3. Kapitel. - Graf Robert und seine Gattin Brenhilde wurden von dem Greise am Ufer der Propontis ...

Graf Robert und seine Gattin Brenhilde wurden von dem Greise am Ufer der Propontis entlang geführt. Fortwährend wechselten die lieblichsten Bilder vor ihren Augen. An einer Stelle fühlte der Pfad, den sie entlang schritten, durch ein Felsentor auf eine Art von Arena unter freiem Himmel. Auf der von Felsen umschlossenen sandigen Fläche tummelten sich Scharen von heidnischen Skythen, häßliche Leute mit kurzen, zwerghaften Leibern und unverhältnismäßig langen und starken Armen und Beinen. Ihr Gesicht ging mehr in die Breite als in die Länge; Zwischen den seitwärts sitzenden Schweinsaugen saß eine Nase mit so weiten Nüstern, daß man tatsächlich meinen konnte, diesen Menschen bis in das Gehirn hinauf sehen zu können. Sie übten sich gerade im Speerwurf, und mancher von ihnen wurde dabei in den Sand gestreckt und wohl auch verletzt. Als das gräfliche Paar an ihnen vorbei ritt, richteten sich von allen Seiten her lüsterne Blicke auf die schöne Dame, die sich erregt zu ihrem Gemahl wandte: »Wohl kenne ich keine Furcht; wenn es aber zutrifft, was ich oft gehört habe, daß Abscheu Furcht erwecken kann, dann könnten mich diese Scheusale schrecken.«

»Heda, Ritter!« rief einer der Ungläubigen, »ist's Euch etwa unbekannt, daß jede Frau, die den Fuß in einen skythischen Atmeidan oder, wenn Ihr's griechisch hören wollt, Hippodrom setzt, den darin aufhältlichen Skythen mit ihrem Leibe verfällt?«


»Schuft von einem Heiden!« rief Graf Robert, »welcher Rede erfrechst Du Dich gegen einen Pair von Frankreich?«

Agelastes gemahnte die Skythen in der anmaßenden Sprache eines byzantinischen Höflings, daß der Kaiser über jedes Vergehen gegen die abendländische Ritterschaft schwere Strafen verhängt habe.

»Behaltet Eure Weisheit für Euch!« rief der Skythe, trotzig zwei wuchtige, mit Adlerfedern geschmückte Wurfspieße in der Luft schwingend: »wir wissen schon, wie der Kaiser über das Gesindel von Rittern denkt, Freund ist er ihnen bloß, solange er sie vor Augen hat. Wir sind nun einmal nicht Söldner, die dem Kaisers anders dienen können, als er's offen befiehlt oder im geheimen wünscht!« »Toxartis!« warnte der Philosoph, »Du lügst!« »Schweig' Du!« rief der Skythe, »oder ich vergreife mich au Dir altem Schwätzer, so wenig sich das mit meiner Kriegerehre vertrüge!«

Im selben Augenblick packte der Skythe den Schleier der Dame, um ihn ihr vom Gesicht zu reißen; Brenhilde jedoch, ihrem kriegerischen Temperament getreu, streckte den Heiden durch einen Hieb mit ihrem Schwerte zu Boden. Sein Feldgeschrei: »Rette, Du Sohn Karls!« erdröhnen lassend, sprengte Graf Robert mit hoch geschwungener Streitaxt in den heidnischen Haufen hinein und jagte ihn wie Spreu auseinander.

»Erbärmliches Gesindel!« rief er, als er von der Verfolgung wieder zu dem Philosophen trat! »wenn wir uns bloß mit solchen Feinden hier zu schlagen haben, so wird der Zug nicht allzulange dauern.«

»Eilen wir nach unserem Kiosk,« riet der Philosoph, »es könnte der Fall sein, die Skythen fänden Verstärkung und kämen zurück, sich an Euch zu rächen.«

»In einem christlichen Lande, wie es Ostrom doch sein will,« versetzte Graf Robert, »sollte solches Räubervolk ausgetilgt werden, aber nicht mit Verstärkung rechnen dürfen! Komme ich von dem Zuge gegen Palästina heil zurück, werde ich es mir angelegen sein lassen, reinen Tisch hierzulande zu machen.«

Agelastes zog es aber vor, auf dem kürzesten Wege seinen Kiosk zu erreichen. Auf ein von ihm gegebenes Zeichen öffnete sich sogleich die kleine Pforte, die zu dem romantischen Plätzchen führte, und in derselben zeigte sich sein schwarzer Diener Diogenes. Es entging dem Philosophen nicht, daß das gräfliche Paar sich vor dem Neger, den wohl noch keines von ihnen so nahe gesehen hatte, weniger erschreckte, als entsetzte; aber so gern er sich den ihm hieraus winkenden Vorteil gewahrt hätte, so blieb ihm keime Zeit dazu; denn aus der Ferne drang es wie Musik zu ihren Ohren, das Rauschen des Wasserfalles übertönend, der dicht bei dem Kiosk aus einem Felsen hervorbrauste.

»Mir scheint, die erwarteten Gäste nahen bereits meiner bescheidenen Behausung; erlaubt mir nur einen Augenblick, ihnen entgegen zu gehen; mit der Mahlzeit werden wir nun schon warten müssen, bis sie zur Stelle sind, was aber wohl bald der Fall sein wird.«

»O, uns eilt's nicht damit,« erwiderte Graf Robert, »wir können gut warten; lieber wäre es uns noch, Ihr hättet nichts dawider, wenn wir still für uns einen Bissen Brot und einen Trunk Wasser zu uns nähmen und auf den Platz an Eurer Tafel verzichteten.«

»Das mögen die Heiligen verhüten!« rief der Philosoph; »nie haben würdigere Gäste an meiner Tafel gesessen! Das Wort würde ich aufrecht erhalten, selbst wenn Kaiser Alexius in diesem Augenblicke auf der Schwelle meiner Tür stände!«

Kaum waren diese Worte aus seinem Munde, so schmetterte eine Trompete, das Rauschen des Wasserfalles und die Musik, die seit kurzem erklang, übertönend.

»Fürchtet Ihr Gefahr, frommer Vater?« rief Graf Robert; »Ihr zittert ja? Zweifelt Ihr denn an unserem Schutze?«

»Nicht im geringsten,« versetzte Agelastes; »Ihr würdet mir selbst in der schlimmsten Gefahr noch erscheinen wie ein schützender Hort; aber dieses Trompetensignal weckt nicht Furcht, sondern Ehrfurcht! Es kündet mir das Nahen kaiserlicher Gäste. Aber, edle Freunde, seid ohne Bangen! Denn die uns nahen, lassen gern ihre Gunst auf ehrsame Leute ausstrahlen. Wundert Euch indessen nicht, daß ich mit der Stirn zum pflichtschuldigen Willkomm den Boden berühren muß.«

Er war schon an der Pforte; Graf und Gräfin folgten ihm, aber es harrte ihrer schon ein neuer Auftritt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Graf Robert von Paris