Abschnitt 15

Inzwischen hatte der Prinz natürlich auch an Herzog Friedrich berichtet. Dieser Brief, am 22. Dezember in Römhild geschrieben, lautet:

„Mein lieber und gnädiger Herr Oncle,


Die vorigen Briefe habe ich immer mit sehr vielem Vergnügen geschrieben, allein ich müste keiner Empfindung mehr zu fassen fähig seyn, wenn ich diesen Brief so vergnügt schriebe als die übrigen, indem ich am 15. dieses Monaths einen Brief von den Herrn Geheimenraths Presidenten von Moser erhielt, worinn er mich schreibt, daß die Prinzes würde sich nicht eher decidiren bis das (wie mir schon bekant wäre, daß Sie es mir in Darmstadt und Carlsruh gesagt hätten) die Prinzes den Prinzen von Weimar erst gesehen hätte. Ich muß gestehen, daß mir dieß Benehmen sehr bestürtzt hat, noch mehr aber, da der Herr G.R.P. mir bittet, den Antrag nicht an meine gnädige Anverwanten zu thun, und um Consens und weiters Beschleunigung zu bitten, da ich ihm doch selber meine Bereitwilligkeit so an den Tag legte es zu thun. Allein die ganze Sache scheint mir eine Cabale gegen uns zu seyn. Sie werden aus den Briefen, mein lieber und gnädiger Herr Oncle, schon mein und meines Reisegefährten Verhalten beurtheilen können, ich muß nur die Haupt Persohn, und die Ursachen warum ich mit der selben bekannt geworden binn, meinem gnädigen Herrn Oncle käntlich machen. Die Haupt Persohn die diese Cabale gegen uns schmiedet ist die Frau Generalin von Bretlag. Die Ursachen warum ich mit ihr bekannt geworden binn, sind diese. Nach der lnstruction war ich an den Herrn von Moser gewiesen, dem einzig und allein eine Eröfnung von der Sache zu thun, dieses habe ich befolgt. Dieser aber wieß mich um meiner Sachen gewiß zu seyn an diese liebe Frau Generalin, die nichts wehniger mir jetzt liebenswürdig ist, weil Sie das ganze Vertrauen der Prinzes besitzt. Diese Generalin aber schien sich freilich meiner anzunehmen, allein der Beweiß sind die Lügen die Sie debitirt mir gesagt zu haben, nehmlich auch, daß die Prinzes den Prinzen von Weimar erst sehen will ehe sie sich determinirt. Hätte ich dieses gewußt, wie hätte ich den können schon um Consens anhalten, den ich war ja alsdenn sehr stark im Zweifel, ob die Wahl auf mir fallen würde und alsdenn hätte ich so zu sagen mit meinen gnädigen Anverwanten gespielt, und meine gnädige Anverwanten unnöthige Sorgen und Mühe gemacht, und meiner anklebenden Gewohnheit, flüchtig zu handeln gemäß gehandelt.

Diesen [Vorwurf] wünsche ich aber bey dieser Gelegenheit nicht zu verdienen, weil ich mich keines Fehlers bis dato bewust binn, weil ich mich sehr wohl erinnere, wie sehr Sie die Gnade gehabt haben mir die letzten Tage für meine Flüchtigkeit zu warnen, und ich mich dazumahl auheischig machte bey dieser Gelegenheit einen Beweiß zu geben, daß ich diesen Fehler bezwingen kann. Ich muß daher gestehen, daß das Benehmen dieser Frau mich sehr wundert, wie Sie es denn auch aus meinem Briefe an den Herrn v. Moser sehen werden, der mit allen übrigen Ihnen zugesand wird um daraus mein als auch des Herrn von Krackwitz Verhalten beurtheilen zu können.

Wenn ich nicht wüste daß Gott alles lenket und regieret, so müste ich jetzt sagen daß mein Glück mir so zu sagen unter den Händen weggenommen wird. Denn das Zutrauen und das wahre und ungeheuchelte attachement was ich gegen der Prinzes habe, wird mir bey dieser Begebenheit so schmerzhaft wie möglich wenn ich sehen muß, daß Sie nicht an allem diesen Schuld ist, sondern daß so ein Weib die Ursach ist, daß das wahrscheinliche Glücke eines Menschen, einer ganzen famille und eines ganzen Landes verscherzt wird. Dieses macht mich freilich traurig, allein ich stelle es Gott anheim der es schon so lenken wird daß es zu meinem wahren Besten gereichen wird.

Ich muß nun noch dieß bey dem würdigen Verhalten der Frau Generalin von Bretlag hinzufügen, daß Ihr ganzes Benehmen mir immer mehr beweiset, daß Sie von Weimar schon bestochen worden ist. Da ich nun mein Geld zur Reise und nicht zum bestechen bekommen habe, und ich überdem nicht gerne eine gekaufte Frau haben möchte, So glaube ich wohl schwehrlich, daß ich in dieser mir so interessanten Sache glücklichen Vortgang mir zu versprechen habe. In dieser Woche denke ich noch von dem Herrn G.R.P. von Moser decidive Nachricht zu kriegen und sollte diese, wie ich vermute nicht vortheilhaft seyn, so werde ich mir der gegebenen Erlaubniß zu Nutze machen, nach die übrigen Höfe zu gehen, und mein Glück fernerhin zu suchen, und als denn in mein Vaterland in Ruhe und Frieden zurückkehren.

Ich empfehle mich zu beständigen Gnaden und verharre in tiefster Unterthänigkeit,

Meines gnädigen Herrn Oncls


ganz unterthänigst gehorsamster und


getreuer Neveu und Diener


Friedrich Franz.“


Gleichzeitig mit vorstehendem Schreiben des Prinzen übersandte Krackewitz dem Herzoge die gesamte zwischen Römhild, Darmstadt und Wetzlar in der Vermählungsangelegenheit geführte Korrespondenz, die fachlich nichts enthält, was uns nicht schon bekannt wäre. In eben diesen Tagen aber entschied sich das Schicksal des Prinzen: am 19. Dezember erbat Karl August von der Herzogin Anna Amalia den Konsens zu seiner Verlobung mit der Prinzessin Louise, die am 23. die Einwilligung ihres Vaters nachsuchte. Die Kunde davon übersandte Schröder alsbald nach Schwerin, wo sie am 2. Januar 1775 eintraf und citissime dem Herzog übermittelt wurde. Das Untertänigste Promemoria der Geheimen Räte meldete zugleich, daß Schröder das herzogliche Schreiben an Moser nebst dem Anwerbungsschreiben unerbrochen zurückgesandt habe und fährt dann fort: „An sich stehet dawider mit Unpartheiligkeit wohl nichts zu sagen, sondern es ist vielmehr, auch ohne die der Frau Generalin von Pretlack von dem Herzoglich Weimarschen Hofe vielleicht wohl gemachte Convenience, sehr natürlich, daß ein regierender Herzog von Sachsen Weimar und Eisenach den Vorzug hat erhalten müßen, so bald er mit einem appanagirten Prinzen zugleich zur Wahl stand, der noch vier Augen vor sich hat, ehe er zur Regierung gelanget. Wäre es nicht sehr vergeblich, von Dingen, die einmal nicht mehr zu redressiren sind, nachhin noch auszugrübeln, wie und wann solche vielleicht anders hätten ausfallen können; so vermögen Unterschriebene sich des Gedankens nicht zu enthalten, daß des Prinzen Friederich Franz Durchl. nur früher müßten gekommen seyn, da, nach aller Wahrscheinlichkeit, der jetzo erst 17jährige Durchlauchtigste Herzog von Sachsen Weimar sich noch nicht gemeldet gehabt. So wie indessen Ihro Herzogliche Durchlaucht den Unterzeichneten dieserhalb nichts zur Last zu legen gewiß gerechtgnädigst geruhen werden, da sie ihre Besorgniß, daß ein anderer Hof zuvorkommen mögte, schon seit dem 10 ten) Januar v. J. Schriftlich treu-devotest geäußert: So wißen dagegen auch Unterschriebene ihres geringen Theils gar wohl, wie es faft eine moralische Unmöglichkeit gewesen, daß die Reise und Anwerbung des Durchlauchtigsten Prinzen füglich hätte geschehen können, ehe HöchstDieselben noch confirmiret und ehe demnächst die Vermählungs-Feyerlichkeiten der jetzigen Erb-Prinzeßinn von Dännemark Königl. Hoheit zurückgeleget waren. Jetzt da nur von einer anderen, Gott gebe, zum Wohl und Glück des Herzoglichen Hauses gereichenden Wahl die Rede mehr seyn kann, wiederhohlen Unterzeichnete die in ihrem jüngsten U. P. M. über alle jetzo im Reiche vorhandene Prinzeßinnen Lutherischer Religion gemachte submisseste Äußerung, und halten nach ihrer geringen Einsicht dafür, daß unter selbigen Ihro Herzogliche Durchlaucht dem Durchlauchtigsten Prinzen nun noch mit mehrer Gleichgültigkeit als vorhin, die freyeste [Wahl] füglich laßen können, höchstens aber Demselben dabey nur diese zweyerlei Väterlich zu empfehlen geruhen mögten: 1) Daß, womöglich, keine Gräfinn in die Herzogliche Ahnen-Tafel komme, 2) Daß in der Regul die Gemahlinn nicht älter als der Gemahl seyn sollte, und endlich 3) Daß des Prinzen Durchl. Sich an dem Hofe, wo Ihroselben eine Prinzeßinn gefallen mögte, nicht sogleich persönlich darüber äußern.“

Die Meinung, „daß wir unser jetziges Schicksahl nicht würden erlebet haben, wenn man bey Hofe etwas geschwinder und zeitiger zur Sache gethan hätte“, äußerte auch Schröder in einem Briefe an den Grafen Bassewitz vom 14. Januar. Er schreibt dann weiter: „Der Herr Geh. R. Praes. v. Moser ist vor Verdruß 14 Tage bettlägerig gewesen. Er hat mir durch den jetzigen Cassellanum ad statum legendi drey originale Briefe der Prinzeß Louise zeigen lassen, deren Inhalt so beschaffen ist, daß man die nachher ganz unerwartet gefasste widrige Resolution nimmer hätte vermuthen sollen. Besagter Herr Geh. R. Praes. und ich sind unter uns dahin einig geworden, daß wir alle zwischen uns verhandelte, hieher einschlagende Briefe gegen einander auswechseln wollen, um das Andenken davon zu tilgen.“ Dem wurde in Schwerin stattgegeben: im Mai wurden Mosers Briefe ihm zurückgegeben, doch hielt Graf Bassewitz es für rätlich, vorher vidimierte Abschriften derselben anfertigen zu lassen. -