Abschnitt 6

„Wir haben gelesen und wohl erwogen, was ihr auf Unser Rescript vom 21. October in eurer Vorstellung vom 27. v. M. unterthänigst erwidert habt. Unsere Gesinnungen in dieser Angelegenheit sind noch dieselben, die Wir euch in gedachtem Rescript geäussert haben. Entfernt von Vorwürfen und Anschuldigungen gegen euch, wollen Wir in Gnaden alles in Vergessenheit stellen, was uns mit eurem Official-Benehmen in dem letzten Jahr aus dem guten Grunde unzufrieden gelassen hat, weil Wir das wahre in der sorgfältigsten Erziehung gegründete Wohl Unsers Neveu des Prinzen Friederich Frantz Lbd. allen anderen NebenBetrachtungen vorziehen. Ihr aber habt bey dieser Unserer Versicherung weiterer zu Unsrer Verunglimpfung aller Orten ausgestreuten Beschwerden über Unsre angeblich gegen euch bewiesene Härte und über den Mangel einer legalen Untersuchung, die bey dem besten Ausgange für euch dennoch gewis nicht ganz ohne Nachtheil gewesen seyn mögte, von nun an euch gänzlich zu enthalten. Daß ihr Monathe lang den Prinzen von Geneve entfernet und zum einzigen Umgange mit der Diodatischen Familie auf dem Lande eingeschränkt habt, ohne Uns in euren sonst der kleinsten NebenDinge erwähnenden Berichten diese eigenmächtig vorgenommene Veränderung obliegentlich anzuzeigen, daß ihr, bey der vorhin in euren Berichten mehrmalen geäusserten Überzeugung von der herrschenden Neigung des Prinzen zum andern Geschlecht, welche alle nur mögliche Beseitigung der eine solche praematurirte Neigung nur irgend begünstigenden Umstände euch zur Pflicht machte, ihm nicht nur ein öffentlicher Vorgänger in der Liebe gegen die eine von den Töchtern des Herrn Diodati geworden seyd, sondern zu einer andern Diodatischen Tochter, 8) so wenig Uns davon Anzeige gemacht, als auf die möglichste Entfernung des Prinzen von solchen Gegenständen mit Ernst Bedacht genommen habt, daß ihr der bey eurem Engagement euch zur besonderen Obliegenheit gemachten besonderen persönlichen Aussicht euch durch fleißige Besuche bey der Diodatischen Familie [: welcher Wir hiebey gar nichts zur Last legen :] zu offt, und, geständlich, selbst bey Vorkommenheiten entzogen habt, da mehre außerordentliche Extravagances des Prinzen eure Gegenwart und Vorstellungen am meisten erforderten; daß ihr, ohne einige Rücksicht auf die etwanigen Folgen für den Prinzen den fast alleinigen Umgang eines Mannes gewählet habt, der, ob er gleich als ein reformirter Prediger die Pflicht übernommen, diese Religion als die wahre zu lehren, doch dabey, wie ihr mit diesen dürren Worten schreibet, so wenig ein Calvinist als ein Lutheraner seyn will, das verwirft, was, seiner Meinung nach, Calvin irrig gelehret hat, und hingegen das annimmt, was Luther ihm richtig gelehret zu haben scheinet. Diese und andere dergleichen in euren eigenen Berichten sich findende Umstände sind wohl nicht von der Beschaffenheit, daß Wir darüber eine befriedigende weitere Rechtfertigung Von euch erwarten könnten, oder ihr Unsere Approbation darüber zu hoffen hättet. Übersehen wollen Wir indessen das alles in Gnaden, wie auch Unser voriges Rescript schon versichert, ohne euch deshalb ein weiteres Misvergnügen empfinden zu laßen. Und es ist nicht Unsere Schuld, wenn die euch, bey dieser Lage der Sache, nachsichtsvoll ertheilete Erlaubniß, um eures Gesundheits-Zustandes und eurer dortigen Ehe-B Leuten gegebene üble Wendung irgend eine nachtheilige Folge für euch solte gehabt haben.“ Zum Schluß erklärt der Herzog, daß er bei der Kündigung auf Ostern 1772 beharre, und wiederholt die Versicherung, daß Usedom bis dahin sein volles Gehalt und volle Defrayieruug behalten, von da ab eine Pension von 1000 Rthlr. N2/3 in Quartalraten beziehen solle, sowie den Befehl, alle Korrespondenzen auszuliefern. „In Ansehung dieser getreulich auszuliefernden Correspondence können und werden Wir wegen derjenigen, die seit des Prinzen Abreise geführet worden, keine Ausnahme einräumen.“

Dieses Reskript muß auf Usedom einen gewaltigen Eindruck gemacht haben, denn er, der sich bisher in der Rolle des zu Unrecht Beklagten gefallen hatte, schrieb von Genf aus am 11. Februar 1772 an den Herzog einen de- und wehmütigen Brief: „Nun hat endlich die Verblendung ein völliges Ende und ich kann mich folglich nicht länger enthalten, Ww. Herzogl. Durchl. in Demuth zu bekennen, daß die in HöchstDero letztem gnädigen Rescript mir gemachte Reproche, in dem letzten Jahre nicht das wahre in der sorgfältigsten Erziehung gegründete Wohl des Durchl ten Prinzen allen andern Neben - Betrachtungen vorgezogen zu haben, mich in ihrer völligen Stärke trifft. Wie sehr bedaure ich es, Gnädigster Herzog, dieses nicht eher eingestanden zu haben! Immer durch unrichtige Gründe unterstüzt, durch falschen Schein geblendet, wagte ich es sogar in meinem lezten unterthänigem Berichte auf eine Commission zu dringen, vor welcher ich doch nie mit gutem Gewissen würde erscheinen können, wenn ich gleich vor einem weltlichem Gerichte weit mehr zu meiner Rechtfertigung würde vorbringen können, als man vielleicht glauben mag. Was würde mich aber dieses helffen, wenn das Urtheil meines Gewissens mich nicht zugleich freyspräche! Ach, Gnädigster Herzog, ich habe mich sehr in der Irre herumtreiben lassen, ich habe gesündiget, und so wol Ew. Herzogl. Durchl., als Gottes Zorn verdienet. Werden auch Ew. Herzogl. Durchl. sich noch entschliessen können mir alle meine Fehltritte zu verzeihen? Ich darf es hoffen, weil auch Ihnen Barmherzigkeit wiederfahren ist. Möchte ich doch hiemit alles das auch wieder gut machen können, was ich durch meine Unklugheit und Halsstarrigkeit versehen. Das stehet aber nicht in meiner Gewalt, doch darf ich es noch von der unendlichen Güte Desjenigen hoffen, der allein die üblen Folgen der menschlichen Thorheiten abzuwenden vermögend und in Gnaden bereit ist. Ich weiß nicht, Gnädigster Herzog, was die Folge meines lezten vermessenen Schreibens mag gewesen seyn, doch sey dem wie ihm wolle, so stelle ich hiemit mein Schicksahl ganz von neuem in Ew. Herzogl. Durchl. Hände. Nur die Antwort, die ich auf dieses mein unterthänigstes Bekenntniß und demühtige Abbitte durch Ew. Herzogl. Durchl. Gnade zu erhalten hoffe, werde ich also mit HöchstDero gnädigsten Erlaubniß als entscheidend ansehen. Mittlerweile werde ich am nächstkünftigen Dienstage die Schriften, die Ew. Herzogl. Durchl. zurückfordern zu lassen für nöhtig erachtet haben, mit der Landkutsche absenden.“


Herzog Friedrich empfand eine lebhafte Genugtuung über dieses Schreiben und mochte es sich nicht versagen, je eine Abschrift desselben an den Landgrafen von Hessen-Homburg und an den Prinzen Karl von Mecklenburg - Strelitz zu senden. Unter dem 29. Juli 1772 wurde dann die Dimissionsurkunde für Usedom ausgefertigt: „Da Wir mit besonderer gnädigster Zufriedenheit aus eurem Schreiben vom 11. Febr. dieses Jahres ersehen, wasmaaßen ihr nunmehro Uns und euch Gerechtigkeit wiederfahren laßet; so wiederholen Wir Unsere hievorige gnädigste Versicherung, daß alles Uns in Ansehung eures lezten Betragens unangenehm gewesene in Vergeßenheit gestellet seyn solle. Um allen Anlaß zu einer widrigen Erinnerung aus dem Wege zu räumen, erwarten Wir annoch von euch die Zurücksendung der mit Unsers Herrn Bruders Prinzen Ludewig Zu Mecklenburg Liebden und gesamten hohen Angehörigen Unsers Hauses geführten Correspondenz; Und versehen Uns in gleicher gnädigster Absicht zu euch in Gnaden, daß ihr des Aufenthalts in der Nähe und noch mehr an den Orten selbst, wo Unser Hof, oder ein Theil deßelben sich befindet, euch von selbst enthalten werdet. In dieser zuversichtlichen gnädigsten Voraussetzung übermitteln wir euch sowohl euer Dimißions-Patent, als auch ein Liberatorium generale und die Abschrift Unserer zur Zahlung der Pension erlaßenen Verordnung in Gnaden, womit wir euch gewogen bleiben.“




[centre]Messieurs[/centre]
à Ludwigslust          Votre très affectionné
le 23 Décembre 1815.  Frédéric François Grand Duc deMecklenburg.
8) Der Noble et Spectable Antoine Josué Diodati (geb. 1728, gest. 1790) war seit 1750 verheiratet mit Marie Aymée (auch Marie Antoinette genannt), einer Tochter des Noble Isaac Rilliet und der Marie Aimée Lullin. Dieser Ehe entsprossen drei Töchter: Françoise (geb. 1753, unvermählt gest. 1840), Jeanne Marianne (geb. 1755, vermählt 1778 mit Jacaues Massé, Richter an der Cour suprême, gest. 1836), und Kolombine (geb. um 1756, vermählt 1775 mit Jacques André Baraban, gest. 1776). Der Graf Jean Diodati, 1782-1792 Herzoglich Mecklenburgischer Minister-Resident in Paris, gest. 1807, der letzte Sproß des gräflichen Zweiges der Familie Diodati, vermachte sein sehr ansehnliches Vermögen den Kindern des mit ihm entfernt verwandten Antoine Josue Diodati.