Von Würzburg aus zog Gustav Adolf mit seinem Heere den Main hinunter

Von Würzburg aus zog Gustav Adolf mit seinem Heere den Main hinunter, stets auf die Bestärkung seiner Mannschaften bedacht. „Teilt Werbepatente ans, schreibt er im Dezember 1631 an General Banner, und bestimmt die Sammlungsplätze. Nehmt dabei weder auf Freunde noch Unfreunde Rücksicht, wenn ihr nur an Leuten euch verstärkt. Benützt dazu alle Mittel, sowohl bei Freunden als Feinden.“ *)

*) „Im Kriege sind alle Mittel moralisch“, schrieb Napoleon an seinen Bruder Joseph.


Als der König gegen Ende November 1631 sich der Reichsstadt Frankfurt näherte und vom Rat verlangte, dass er ihm „zum Besten des evangelischen Wesens“ die Tore öffne und eine Schwedische Besatzung aufnehme, weigerte sich der Rat und berief sich auf seine Pflichten gegen Kaiser und Reich; er bat, dass er wenigstens mit dem Kurfürsten von Mainz über die schwedischen Forderungen sich vorher besprechen dürfe, aber Gustav Adolf erwiderte: er selbst sei jetzt der Kurfürst von Mainz und könne eine ebenso kräftige Absolution wie der Prälat erteilen. „Ich sehe wohl, sagte er, ihr wollt mir nur den kleinen Finger reichen, aber ich will die ganze Hand.“ Und dabei deutete er auf die Mündung seiner Kanonen und der Rat hatte gehört, wie es in Würzburg ergangen. Durch die Not gezwungen, übertrug er dem Schweden die unbeschränkte Oberleitung des Krieges und versprach zu jeder Zeit nach dem Befehle des Königs schwedische Besatzung aufzunehmen und die Stadt für den König und die Krone Schwedens bis auf den letzten Blutstropfen zu verteidigen. Dann ergab sich Mainz am 23. Dezember und das schwedische Banner flatterte vom Mainzer Dom, zum Zeichen, dass das ganze Erzstift der Krone Schwedens gehöre. Die Stadt hatte keinen Widerstand geleistet, aber sie musste gleichwohl die Plünderung mit 80.000 Thalern abkaufen und außerdem musste die dortige Geistlichkeit 81.000 Thaler zahlen. „Wofern diese Summen, sagt Gustav Adolf, binnen kurzer Frist nicht entrichtet würden, so werde er die Stadt in einen Steinhaufen verwandeln.“ Vorläufig ließ er so viele Häuser zertrümmern, bis die Steine reichten, um sechs neue Bollwerke aufzuführen. Die Mainzer Bibliothek wurde, wie die zu Würzburg und Bamberg, eingepackt und nach Schweden geschickt, aber sie ging in den Wellen der Ostsee zu Grunde.

Gustav Adolf Stand nunmehr auf dem Gipfel seiner Macht, als anerkanntes Haupt des protestantischen Deutschlands. Mainz wurde der Sitz „der schwedischen Regierung“ aller bereits eroberten und noch zu erobernden Länder am Rheine und der Mittelpunkt aller fernern schwedischen Militär- und Staatsoperationen. Der König hielt in Mainz und Frankfurt kriegerischen Hof und man kann Seinen dortigen Aufenthalt mit dem Aufenthalt Napoleons in Erfurt vergleichen. Er war umlagert von den Gesandten fast aller europäischen Mächte, und vom deutschen Adel und von deutschen Kleinfürsten, denen er jetzt wie früher reiche Beute an Kirchengut zusicherte. So Schenkte er z. B. dem Landgrafen Wilhelm von Hessen-Kassel die Abtei Fulda, das Stift Paderborn und das Stift Corvey „eigentümlich und erblich“ für den ganzen Mannstamm von Hessen-Kassel, unter Vorbehalt des Rückfalls an Schweden. Herzoge von Mecklenburg Setzte er als Lehnsträger der Schwedischen Krone wieder ein und forderte ebenfalls von den Herzogen von Braunschweig den Eid der Treue. Auch der Winterkönig Friedrich V. hatte sich am Hofe eingefunden in der Hoffnung, Gusiao Adolf wurde ihm gemäß seiner früheren feierlichen Besprechungen die nunmehr eroberte Pfalz zurückgeben. Aber der König dachte nicht mehr an frühere Versprechungen. Als ihn der englische Gesandte im Namen des Königs Karl I. um Wiedereinsetzung des Pfalzgrafen bat, erwiderte er: es könne dies nur geschehen, wenn der König von England ihm, dem Schweden, zwölftausend Soldaten schicke, sie besolde und unter seinen unbedingten Oberbefehl stelle, sonst sei es vergeblich, wegen Wiedereinsetzung Friedrichs V. in ihn zu dringen. Später schrieb er dem Pfalzgrafen, dass er ihn nur restituieren könne, wenn er ihn, ,,den König für seinen Benefactorem erkenne, die zugestellten Lande von Niemand als ihm rekognosziere, darüber ihn seiner beständigen Treue und Holdschaft versichere.“ Der König wollte unbedingt über die Kräfte der Pfalz verfügen, die festen Platze besetzen und neue befestigen lassen, wobei die Untertanen Frohndienste leisten sollten; nur ihm allein, verlangte er, dürfe die freie Werbung zustehen, Friedrich dagegen dürfe nur mit seiner Einwilligung werben, er müsse während des Krieges sich der schwedischen Führung unumschränkt unterwerfen und nach beendigtem Krieg, also in Friedenszeiten, einen Teil des königlichen Heeres nach dem Beispiel der übrigen Fürsten unterhalten. Bei der letzten Forderung konnte der König doch nur an eine Friedenszeit denken, wo er selbst als Herr und Gebieter mitten im Reiche stand, wo die Reichskrone sein geworden, denn sonst hätte diese Forderung keinen Sinn.

Auch mit dem Kurfürsten von Brandenburg knüpfte Gustav Adolf in Frankfurt wichtige Unterhandlungen an. Er schlug dem kurfürstlichen Kanzler Götze, der im Hoflager erschienen war, eine Verehelichung des brandenburgischen Erbprinzen Friedrich Wilhelm mit seiner Tochter Christine vor. Der damals zwölfjährige Erbprinz sollte in Schweden im Luthertum erzogen und dann später zum Kurfürsten von Mainz und Herzog von Franken erhoben werden, dafür aber müsse Brandenburg zu Gunsten Schwedens auf Pommern verzichten. Aber der Brandenburger misstraute seinem schwedischen Schwager, der ihn früher schon um Land und Leute betrogen, die Unterhandlungen zerschlugen sich, angeblich wegen der Religion, und der Erbprinz ward später „der große Kurfürst“, der die Schweden vom deutschen Reichsboden vertrieb.

Das Herzogtum Franken, welches Gustav Adolf dem brandenburgischen Erbprinzen zusicherte, hatte er zuerst dem Herzog Bernhard von Weimar, dann dessen Bruder Wilhelm versprochen, und das mainzische Eichsfeld sagte er gleichzeitig letzterem und dem Herzog Georg von Lüneburg zu. schließlich behielt er Alles für sich. ,,Hinfüro wird es heißen, schrieb der weimarische Gesandte an seinen Hof, dass man ganz von Schweden dependiere“. So war es. Aber konnten sich die landesverräterischen deutschen Fürsten über Treubruch des Schweden beschweren, sie, die ihre dem Kaiser und Reich geleisteten Eide vergaßen und vom fremden Eroberer wie von einem Herrn über Deutschland und Städte begehrten! „Die eine Gewissenhaftigkeit, sagt der schwedische Geschichtsschreiber Geijer, entspricht hier der andern.“ Was immer aber Gustav Adolf in Deutschland tat, war stets von der Erklärung begleitet: es geschehe Alles lediglich um „die teutsche Freiheit“ zu retten.

Auch die Türken und Tataren sollten nach seinem Wunsche sich an der Rettung der deutschen Freiheit beteiligen. Wie er vor der Schlacht bei Breitenfeld dem Chan der Tataren eine bedeutende Geldunterstützung angeboten, wenn er mit seinen Horden in die Gebiete des deutschen Kaisers einbrechen wolle, so schickte er jetzt von Mainz aus einen Gesandten an den mit der Pforte verbundenen Fürsten Ragoczy von Siebenbürgen, um ihn zu einem Einfall in Ungarn oder Österreich zu bewegen und versprach, ihn bei allen Eroberungen, die er machen würde, zu schützen.*) Seine Freundschaft mit den Türken, die er gegen Habsburg aufreizte, war in Deutschland so wenig unbekannt, dass sie bei seinen eigenen Glaubensgenossen Bedenken erregte, aber er selbst rühmte sich dieser Freundschaft in einem Briefe an die Republik Polen, die er damals seinem Szepter zu unterwerfen hoffte. Als „Gustavus von Gottes Gnaden rechtmäßiger Herrscher der Ostsee“ warb er bei den polnischen Magnaten um die Königskrone und stellte ihnen, falls man ihn zum König erwähle, die Vereinigung Ungarns und Böhmens mit Polen in Aussicht. So maßlos waren seine ehrgeizigen Entwürfe zu derselben Zeit, wo er nach der deutschen Reichskrone griff.

*) Aus dem Lager bei Nürnberg schrieb der jüngere Camerarius, ein vertrauter Geheimsekretär Gustav Adolfs, an seinen Vater am 16. Juli 1632 „Von Ragoczy waren mehrere Eilboten hier, die wir mit Ermahnungsschreiben entließen. Man glaubt, er sei mit seinem Heere schon ausgebrochen, aber man kann sich nicht ganz auf ihn verlassen. Man gab Antwort ans sein Begehren und sandte sie dem Dr. Straßburger (dem Gesandten Gustav Adolfs bei der Pforte) nach Konstantinopel. Wenn es ihm wirklich Ernst ist, uns zu unterstützen und eine Wendung zu machen, kann er leicht Gelegenheit finden“. Am 7. Sept. aus Nürnberg: „Unter andern Gesandten, die beständig hierher kommen, sind auch tartarische. So wird bald Vieles zu berichten sein“. „Es ist eine merkwürdige Fügung in diesem Kriege, sagt Onno Klopp, dass weder Friedrich von der Pfalz, noch Christian von Dänemark, noch der Schwede Gustav Adolf, noch die Spätern es vermocht haben die Türken zur tätigen Teilnahme an diesem Kriege gegen das deutsche Reich, die Nation und die menschliche Kultur zu bewegen. Nicht an diesen drei Fürsten hat es gelegen, dass nicht Deutschland zu einem Tummelplatz der Türken ward. Sie haben dazu nach Kräften gearbeitet“.


Hatte er sich in Halle und Halberstadt usw. und dann im „Herzogtum Franken“ huldigen und schon von Mainz aus Schriften veröffentlichen lassen, worin er sich, „weil er das Reich vom Untergang errettet“, der Krone würdig und für sie berufen erklärte, so enthüllte er seine eigentlichen Pläne immer mehr s weiteren siegreichen Zügen in Süddeutschland. Im Juni 1632 schickte er von Nürnberg aus einen Gesandten an den Kurfürsten von Sachsen mit dem Antrag: „die Evangelischen bedürften durchaus eines Kaisers von ihrer Religion und der Kurfürst solle ernsthaft daran gehen, dass der König hierzu erwählt werde; Ferdinand II. habe sich durch Übertretung der Reichsgesetze selbst der Kaiserlichen Würde verlustig gemacht.“ Und den Patriziern von Nürnberg sagte Gustav Adolf: „Er könne sich, was seine Belohnung beträfe, nicht wie ein hergelaufener Soldat mit dem Solde von etlichen Monaten abspeisen lassen. Man werde es billig finden, dass er die den Papisten abgenommenen Orte, als Mainz, Würzburg usw. für sich zu behalten gedenke und über die an die Protestanten zurückerstatteten Länder, wie Mecklenburg, oberlehnsherrliche Rechte begehre; Pommern könne er schon wegen besonderer Absichten nicht lassen, nämlich wegen der See, die alte Reichsverfassung tauge nicht mehr, es müsse ein festes Bündnis der Evangelischen mit einem tüchtigen Haupte aufgerichtet werden.“ Als die Nürnberger erwiderten, sie „wüssten kein besseres Haupt als ihre Majestät von Schweden“, da bedeutete ihnen der schwedische Geheimschreiber Sattler: dass Gustav Adolf „sich mit einem so beschränkten Einfluss im Reich, wie der Kaiser bisher gehabt, nicht begnügen könne. Wenn der König mit der Zeit zum Kaiser gewählt werden wolle, so werde er die im Reich gewöhnliche Kapitulation nicht beschwören.“ Diese Sprache war deutlich. Gustav Adolf wollte ein erbliches und zwar unumschränktes Kaisertum, dessen Hauptgrundlage der Besitz der säkularisierten geistlichen Territorien und der Besitz der Reichsstädte sein sollte. Schon legten die Bürger der Reichsstadt Ulm in die Hände des Schwedischen Befehlshabers den Untertaneneid ab und die Bürger der Reichsstadt Augsburg Schwuren den kräftigen Eid: „dem großmächtigsten Fürsten und Herrn Gustav Adolf, unserm aller gnädigsten König und Herrn und der Krone Schweden getreu, hold, gehorsam und gewärtig zu Sein und Alles zu tun, was getreuen Untertanen ihrem natürlichen Herrn zu tun und zu leisten obliegt.“ Überall handelte der König nach seinem Grundsatz: „Wenn ich Sieger bin, so sind die Deutschen meine Beute.“

Aber kann man glauben, dass es ihm, hatte er länger gelebt, wirklich gelungen sein würde, ein schwedisch-protestantisches Kaisertum in seinem Sinn zu errichten? Nicht bloß die Macht des Kaisers und der katholischen Fürsten war ihm im Wege, sondern es stand ihm auch ein Kampf auf Leben und Tod mit seinen ,,Freunden“ bevor. Darum bekannte Gustav Adolf - wie Oxenstierna später im Reichsrat sagte - „kurz vor Seinem Tode, er wünsche nichts Anderes, als dass Gott ihn möchte von hinnen rufen, weil er einen Krieg mit seinen Freunden ihrer großen Untreue wegen entstehen sähe.“ Zu diesen ,,Freunden“ gehörte zunächst Kardinal Richelieu, der den siegreichen „Gothen“ mehr als den deutschen Kaiser selbst zu fürchten begann. Richelieu drohte bereits dem Schweden mit Krieg, ließ dem Kurfürsten von Sachsen vorstellen, „wie die Würde der protestantischen Kurfürsten die schmachvolle Knechtschaft Schwedens sich nicht gefallen lassen könne“, und nahm durch den Reichsverrat des Trierer Kurfürsten bereits eine feste Stellung im Reiche ein. Ferner gehörten zu diesen „Freunden“ die höhere protestantische Aristokratie und die Kleinfürsten, die beim Schwedenkönig zum Bettel gegangen, denen er aber im Lager zu Nürnberg im Juni 1632 zurufen musste: „Ihr Fürsten, Grafen, Herren und Edelleute, ihr seid’s, welche die größte Untreue am eigenen Vaterlande beweisen, ihr zerstöret, verderbet, verheeret dasselbe. Ihr Obersten, ihr Offiziere, vom Höchsten bis zum Niedrigsten, keinen ausgenommen, ihr seid diejenigen, welche stehlen und rauben, ja ihr bestehlet euere eigenen Glaubensgenossen , ihr gebt mir Ursache, dass ich einen Ekel an euch habe. Gott, mein Schöpfer, sei mein Zeuge, dass mir das Herz in meinem Leibe gällt, wenn ich euerer Einen nur anschaue.“ Wäre Gustav Adolf wirklich Kaiser geworden, so würde er kein Bedenken getragen haben „die Schmarotzerpflanzen am Lebensbaum des deutschen Volkes zu tilgen“ d. h. jenen deutschen Kleinfürsten den Garaus zu machen, welche sich reichsverräterisch, länder- und beutegierig ihm, dem fremden Eroberer, gegen ihren Kaiser und Herrn angeschlossen hatten und dafür von ihm selbst bereits mit verdienter Verachtung bestraft wurden. Aber der Kampf mit diesen Kleinfürsten wäre keine leichte Aufgabe gewesen. Sie begannen schon zu revoltieren,*) weil es ihnen beschwerlich wurde, „von Schweden abzuhängen“ oder weil die erhaltene Beute ihnen nicht ausreichend schien oder weil der Schwede sie um die gemachten Versprechungen betrog, und Richelieu hatte sie mit neuer Lockspeise ebenso schnell für Frankreich gegen Schweden gewonnen, wenn es zwischen ihm, der sich einen „Befreier“ Deutschlands nannte und zwischen Gustav Adolf, der ebenfalls die ,,deutsche Freiheit“ schützen zu müssen vorgab, auf deutschem Boden zum Kampfe gekommen wäre. Und die unglücklichen deutschen hätten nach wie vor grauenhaft gelitten.

*) „Er wünsche, ließ in späteren Jahren Oxenstierna erklären, Schweden hätte sich nie in die deutschen Angelegenheiten gemischt, denn schon dem König hätten Viele übel gedient, und wäre dieser länger am Leben geblieben, so würden wahrscheinlich etliche hohe Häupter über die Klinge haben springen müssen.“ Oxenstierna behandelte die deutschen Fürsten und Grafen mit noch größerer Verachtung als der König; wie Heiducken umgaben deutsche Fürsten und Grafen den Wagen des Schweden und reichten mit entblößtem Haupte dem Schweden das Wasser zum Waschen dar.

Was hatte den Deutschen nicht jetzt schon der schwedische Eroberungszug gekostet! Unsere bisherige Darstellung gibt dafür genugsame Belege, aber wir müssen doch noch zum bessern Beweis uns nach neuen unverdächtigen Zeugnissen umsehen, und deshalb einen Rückblick auf die Kriegsführung Gustav Adolfs werfen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gustav Adolf in Deutschland