Abschnitt 12

Schröder gelangte in der Tat alsbald in den Besitz des Anwerbungsschreibens mit den erforderlichen Anweisungen, aber er hielt es für geraten, es nicht weiter zu befördern, denn inzwischen drohten die Dinge in Karlsruhe eine unerwünschte Wendung zu nehmen. Schröder hatte, wie er am 13. Dezember nach Schwerin schrieb, seit längerer Zeit keine Nachrichten von Moser erhalten; nun wurde er am 17. durch einen von Moser am 15. in Darmstadt aufgegebenen Brief überrascht, in dem es hieß:

„Des liebenswürdigen Prinzen Friederich Franz Durchl. laßen mir Gerechtigkeit widerfahren, daß das bekannte Intereße Ihres Herzens mein eigenes Anliegen gemacht und daß ich, eingenommen von dem offenen, keiner Verstellung fähigen, redlichen Character dieses jungen Fürsten, eine glückliche Harmonie beeder hohen Personen aufrichtig gewünscht habe. Da aber diese Wünsche der eigenen Prüfung, Einsicht und Überzeugung der Durchlauchtigsten Prinzeßin schlechterdings subordinirt und mir die Umstände unverborgen waren, welche der Prinzeßin selbst eine reife und bedächtliche Überlegung des entscheidenden Schrittes anempfohlen, so habe ich auch des Prinzen Durchl. in den ersten Minuten der Unterredung unverborgen, daß Sie an des Herrn Erbprinzen von Sachsen-Weimar Durchl. noch einen Competenten hätten, daß die Prinzeßin auf zwo große Höfe dabey Rücksichten nehmen müsten, daß Sie von dem freundschafts- und vertrauensvollen Betragen Seiner Durchlauchtigsten Familie lebhaft gerührt seyen, daß es aber nun auf Ihre eigene hohe Person allein ankomme: Ob Sie Sich gleich determiniren, oder auch des Prinzen v. W[eimar] Durchl. gleichfalls zu sehen Sich bewegen finden würden.


Der Prinz kamen, nach einem sehr kurzen Aufenthalt in Carlsruh zurück, vergnügt, zufrieden, und bey Sich Selbst determiniret, keine andere Prinzeßin zu sehen, über den Gesundheits-Punct der Prinzeßin beruhigt und mit dem Vorsatz sogleich eine Estaffete an des Herrn Herzogs Hochfürstl. Durchl. und Ihre Durchlauchtigste Eltern zur Erhaltung des Consenses abgehen zu laßen, und solchen in Röhmhild abzuwarten.

Ich würde ungerecht und gegen das, was mir mein Herz vor den Prinzen sagte gehandelt haben, wenn ich eine so reine und so gerechte Freude hätte stöhren und mir selbst Zweifel machen wollen, um das Vergnügen [zu] haben, solche bestreiten zu können. Ich konnte und muste daher glauben, daß die Prinzeßin Durchl. über den Umstand wegen W[eimar] ganz hinausgegangen, und daß es mit einem Wort zwischen den beeden hohen Haupt-Personen richtig seye.

Ich hatte, wie ich eidlich erhärten kann, in 5 ganzen Tagen kein Wort noch Sylbe von Carlsruh vernommen und als des Prinzen Durchl. hier zurück paßierten, wuste ich nichts, als was ich von dem Prinzen selbst vernommen.

Urtheilen Ew. Excellenz selbst, wie groß meine Befremdung und Verlegenheit gewesen seyn müße, da ich des zweyten Tags zufällig die Nachricht von der gleichmäßigen Heraus-Reise des Herrn Erb-Prinzen von S[achsen]-W[eimar] erhielte, ohne irgend eine Ursache errathen zu können, wie sich dieses alles untereinander creuze und wie dieses Gerücht mit der Rede und Vorsätzen des Prinzen zu vereinbaren seye.

Ich schriebe unverzüglich an die dermalen in Carlsruh befindlich Frau Gen. Bar. v. Pretlack, welche das vollkommene Vertrauen der Höchstseeligen Frau Land-Gräfin beseßen, und das gleichmäßige der Fürstl. Familie besitzt. 17)

Ich erhielte daraus anliegende Antwort, welche freylich die Sache in einem ganz anderen Lichte darstelte und zu erkennen gab, daß des Prinzen Durchl. Ihre eigene Affection zugleich auf die entscheidende Gesinnung der Prinzeßin ausgedeutet habe.

Die Prinzeßin, deren Seele viel zu rein, erhaben und Wahrheitsliebend ist, um einer Duplicitaet fähig zu seyn und das redliche, freundschaftliche Betragen des Durchlauchtigsten Mecklenburgischen Hofs mit Unerkänntlichkeit zu belohnen, haben mir nachhero selbst zu versichern und vor Gott zu betheuern geruhet, daß die Sache so und nicht anders vorgegangen, daß des Prinzen Durchl. Sich bey den beschehenen Äußerungen nicht nur beruhigt, sondern Selbst bezeugt hätten, wie Sie Ihres Orts die Sache ebenwohl auch erst auf die Benehmung mit Ihren hohen Verwandten aussetzen müsten.

Ich habe sogleich des Prinzen Durchl. Copiam Schreibens der Frau Gen. von Pretlack nach Römhild nachgeschickt, und nehme die Freiheit Ihnen unterthänigst vorzustellen: Ob nicht mit den weiteren Schritten und Anfragen bey der Durchlauchtigsten Familie so lange Anstand gegeben werden wolle, bis die Prinzeßin Durchl. Ihren entscheidenden Entschluß zu faßen sich im Stand befinden würden.

So schmeichelhaft die Affectionsvolle Gesinnung des Prinzen ist, und mit so wahrer Empfindung solche bey einem so edel gesinnten Herzen, als das der Durchl. Prinzeßin ist, bemerkt werden wird, so ermeßen doch Ew. Excellenz erleuchtet von selbst, daß von Einholung des väterlichen Consens ehender, als bis beede hohe Personen Eins sind, nicht die Rede seyn kann und ich dahero vor die Beruhigung beeder hoher Personen und vor die Anständigkeit der ganzen Sache sehnlich gewünscht hätte, daß des Prinzen Durchl. mit dieser Anfrage noch so lange zugewartet hätte, bis Ihnen versprochenermaaßen die Entschließung der Prinzeßin nach Röhmhild überschrieben worden.





17) Die Generalin Freifrau v. Pretlack, jahrelang Oberhofmeisterin und Vertraute der Landgräfin Caroline und nach deren Tode mit der Sorge für das Wohl der Tochter ihrer Herrin betraut, war die Seele der Partei in der Umgebung der Prinzeß Louise, die, gleich viel aus welchen Gründen, die Vermählung der Prinzeß nach Weimar wünschte. Seit geraumer Zeit war sie in dieser Angelegenheit in Verbindung mit dem weimarschen Unterhändler, dem Reichsfreiherrn Karl Theodor v. Dalberg, kurmainzischem Statthalter in Erfurt, Gesandten seines Kurfürsten am weimarschen Hofe und Ratgeber der Herzogin Anna Amalia, der alles daran setzte, dem auch Von ihm geschätzten Sohne seiner Freundin die Hand der Prinzessin zu verschaffen. Es war wahrlich nicht ohne Grund, wenn Karl August am 19. Dezember an seine Mutter schrieb: „Frau Baron v. Pretlack und die Baronin v. Edelsheim sind diejenigen, denen ich mein größtes Glück verdanke, und es würde meinerseits wenig dankbar sein, wenn ich ihnen nicht die schönsten Geschenke machte.“ (Vgl. F. Bornhak, „Anna Amalia Herzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach“. Berlin 1892. S. 96.) Nach dem Prinzen Friedrich Franz war auch Karl August Gast des Edelsheimschen Hauses gewesen.