Abschnitt 16

Früher als nach Schwerin gelangte die „unvortheilhafte Nachricht“ nach Römhild; sie traf, wie wir sahen, den Prinzen nicht unvorbereitet. Alsbald stattete er den benachbarten Höfen in Meiningen, in Hildburghausen und in Coburg die verabredeten Besuche ab, um die ihm genannten Prinzessinnen zu sehen, „aber an keinem Hofe“ - so berichtete Krackewitz am 2. Januar 1775 an den Grafen Bassewitz - „scheinen der Prinz etwas gefunden zu haben, wodurch der gemachte Verlust zu ersetzen wäre. Übermorgen wollen wir den letzten Hof besuchen, und nicht nach Gotha sondern gerade nach Roda gehen, weil die 2 Prinzessin sich daselbst aufhalten.“ 21)

Diese Fahrt war nicht unbeschwerlich: es galt den tiefverschneiten Thüringerwald und dessen Vorberge zu überschreiten. Als erstes Nachtquartier war Ilmenau in Aussicht genommen, aber diesen Ort zu erreichen war „wegen des tiefen Schnees und der großen Bouge“ trotz eines Vorspannes von 4 Ochsen unmöglich, der Prinz mußte in dem Dörfchen Frauenwald nächtigen. Am folgenden Tage wurden mehrmals Bauern gedungen, die Wagen durchzuschaufeln, die aber schließlich verlassen und durch Schlitten ersetzt werden mußten, während Ochsen die leeren Wagen weiter schleppten; doch gelangte man glücklich bis Saalfeld. Der schlimmste Tag war der 6. Januar: zwischen Neustadt und Roda vernotwendigte es sich zuerst, durch Bauern „die hohlen Wege ausbauen zu lassen“; dann, eine halbe Stunde vor Roda, versank der eine Wagen und es mußten große Aufwendungen gemacht und Trinkgelder gespendet werden „für Wagen, Ketten, Fackeln, um den versunkenen Wagen aus dem Waßer wieder herauszubringen“, „an 2 Bauern den Triebsand von den Rädern des versunkenen Wagens abzumachen,“ „an 6 Bauern die beyden Wagen durch die Bouge hindurch zu bringen und die Fackeln zu tragen“, „an 1 Postillon, der fast eine Stunde in dem Waßer gestanden, um den versunkenen Wagen wieder herauszubringen“, „an die beiden andern Postillons wegen der sehr schlechten Wege und gehabten Mühe wegen des versunkenen Wagens“ usw. Für diese Unbequemlichkeiten entschädigte dann ein zweitägiger folgenreicher Aufenthalt in Roda: hier im Schlosse fand der Prinz die Lebensgefährtin, die in Karlsruhe zu erringen ihm nicht geglückt war.


Über die Tage in Roda meldete Krackewitz dem Herzoge: „Am 6. gegen Abend kamen wir . . . in Roda an. Den 7. liesen wir uns bey der OberHofMeisterin v. Kospoth melden, und bahten zugleich um Erlaubniß Denen Durchlauchtigsten Prinzessin Cour zu machen, die wir auch erhielten. Mittags glock 12 wurden wir durch eine fürstliche Equipage abgeholet, und blieben diesen ganzen Tag so wohl als auch den folgenden auf dem Schlosse. . . . Beyde Prinzessin in Roda waren sehr gnädig. Die jüngste ist sehr hübsch, und wenn ich meine Bemerkungen äusern darf, schön in aller Betrachtung. . . . Diese Prinzeß scheinet mir Darmstadt wieder vergessend zu machen.“

Am 9. Januar wurde Roda verlassen und bis Jena gefahren, am 10. nächtigte der Prinz in Naumburg, am 11. kam er in Leipzig an, wo er im Hôtel de Bavière abstieg und zwei Tage verweilte. Am Nachmittage des 15. wurde Dresden erreicht - dort logierte der Prinz im Hôtel de Pologne -, während eines dreitägigen Aufenthalts daselbst ein Ausflug nach dem Königstein gemacht. Die nächsten Nachtquartiere waren Großenhain, Wittenberg, Zerbst, Burg. Am 23. mußte „wegen des vielen Eifes ein Detour gemacht“ und statt in Havelberg, wie geplant war, vielmehr bei dem Dorfschulzen in Schwitzdorf zur Nacht geblieben werden. Am 24. kam der Prinz bis Perleberg und am 25. traf er wieder in Ludwigslust ein. In der Reisekasse waren an dem Tage noch 15 Louisd’or; die erhielt Stöckhardt „zur Ergötzlichkeit“, während Krackewitz ein Geschenk von 300 Talern bekam.

Schon in Leipzig hatte der Prinz über seines Besuch in Roda an den Herzog geschrieben. „Vorgestern als am 11 ten „ - heißt es in diesem Briefe - „sind wir von Roda hier eingetroffen. Meine Absicht Warum ich ausgereifet binn scheint wiederum erfüllt zu seyn. Ich habe nun doch in kurzer Zeit drey zweckmäßige Prinzessinnen gesehen, allein ich kann und ich gestehe es auch würklich keine hat mein Hertz mit wahrem attachement gerürt, als die letzte, nehmlich die Prinzes Louise von Sachsen-Gotha . . . Die Art und Weise wie ich darzu gekommen binn Sie zu sehen, werde ich hofentlich in 16 oder 17 Tagen mündlich sagen können. Daher werde ich mich nur jetzt auf der Beschreibung der Prinzes einlassen. Sie ist ungefehr so groß wie meine Schwester, aber weit stärker, und die Gesundheit selbsten. Ihr Verstand, Ihr Caracter und Ihr ganzes Wesen nehmen gleich alle Hertzen vor ihr ein. Sie ist aufgeräumt, und gewiß so ein nobles und gütiges Wesen als eine Frau die Ihren Mann glücklich machen soll nur haben kann. Sollte ich mir nach den gehabten grossen Verlust eine zu haben wünschen so wäre es diese. Denn ich weiß ich habe mich in meiner Wahl nicht übereilt, sondern mein Reisegefährte wird mir das Zeuchniß geben können, daß Ihre Schönheit mich nicht verblendet hat, auf Ihrem Hertzen und Ihrer Gedenkungs-Art Acht zu geben. Ich verlasse mich daher auf meines gnädigen Herrn Oncls und meiner gnädigsten Anverwanten Gnade, daß Sie darinn meinen Wünschen willfaren mögen. Ich glaube es wird keinen gereuen, denn wer Sie ein mahl kennt der muß Sie lieb haben. Sie ist So gnädig und gefällig gegen mir gewesen, daß ich es nicht genug beschreiben kann. . . . Sie können daher, mein gnädiger Herr Oncle, wohl denken wie zufrieden ich jetzt wieder binn, ich freue mich daher schon recht sehr zum voraus meine Aufwartung wieder machen zu können, denn am Ende sehnt man sich doch wieder zur Ruhe, besonders wenn man seine Wünsche sehnlichst wünscht erfüllt zu sehen. Denn mein ganzes Hertz wünscht Sie zu haben, und wünscht nur das Glück einer Famille und des ganzen Landes, welches nach aller Wahrscheinlichkeit gewiß wird erreichet werden, wenn die mir so recht herzlich liebe Prinzes mir zuteil würde. . .“

Auf dieses Bekenntnis hin beauftragte der Herzog, im Einverständnis mit den Eltern des Prinzen, den Grafen Bassewitz, die nötigen Schritte zur Anwerbung in Gotha zu tun. Da aber der Prinz bei seiner Rückkehr mitteilte, seine Großmutter in Römhild, mit der er offenbar in Briefwechsel gestanden hatte, wolle Erkundigungen einziehen, „wie eine etwanige Anwerbung um die Printzeßin Louise von Sachsen Gotha werde aufgenommen werden“, wurde GraS Bassewitz angewiesen, das Anwerbungsschreiben nicht eher abgehen zu lassen als bis ein Brief der verwitweten Herzogin von Coburg eingegangen sei.

Am 20. Februar fragte Stöckhardt beim Herzoge an, wie lange er noch dem Prinzen Wissenschaften vorzutragen haben werde. „Mein bisheriger mündlicher und schriftlicher Vortrag“ - so führte er aus - „ist größtentheils nur eine Vorbereitung auf die Hauptwißenschaften gewesen, als wohin ich vorzüglich das Teutsche Staatsrecht, die Cammeral-Wißenschaften, die Statistik und eine christliche Politik rechne. Von diesen 4 Wißenschaften wünschte ich dem Durchlauchtigsten Prinzen wenigstens die ersten Grundzüge mündlich und schriftlich zu entwerfen; ingleichen die lateinischen und juristischen Ausdrücke in dem Landesvergleiche, wie auch die vornehmsten Grund-Regeln zu erklären, die bey Lesung der Acten und allerhand schriftlicher Aufsätze zu beobachten sind. Geruhen nun Ew. Herzogliche Durchlaucht gnädigst mir bekannt zu machen, wie lange ich ungefär noch das Glück habe dem Durchlauchtigsten Prinzen Unterricht zu geben, so könnte ich den Vortrag so einrichten, daß alle nur gedachte Wißenschaften noch durchgegangen würden. . . . Unterdeßen werde ich fortfahren mit den lateinischen Briefen über die Logic, und sie nach und nach zur ferneren gnädigsten Beurtheilung zu Füßen legen . . . .“




21) Diese beiden Prinzessinnen, Auguste (geb. 30. November 1752) und Louise (geb. 6. März 1756), hatten ihren Vater, den Prinzen Johann August, schon 1767 ihre Mutter Louise, des Grafen Heinrich I. von Reuß-Schleiz Tochter, 1773 verloren, Die Prinzessin Auguste vermählte sich 1780 mit dem verwitweten Erbprinzen Friedrich Karl von Schwarzburg-Rudolfstadt.