Abschnitt 8

Bald darauf, im November, trat der Prinz eine Reise Zunächst nach Darmstadt und Karlsruhe an - eine Reise, die den Abschluß längerer, seine Vermählung bezweckender Verhandlungen zu bilden bestimmt war. Schon am 10. Januar 1774 richteten die Geheimen Räte ein diesen Gegenstand betreffendes Promemoria an den Herzog:

„Ihro Herzogl. Durchl. ist vielleicht nicht unbemerkt geblieben, daß in einigen öffentlichen Zeitungs-Blättern der jüngsten Prinzeßinn von Hessen-Darmstadt Durchl. vor einiger Zeit für den Durchlauchtigsten Prinzen zu Sachsen-Meynungen, nun aber in den jüngsten Zeitungen für des Herzogs von Sachsen-Weimar Durchl. zur künftigen Gemahlinn habe bestimmet werden wollen. Ersteres schien bey den bekannten sehr mäßigen Umständen des Herzogl. Hauses Sachsen-Meynungen, eben nicht glaublich. Letzteres mögte sich zwar eher glauben, jedoch vielleicht auch aus der Ursache bezweiffeln laßen, weil des Herzogs zu Sachsen-Weimar Durchl. erst wenig über 16 Jahre alt und jünger, als die Durchlauchtigste Prinzeßinn Louise zu Darmstadt sind.


Fast stehet aus dieser Variation der Zeitungsschreiber zu schließen, daß beide Nachrichten wenigstens noch keine völlige Gewißheit für sich haben: und dadurch ist bey den Unterzeichneten der ganz ohnzielsetzliche treu-devoteste Gedanke veranlaßet worden: Ob es nicht zu wünschen seyn mögte, daß Höchstgedachte Durchlauchtigste Prinzeßinn, nach Verlauf einiger Jahre, des Prinzen Friederich Franz zu Mecklenburg Durchl. zu Theil würden?

Diese Durchlauchtigste Prinzeßinn sind noch etwas weniges jünger als der Durchlauchtigste Prinz 10) und, nach der Unterzeichneten geringen Einsicht, könnte sich ein Prinz von Mecklenburg schwerlich beßer verbinden, als wenn des Rußischen Kaysers und des Königs in Preußen Mayst. Mayst. seine beiden Schwäger wären. 11) Alsdenn dürfte man, unter dem einigen Beding eines eigenen wirthschaftlichen und klüglichen Benehmens, sowohl wegen der vier detinirten Aemter als wegen anderer Vortheile, und, mit göttlicher Hülfe, vielleicht wegen dereinstiger Gelangung zur Chur-Würde, für das Herzogliche Haus, fast unbesorgt seyn.

Des Prinzen Friederich Franz Durchl. haben der Durchlauchtigsten Frau Landgräfin bey Ihrer Durchreise durch die hiesige Herzogl. Lande 12) sehr wohl gefallen. Woferne noch res integra ist, bekommen des Prinzen Durchl. gewiß vor allen Rivals den Vorzug: und ob noch res integra sey? Das stünde durch einen einzigen Privat-Brief gleich zu erfahren, wenn Ihro Herzogl. Durchl. dazu gnädigsten Befehl zu ertheilen geruheten.“

Herzog Friedrich pflichtete der Meinung seiner Räte vollkommen bei und beauftragte am 12. Januar den Geheimen Rats-Präsidenten, „die Nachricht, ob noch res integra sey, so bald als möglich einzuziehen“. Darauf hin richtete der Graf Bassewitz unterm 17. Januar ein Vertrauliches Schreiben an den mecklenburgischen Reichskammergerichtsprokurator, den Geh. Justizrat Joachim Heinrich v. Schröder in Wetzlar, in dem er ausführte: „Dieselben wißen, auf wie schwachen Füßen unser Herzogliches Haus stehet. Des Prinzen Friederich Franz Durchl. sind der einzige, von dem wir, nächst Gott, die Fortpflanzung deßelben zu hoffen haben. Sie gehen ins 18 te Jahr und müßen, nach meinem treu-devotesten Wunsch, in Zeiten auf Ihres Berufes Erfüllung denken. Unter allen Prinzeßinnen, auf welche HöchstDieselben Ihr Augenmerk richten könnten, verdienet, meines geringen Erachtens, die jüngste Durchlauchtigste Prinzeßinn zu Hessen-Darmstadt den Vorzug. Der Durchlauchtigste Prinz haben Gelegenheit gehabt, hochgedachte Durchlauchtigste Prinzeßinn . . . persönlich kennen zu lernen und waren schon damals von Höchstderselben äußerst eingenommen; So wie ich hingegen auch zu vernehmen Gelegenheit gehabt habe, daß die Durchlauchtigste Frau Landgräfin von der Person unseres Durchlauchtigsten Prinzen sehr gnädig und günstig geurtheilet haben sollen.“ Indessen gehe das Gerücht um, die Prinzessin sei bereits versagt; Schröder möge sich daher „auf das baldigste und genauere erkundigen: Ob meine Furcht oder Hofnung gegründeter sey?“ Am 29. Januar erwiderte Schröder: „Wegen der Prinzessin Louise Durchl. soll binnen 8 Tagen die zuverlässigste Nachricht erfolgen, indem ich die besten Canäle zu Darmstadt habe“ und meldete am 5. Februar: „Mit Zuverlaß kan ich nunmehro berichten, daß die Durchl. Printzessin Louise von Darmstadt noch nicht versaget ist. Es haben verschiedene Höfe Ihrenthalben bereits sondiren lassen; aber zur Antwort erhalten, daß die Printzessin noch bisher zu einer Vermählung sich nicht entschliessen wolle, sondern den ledigen Stand zu praeferiren scheine. Eine gleiche Antwort hat der Herr Geheime-Raths-Praesident von Moser erst vor 14 Tagen dem Minister eines Königlichen Hofes schriftlich ertheilet. Bey der Reise nach Petersburg ist von Ihr die Declaration geschehen, daß Sie nimmer daselbst bleiben, und sich verkaufen lassen würde. Man hält sich inzwischen versichert, daß die Abneigung zum Ehe-Stand bald überwunden seyn werde, wann nur jemand kommt, dessen Persohn und Umgang ihr gefällt . . . .“

Inzwischen hatte Herzog Friedrich mit der Prinzessin Charlotte „wegen etwaniger künftiger Vermählung des Printzen Friederich Frantz Durchl. mit der jüngsten Printzessin von Darmstadt gelegentlich gesprochen“ und dabei vernommen, „daß die beregte Printzessin von äußerst capricieusen Humeur seyn sollen, welches sich bey dem Humeur des Printzen Friederich Frantz Durchl. nicht nur nicht paßen, sondern auch für Höchst-Dieselbe das größeste Unglück seyn mögte“. Deshalb befahl der Herzog am 1. Februar, daß die unterm 12. Januar „bewilligte anzustellende Erkundigung nur bloß dahin gerichtet seyn mögte, wie weit die aus den öffentlichen Leitungen bekandt gewordene Verbindung gegründet sey, ohne daß sich das mindeste weiter daraus folgern laße.

Dann verging ein halbes Jahr ohne daß der Angelegenheit wieder Erwähnung geschähe. 13) Erst am 4. November gelangte ein Promemoria an die Geheimen Räte: „Serenissimus halten es für nothwendig auf die Vermählung des Printzen Friederich Frantz Durchl. nunmehro in etwas mehr, als bis anhero geschehen ist, bedacht zu seyn, und zu dem Ende HöchstIhnen mit einigen convenablen Gegen-Ständen wozu aber eine anzustellende kurtze Excursion erforderlich seyn würde, bekandt zu machen. Serenissimus erwarten dahero Ew. Exellence Erachten bald möglichst darüber in Gnaden 1) An welchen Höffen sich des Prinzen Ffriederich Frantz Durchl. wohl zu wenden hätten? 2) Wie bald die Reise anzustellen sey? damit Ihnen Niemand zuvor käme, und 3) Ob die jüngste Printzeßin von Hessen-Darmstadt Durchl. bereits engagiret sey, oder nicht?“

Citissime erfolgte die vom 5. datierte Antwort:

  “Ihro Herzogl. Durchl. gnädigsten Befehl vom gestrigen dato haben die Unterzeichneten heute Abends gegen 7 Uhr ehrerbietigst entgegen genommen: Und wie Unterschriebene devotest sich nicht entbrechen können, über die darinn geäußerte Höchste Herzogliche Entschließung, auf die Vermählung des Prinzen Friederich Frantz Durchl. nunmehro in etwas mehr, als bis anhero geschehen, bedacht zu seyn, ihre herzliche Freude hiedurch treu-devotest zu bezeugen, so erwiedern sie auf die ihnen zum unterthänigsten Erachten huldreichest vorgelegte Fragen ehrerbietigst: Wasmaaßen




10) Prinzeß Luise war am 20. Januar 1757 geboren.
11) Von den Schwestern der Prinzessin war die eine, Friederike Luise, seit 1769 mit dem Kronprinzen, späteren König Friedrich Wilhelm II. von Preußen vermählt, eine andere, Wilhelmine, seit 1773 Gemahlin des Großfürsten, späteren Kaisers Paul von Rußland.
12) Als die Landgräfin Karoline mit ihren Töchtern Amalie, Wilhelmine und Luise 1773 nach Petersburg ging, um sie der Kaiserin Katharina vorzustellen, nahm sie ihren Weg von Berlin über Ludwigslust nach Travemünde, wo sie sich am 8. Juni einschiffte.
13) Zu dem folgenden vgl. H. Heidenheimer, „Die Verlobung und Vermählung der Prinzessin Louise von Hessen-Darmstadt mit dem Herzoge Karl August von Sachsen-Weimar“, im Archiv für Hessische Geschichte und Altertumskunde. N. F. 1. Bd. (Darmstadt 1894) S.453 ff. Ferner: El. v. Bojanowski, „Louise Großherzogin von Sachsen-Weimar und ihre Beziehungen zu den Zeitgenossen“ (Stuttgart u. Berlin 1903) S. 46 ff.