsteller, oder solche, die noch gar nichts herausgegeben haben, werden als große Geister ausposaunt, dagegen Andere, die des Wohlwollens und der Achtung des Publikums genießen, erniedrigt und in einem falschen Lichte dargestellt; viele Angaben sind entstellt, erdichtet oder gänzlich erlogen; andere, noch überdies mit Verleumdungen und den ungereimtesten boshaften Winken durchspickt. Dieses Buch ist keinesweges eine gewissenhafte Bestrebung zur Förderung eines hohen, gewichtvollen Ziels, sondern nur ein Beweis, welcher gewissenloser und niedriger Mittel die im Vaterland gebührend gewürdigte Talentlosigkeit sich bedient, um sich doch wenigstens im Auslande einen Flitterruhm zu begründen.

Wenn ich mir wollte beikommen lassen, alle Faseleien und Ungereimtheiten dieses Buchs zu widerlegen, so wäre ich gezwungen, ein anderes, noch einmal so dickes Buch zu schreiben und eine für mich zu kostbare Zeit zu opfern. Aus jeder besondern Art will ich einige Proben herausheben und meine Behauptungen in folgende drei Klassen abteilen.

Antiokh Kantemir (1708-1744), russischer Schriftsteller

Antiokh Kantemir (1708-1744), russischer Schriftsteller

Lew Graf Tolstoi (1828-1910), russischer Schrifsteller

Lew Graf Tolstoi (1828-1910), russischer Schrifsteller

Nikolaus Karamsin (1766-1826), russischer Schriftsteller und Historiker

Nikolaus Karamsin (1766-1826), russischer Schriftsteller und Historiker

Nicola Wassiljewich Gogol (1809-1852), russischer Schriftsteller

Nicola Wassiljewich Gogol (1809-1852), russischer Schriftsteller

Faddei Bulgarin (1789-1859), russischer Schriftsteller

Faddei Bulgarin (1789-1859), russischer Schriftsteller