Abschnitt 17

Welche Antwort Stöckhardt auf seine Anfrage erhielt, wissen wir nicht; vermutlich hat man ihn dahin bedeutet, daß während der schwebenden Vermählungsverhandlungen von teutschem Staatsrecht, christlicher Politik und lateinischen Briefen über die Logik nicht wohl die Rede sein könne. Das könnte man daraus schließen, daß am 20. Februar ein Pro memoria ad regimen erging, Serenissimus seien der Entschließung geworden, den Informator Stöckhardt zum Sekretär des Prinzen zu ernennen, „jedoch unter dem Bedinge, daß er bey des vorgedachten Printzen Durchl. so lange verbleiben und HöchstIhro CaßenBerechnung führen müste bis sich zu seiner anderweiten Versorgung eine Gelegenheit finden würde“. Die Geneigtheit, ihm diese anders weitige Versorgung zu verschaffen, hat Herzog Friedrich wiederholt bekundet. Am 5. Juni 1777 „gewärtigten Serenissimus eine gutachtliche Anzeige: Ob der Secretair Stockhardt wohl als Regierungs- und Canzley-Fiscal zu gebrauchen und anzustellen seyn mögte?“ Aber Regimen erwiderte, „daß eines Theils keine Stelle eines Regierungs- oder Canzley-Fiscals vacant sey, und daß andern Theils dieser gute Mann, als ein Fremdling in der Mecklenburgischen Rechtsgelehrsamkeit und Praxi, wohl so wenig die letztere, als noch viel weniger die erstere mit Nutzen zu verwalten im Stande seyn dürfte.“ Am 21. Juli desselben Jahres übersandte der Herzog Regimini das Gesuch Stöckhardts um die durch den Tod des Akziserats Eschenbach erledigte Stelle zum Erachten: auch das verbaten die Geheimen Räte. Endlich befahl der Herzog im November 1778, daß Stöckhardt die erbetene Anwartschaft auf die Postdirektorstelle in Güstrow gegeben werde, und in der Tat erscheint er, der am 19. Februar 1779 auf seine Bitte den Charakter als Hofrat bekommen hatte, von 1780 bis 1806 in Güstrow als Postdirektor, um dann aus dem Staatskalender zu verschwinden. -

Das sehnlich erwartete Schreiben der verwitweten Herzogin von Coburg traf endlich am 26. Februar in Ludwigslust ein. Die Herzogin hatte ihre Erkundigungen an der zuverlässigsten Stelle am Gothaer Hofe eingezogen, bei der Oberhofmeisterin v. Buchwald, die seit Jahrzehnten dort eine Vertrauensstellung einnahm, bei der ganzen fürstlichen Familie und am Hofe unter dem Namen „la Maman“ bekannt. 22) Diese stellte einen günstigen Erfolg in bestimmte Aussicht und so erging denn durch ihre Vermittlung - entgegen der Ansicht der Geheimen Räte, die die Überreichung durch einen Spezialgesandten für angemessener gehalten hatten - das vom 28. Februar datierte offizielle Anwerbungsschreiben gleichzeitig an den regierenden Herzog Ernst und an den Vormund der Prinzessin, den Prinzen Moritz, den jüngeren Bruder ihres Vaters. Am 6. März teilte Herzog Ernst der Prinzeß Louise den Inhalt des „nur eben eingelangten“ Schreibens des Herzogs Friedrich mit, dabei bemerkend, daß er „Dero Herrn Vormunds des Prinzen Moriz Lbden. ebenfalsigen Beyfalls bereits vorläufig versichert“ sei, und am 7. gab die Prinzessin ihr Jawort, wie Herzog Ernst am 8. nach Ludwigslust meldete.


Als Beweggrund für ein möglichst abgekürztes Verfahren hatte das Anwerbungsschreiben „die gar zu lebhafte Ungeduld des Prinzenn samt der gleichmäßigen großen Begierde des ganzen Herzoglichenn Hauses, die so glückliche Verbindung je eher je lieber geschloßen zu sehen“ bezeichnet. So drang denn nun auch der Prinz auf tunlichst baldige Vermählung und er fand dafür lebhafte Unterstützung bei Herzog Friedrich, dem gleichfalls ein langes Hinausschieben der Hochzeit vom Übel zu sein schien und der dem Herzog von Gotha den Wunsch aussprach, „daß das Beylager, zu dessen Vollziehung der Prinz, jedoch nur auf zwey bis drey Tage, nach Gotha kommen würde, ohngefehr schon um Ostern 23) mögte seyn können“. Dem wurde aber von gothaischer Seite widersprochen; Herzog Ernst äußerte die Besorgnis, „daß der von Ew. Liebden bemerkte Termin der Prinzeßin Liebden allzukurz angesetzt scheinen werde; jedoch hoffen Wir, daß der Vollzug zwischen Ostern und Pfingsten noch allemahl möglich zu machen seyn wird.“ Daraufhin überließ Herzog Friedrich die Bestimmung des Tages des Beilagers dem Herzog Ernst, der zunächst allgemeiner die Woche nach Cantate und weiterhin genauer den 19. Mai vorschlug, womit sich Herzog Friedrich einverstanden erklärte.

Auf diese Abmachung hin machte sich der Prinz, der unter dem Namen eines Grafen von Grabow reiste, am 8. Mai von Ludwigslust aus auf den Weg nach Gotha. Seine Suite bestand aus dem Kammerherrn v. Bülow, dem Kammerjunker von Rantzau, dem Sekretär Stöckhardt, dem Kammerdiener Wendt, einem Läufer und zwei Lakaien. Herzog Friedrich hatte es nötig gefunden, daß der Prinz auf der Hinreise bei seiner Großmutter in Römhild vorspreche; die Prinzessin Charlotte wünschte, daß bei dieser Gelegenheit auch ihrer mit dem Markgrafen Alexander von Brandenburg-Ansbach-Baireuth vermählten jüngeren Schwester Karoline in Ansbach ein Besuch abgestattet werde - ein Gedanke, der dem Herzog sehr gefiel, den er aber aufgab, als man dagegen geltend machte, daß dieser Abstecher zu viel Zeit erfordern werde. Jedenfalls aber sollte Leipzig berührt und dort ein Teil der Geschenke gekauft werden, deren man für Gotha bedurfte. Am 18. Mai sollte der Prinz in Gotha eintreffen; am 17. oder in der Frühe des 18. Mai sollte - so sagt das „Pro Memoria was überhaupt auf der Reise des Prinzen nach Gotha und von da zurück wie auch bei Ihro dortiger Vermählung und Anwesenheit zu beobachten seyn mögte“ - der Kammerjunker v. Rantzau vorweg nach Gotha fahren, sich dort melden und so stellen, als wolle er in der Stadt ein Quartier für den Prinzen suchen, sich aber allenfalls auf erhaltenen Befehl die Anweisung der Zimmer bei Hofe gefallen lassen.

Das Reiseprogramm aber erfuhr einige Änderungen. Zunächst wünschte Herzog Ernst, daß der Aufenthalt des Prinzen in Gotha nicht auf die ursprünglich bestimmten zwei bis drei Tage beschränkt werde, und Herzog Friedrich beeilte sich, das zuzugestehen. Sodann wurde die Komödie des Quartiersuchens hinfällig durch den feierlichen Empfang, den Herzog Ernst dem Prinzen schon an der Grenze seines Landes bereitete. Eine Störung der Reise bewirkte endlich der unliebsame Umstand, daß am 12. Mai zu LangensaIza die Tante des Herzogs Ernst, die Herzogin Friederike von Weißenfels, eine geborene Prinzessin von Gotha, Witwe Johann Adolfs II., des letzten Herzogs von Sachsen-Weißenfels, starb, und Herzog Ernst mit der schleunigsten Meldung dieses Todesfalles die dringende Bitte verband, die Hochzeit um 10 bis 12 Tage zu verschieben. Damit mußte sich Herzog Friedrich natürlich einverstanden erklären; er stellte dem Herzog Ernst anheim, den Vermählungstag „nach den eingetretenen Umständen“ zu bestimmen, gab aber der Hoffnung Ausdruck, „es werde die Erfüllung seiner Wünsche, die Prinzessin Louise kennen zu lernen, nicht gar zu weit hinaus-gesetzet werden“. Er erfuhr dann alsbald, daß Herzog Ernst die Vermählung auf den 1. Juni anberaumt habe.





22) Vgl. Beck in der Allgemeinen Deutschen Biographie Bd.3 S.494.
23) Ostern fiel 1775 auf den 16. April.