Abschnitt 9

  ad 1) außer Darmstadt, woselbst die jüngste Prinzessinn des regierenden Herrn LandGrafen und eine Prinzessinn des Prinzen Georg Durchl. zur Wahl stehen, sie nur die Prinzessinn des in Mecklenburg so bekannten Prinzen Eugene von Würtemberg, 14) eine bald 15jährige Prinzeßinn von Hildburghausen und allenfalls zwey Prinzeßinnen von Sachsen-Meinungen nahmhaft zu machen wissen, von welchen letzteren jedoch die eine schon zwey- und zwanzigjährig, mithin fast zu alt, und die andere erst zwölf-jährig, also noch zu jung ist.

  ad 2) können die Unterschriebenen, aus der von Ihro Herzogl. Durchl. selbst angeführten sehr gegründeten Ursache nicht anders in Unterthänigkeit anrathen, als daß die von des Prinzen Durchl. in solcher Absicht anzustellende Reise je eher je lieber geschehen möge.


  3) In Ansehung der gnädigst vorgelegten Frage: ob der jüngsten Prinzessin von Hessen-Darmstadt Durchl. bereits engagiret sind oder nicht? beziehen Unterzeichnete sich auf die hiebey liegenden der Prinzessin Cnarlotte Durchl. schon mitgetheileten Extracte einiger Briefe des Geheimen Justitz-Raths von Schröder.“

Von diesen Briefen lautet der eine vom 23. September:

  “Geruhen Ew. Exlentz sich zu erinnern, daß ich mich einstens nach der Durchl. Prinzessin von Hessen-Darmstadt habe erkundigen müssen, und daß HöchstDieselbe derzeit durchaus nicht heyrathen wollten.

Gestern aber hat der Herr Geh. Rahts-Praesident von Moser mir per D num Subdelegatum Darmstadinum im Vertrauen zu verstehen geben lassen, daß besagte Durchl. Prinzessin jetzt, nach dem Ableben der in Gott ruhenden Frau Mutter, 15) anders gesonnen sey, und gerne von Darmstadt entfernet seyn wollte; jedoch in Hinsicht auf eine Mariage geeilet werden müste, falls etwa mein Durchlauchtigster Candidat nicht anders wohin sein Augenmerk gerichtet hätte.

Ew. Excellence dieses ohne Verzug zu melden, erachte ich mich nach meinen Pflichten, und nach meinem patriotismo, verbunden, und ich glaube, daß die jetzige Wirthschaft des regierenden Herrn LandGrafens nicht wenig dazu beyträgt, daß die Durchl. Prinzessin auf andere Gedanken gekommen ist.“

Unterm 4. Oktober meldet dann Schröder den Empfang eines Briefes von Moser, der „alle mögliche Beeilung wünsche, damit nicht ein tertius interveniens ihme und uns einen Qveer-Strich mache“, und am 14. Oktober schreibt er: „Die Durchl. Prinzessin quaest. soll von überaus schönen Hertzen und Gemüht seyn . . . Hingegen soll des Printzens Georg Durchlauchtigste Tochter eine blendende Schönheit seyn, und von dem in Petersburg sich aufhaltenden Herrn Erb-Printzen von Darmstadt sehr verehret werden. Fällt die Wahl unsres Durchl. Candidaten auf jene: so ist es möglich, daß wir durch diese Mariage, und durch Vorsprache von Rusland, unsere Preussischen Aemter vielleicht wieder bekommen, welche uns sonsten wohl schwerlich wieder restituiret werden dürften.“

Am 9. November wurde den Geheimen Räten mitgeteilt, daß der Prinz seine Reise „nach Darmstadt etc., wenn sonst keine Behinderungen eintreten, auf den nechsten Montag vestgesetzet“ habe. Wie sich der Prinz aus dieser trotz der gebotenen Eilfertigkeit doch sehr sorgsam vorbereiteten Reise „nach der dabey obwaltenden Absicht zu benehmen haben mögten“, darüber unterbreiteten die Geheimen Räte dem Herzoge ein vom 11. November datiertes „ohnmaaßgebliches Erachten“. Diesem zufolge sollte die Reise, um Celle, Hannover und Braunschweig zu vermeiden, „am füglichsten mit Beobachtung des genauesten Incognito“, über Magdeburg, Halberstadt, Duderstadt, Cassel, Marburg, Gießen und Butzbach nach Frankfurt gehen. Spätestens nach Frankfurt habe Schröder zuverlässige Nachricht über den Stand der Dinge in Darmstadt gelangen zu lassen. Sei wider Erwarten die Prinzeß LouiSe schon versagt, so möge der Prinz zurzeit gar nicht nach Darmstadt, sondern unmittelbar zum Besuch der herzoglich sächsischen Höfe gehen und allenfalls auf der Rückreise nach Mecklenburg, wenn die Verlobung der Prinzessin deklariert sei, die Homburgscheu Herrschaften und den Darmstädter Hof besuchen, um die Tochter des Prinzen George dort zu sehen. Sei hingegen in Darmstadt die Prinzeß Louise noch unversprochen, so möge die Reise dahin unverzüglich fortgesetzt werden, „und wenn dann der Durchl. Prinz, nach einigem Umgang, Neigung zu der Prinzeßinn Louise fänden, auch davon, daß Selbige Ihnen nicht abgeneigt wären, vermuthen könten: so deconvriren Höchst Dieselben Sich deshalb gegen den Geheimen Raths-Präsidenten von Moser, oder, Wem sonst in Darmstadt, nach dem Erachten des Geheimen Justitz-Raths von Schröder, dieses mit Zuverläßigkeit geschehen kann, gäben Ihre Intention vertraulich zu erkennen, und ersuchten um eine gleich vertrauliche Eröfnung, ob derselbe glaube, daß Sie die Hand der Prinzeßinn wohl zu hoffen hätten? Fügeten aber auch hinzu, daß Sie, vor weiteren förmlichen Anträgen, Ihrer Durchl. Eltern Consens, an welchem Sie jedoch nicht zweifelten, erbitten würden, und bäten nur, daß während der hiezu erforderlichen mäßigen Zeit, kein anderes Engagement genommen werden mögte. In diesem Falle ertheileten der Durchl. Prinz Ihro Hochfürstl. Eltern und Sr. regierenden Herzogl. Durchl. sogleich aus Darmstadt von Ihro Höchsten Neigung zu dem Ende Nachricht, damit von hieraus diese Vermählungssache, mit der dabey glaublich wohl nöthigen Beschleunigung weiter eingeleitet werden könnte und sodenn gingen HöchstDieselben, wenn Sie Sich nach höchstem Gefallen einige Tage in Darmstadt aufgehalten, von da zum Besuch des Homburgschen, auch der übrigen verwandten Höfe weiter. Gefielen HöchstDenenselben aber die Durchl. Prinzeßinn Louise nicht, oder Sie erführen, daß HochDiese keine Neigung zu Ihnen hätten: So hielten HöchstDieselben Sich an diesem Hofe gar nicht auf, sondern verminderten dadurch, daß Sie nur gleichsam durchpaßireten, den Schein einer fehlgeschlagenen Bewerbung nach äußerster Möglichkeit . . .“

Am folgenden Tage, dem 12. November, legten die Geheimen Räte dem Herzog ein eben eingegangenes, nicht zu den Akten liegendes Schreiben Schröders vor und bezeugten „zugleich submissest ihre Freude über die darin enthaltene Nachricht, daß allso bisher noch nichts versäumet und der Weg zu der Durchlauchtigsten Prinzeßinn Louise zu Darmstadt, auf welche halb Europa das Augenmerck mit vorzüglicher Aufmerksamkeit richtet, dem Durchlauchtigsten Prinzen noch eben so gut offen ist, als der zu den anderen protestantischen Prinzeßinnen . . . Sie müßen den vorhin von ihnen namhaft gemachten protestantischen Prinzeßinnen noch die von Sachsen-Gotha hinzufügen, aber auch dabey bemerken, daß derselben Frau Mutter eine Gräfinn von Reuss sey.“




14) Der Prinz (später Herzog) Friedrich Eugen von Württemberg, einer der Feldherren Friedrichs d. Gr., befehligte während des Siebenjährigen Krieges zeitweilig die preußischen Truppen in Mecklenburg.
15) Die Landgräfin Caroline war am 30. März 1774 gestorben.