Abschnitt 10

Am 14. November machte sich der Prinz auf den Weg. Die noch erhaltenen Reiserechnungen ermöglichen uns, ihn von Ort zu Ort zu verfolgen, dagegen versagen nun die „Acta die Reise des Prinzen Friederich Franz Durchl. an auswärtige Höfe betreffend“ mehr und mehr. Wir erfahren, daß 1776 der Herzog deren Einsendung nach Ludwigslust befahl, und ein Registraturvermerk belehrt uns, daß nur ein Teil der Nummern ad acta bleiben solle: vielleicht sind die jetzt fehlenden vernichtet worden. Immerhin läßt uns das noch vorhandene Aktenmaterial wenigstens alles Wesentliche erkennen.

Im Gefolge des Prinzen, der als Graf von Schwerin reiste, befanden sich der Rittmeister und Kammerherr v. Krackewitz und der Sekretär Stöckhardt; die Dienerschaft bildeten ein Kammerdiener und zwei Lakaien. Zur Beförderung dienten ein Sechsspänniger und ein vierspänniger Wagen, doch mußte wegen der sehr schlechten Wege häufig Vorspann, bis zu zwölf Pferden, genommen werden. Mit den schlechten Wegen hängt es wohl auch zusammen, daß fast täglich sich kleinere oder größere Reparaturen der Wagen vernotwendigten.


Die Reise ging über Grabow, Osterburg, Stendal, Magdeburg, Halberstadt, Seesen, Northeim, Göttingen, Cassel, Marburg, Gießen und Friedberg nach Frankfurt, wo der Prinz am 25. November, erheblich später als angenommen war, eintraf und im Römischen Kaiser abstieg. Unterwegs, in Gießen, hatte Krackewitz eine Anzahl von Briefen Schröders mit Nachrichten und Direktiven erhalten. Schröder hatte ursprünglich selbst nach Gießen kommen und den Prinzen nach Frankfurt begleiten wollen, um dort bei der Besprechung zugegen zu sein, die verabredetermaßen Moser mit dem Prinzen haben sollte. Aber in eben diesen Tagen hatte er den mecklenburgischen Dienst mit dem hannoverschen vertauscht, gedachte demnächst nach Celle zu übersiedeln und fand, daß ihm „in seiner jetzigen interimistischen Station die Hände gebunden“ seien. Bis dahin hatte er indessen eine überaus rege Tätigkeit im Interesse der Vermählungsangelegenheit entfaltet und in fast täglichem Briefwechsel mit dem Grafen Bassewitz wie mit Moser gestanden, auf den er sein ganzes Vertrauen setzte und mit dem einzig und allein in Darmstadt zu verhandeln er nicht müde wurde anzuraten: „Der Herr von Moser ist mir in dieser Sache der zuverlässigste Mann, und ich weiß es überzeugend, daß er die Prinzessin uns am liebsten gönnet“ - so hatte er in dieser Zeit nach Schwerin geschrieben und bald darauf nochmals versichert, Moser „schützet uns gegen alle Intriguen derjenigen, welche gerne schon längst die Durchlauchtigste Louise verkaufet hätten“. Inwieweit Moser dieses Vertrauen verdiente, sei dahingestellt: nur wenige Wochen später hatte er in Mainz eine Unterredung mit des Prinzen Nebenbuhler, dem Herzog Karl August von Weimar, „die diesen mit neuen Hoffnungen für das glückliche Gelingen seiner Werbung erfüllte“, 16) und richtete an Schröder jenen merkwürdigen Brief, von dem noch weiter die Rede sein wird. Damals aber schien er die mecklenburgischen Interessen ernstlich vertreten zu wollen. Am 14. November hatte er an Schröder geschrieben: „Die Prinzeßin Louise Durchl. sind nicht hier anwesend, sondern mit Ihrer Prinzeßin Schwester, der jetzigen Frau Erbprinzeßin von Baden Durchl. schon im July nach Carlsruh abgegangen, woselbst Sie Sich noch aufhalten. Sie seynd noch unversprochen, ohngeachtet noch neuerlich von Seiten eines andern FürstI. Hauses solche Schritte geschehen, welche eine ganz nahe Erklärung zu erfordern schienen. Die Prinzeßin ist aber durch die liebreiche und gewogentliche Gesinnung Ihro Herzogl. DurchL, durch die ganze Freundschaftsvolle Art und ausgezeichnete Rechtschaffenheit, womit von Seiten Dero hohen Hofes in dieser ganzen Sache gedacht und gehandelt worden, nach Ihrem edlen vortrefflichen Herzen dergestalt lebhaft gerührt, daß ich Ew. Excellenz zu Dero Beruhigung im engsten Vertrauen die eigene Worte der Princessin in einem erst gestern von Ihr erhaltenen Schreiben melden kann: J’ai prié . . . de ne plus me parler de . . . y aiant renoncé tout à fait, la façon honnête, dont on agit à M[eclembourg] m’a véritablement touché. Je serois une ingrate et indigne créature, de les tromper. Ew. Excellence urtheilen aus dieser cordaten Eröfnung Von selbst, mit welch zubereiteten Herzen des Prinzen Durchl. Ihre Bekanntschaft zu dem vorhabenden wichtigen Zweck erneuern werden.“ Dieses Schreiben hatte Schröder natürlich alsbald nach Schwerin gesandt, und vielleicht hatte der Prinz inzwischen schon Kenntnis von seinem Inhalt erhalten.

Unmittelbar nach seiner Ankunft in Frankfurt sandte Krackewitz eine Estafette nach Darmstadt und ließ Moser um eine Unterredung ersuchen. Schon in der Frühe des folgenden Tages erschien Moser beim Prinzen, bei dem er auch mittags und abends speiste. „Dieser Tag ward mit Beratschlagung zugebracht“, meldete Krackewitz nach Schwerin, „die Bereitwilligkeit, aber auch die Aufrichtigkeit bey der vorhabenden Sache zu dihnen habe ich wahr genom[men], und da wier mit so vieler Aufrichtigkeit behandelt wurden, so werden wier es strickte auch alles befolgen.“ An Schröder schrieb der Prinz, daß er mit seinen Dispositionen ungemein zufrieden sei.

Den 27. November widmete der Prinz, mit Lohnlakai und Mietskutsche, der Besichtigung der Stadt. Am 28. fuhr er nach Darmstadt und nahm dort einen Wagen nach „einer Campagne bey Darmstadt“ - Vielleicht handelte es sich um eine weitere Behandlung mit Moser. Tags darauf setzte der Prinz die Reise fort und traf am 30. November nachmittags um 3 Uhr in Karlsruhe ein. Ein Brief von Krackewitz an den Grafen Bassewitz berichtet uns darüber. Der Markgraf war vom Kommen des Prinzen vorher in Kenntnis gesetzt und hatte ihm seinen Oberstallmeister v. Edelsheim entgegengesandt, in dessen Hause der Prinz Wohnung nahm. Nach einer „herrlichen Bewirthung“ bei Edelsheim ging der Prinz noch abends zu Hofe und wurde dort „sehr gratios“ aufgenommen, wurde erst zur Erbprinzessin geführt, in deren Zimmer auch die Prinzeß Louise anwesend war, und dann in feierlicher Audienz als Graf Schwerin vom Markgrafen empfangen. Er blieb in Karlsruhe zwei Tage, sprach auf der Rückreise abermals auf der „Campagne bey Darmstadt“ vor und war am 6. Dezember wieder im Römischen Kaiser in Frankfurt.

Nun galt es, über die Karlsruher Tage nach Hause zu berichten. Der Prinz schrieb an seine Eltern, an den Herzog, an die Herzogin Louise, an den Grafen Bassewitz und sandte diese Briefe, nebst einem Berichte von Krackewitz, an Schröder mit dem Ersuchen, sie durch Estafette weiter zu befördern. Schröder fügte der Sendung einige Zeilen an den Grafen Bassewitz bei: „Unser Durchlauchtigster Printz haben die Gnade gehabt, mir per Estafette zu schreiben, daß die bewußte höchste Prinzeß Ihnen so wohl gefallen habe, daß HöchstDieselben Sich keine andere wünschen, und dieses letztere ist gedoppelt unterstrichen . . . Der Printz pressiret sehr, und es ist auch, wie ich unerthänigst anrahte, nicht eine Stunde zu versäumen, damit keine Cabale gegen uns geschmiedet werde . . Auf Befehl Sr. Durchl. soll ich noch heute dem Herrn Geheimen Raths-Praesidenten von Moser den verbindlichsten Dank abstatten.“




16) v. Bojanowski a. a. O. S. 56. Vgl. auch Mosers Briefe an Dalberg bei Heidenheimer a. a. O.