Gottlieb Mittelbergers Reise nach Pensylvanien im Jahr 1750 und Rückreise nach Teutschland im Jahr 1754.

Enthaltend nicht nur eine Beschreibung des Landes nach seinen gegenwärtigen Zustande, sondern auch eine ausführliche Nachricht von den glückseligen und betrübten Umständen der meidten Teutschen, die in dieses Land gezogen sind, und dahin ziehen.
Autor: Gottlieb Mittelberger (1715- vor 1779), Erscheinungsjahr: 1756

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Detailliert schildert Mittelberger, wie die Auswanderer über mehrere Wochen zu Hunderten auf dem Schiff eingepfercht waren und dabei Hunger, Krankheit und Tod erleiden mussten. Er berichtet über die grausamen Schicksale, die sich ereigneten, wenn die Auswanderer bei ihrer Ankunft "verkauft" wurden.

Nachdem Gottlieb Mittelberger seine Stelle als Dorfschullehrer im schwäbischen Enzweihingen verloren hatte, erhielt er im Frühjahr 1750 das Angebot, den Transport einer in Heilbronn gebauten Orgel nach Pennsylvania zu begleiten. Bald nach seiner Ankunft in Amerika fand Mittelberger in der Nähe von Philadelphia wieder eine Anstellung als Lehrer und Organist. Als er diese jedoch drei Jahre später aufgrund einer Liebesaffäre erneut verlor, kehrte Mittelberger 1754 wieder nach Deutschland zurück.

Als historische Quelle zeichnet sich Mittelbergers Bericht durch die detailgetreue und authentische Schilderung der Reise nach Amerika aus. Zugleich ist sie jedoch durch das persönliche Schicksal des Autors subjektiv beeinflusst. Außerdem ist die Schrift, für deren Veröffentlichung sich der Autor im Vorwort beim Herzog von Württemberg bedankt, der zeitgenössischen Gegenpropaganda zuzurechnen, mit der die deutsche Obrigkeit versuchte, der massenhaften Auswanderung abgabenpflichtiger Untertanen entgegenzuwirken.
Quelle: http://www.exil-club.de
"Die wichtigste Veranlassung aber dieses Büchleins war der erbärmliche und kummervolle Zustand derer, die aus Deutschland nach diesem Neuen Land reisen, und das unverantwortliche und unbarmherzige Verfahren der holländischen Menschen-Händler und ihrer ausgesandten Menschen-Diebe, ich meine die sogenannten Neuländer, denn sie stehlen gleichsam die Leute aus Deutschland unter allerlei schönen Vorspiegelungen, und liefern sie den holländischen großen Seelen-Verkäufern in die Hände.
(...)
Wenn man dieses alles wird gelesen haben, so zweifle ich keineswegs, es werden die Leute, die etwa noch dahinzuziehen willens sein möchten, in ihrem Vaterland verbleiben und diese so lange und schwere Reise und damit verbundenen Fatalitäten sorgfältig verabscheuen, indem ein solcher Zug bei den meisten den Verlust Hab und Guts, Freiheit und Ruhe, ja bei nicht wenigen Leibs und Lebens, und ich darf wohl sagen, Seele und Seligkeit nach sich ziehet.
(...)
Diese Reise währet von Anfang des Maien bis zu Ende des Octobris, also ein ganzes halbes Jahr, unter solchen Beschwerlichkeiten, die niemand im Stande ist, genügsam mit ihrem Elend zu beschreiben.
(...)
Es werden die Menschen teils in Rotterdam, teils in Amsterdam in die großen See-Schiffe sehr nahe, bald so zu sagen wie die Heringe zusammengeladen. Da wird einer Person kaum 2 Fuß breit und 6 Fuß lang Platz in der Bettstatt gelassen, weil ein manches Schiff 4, 5 bis 600 Seelen fährt, ohne der unzählig viel Gerätschaften, Kisten, Proviant, Wasser-Fässer und anderes, welches auch viel Platz einnimmt.
(...)
Während der Seefahrt aber entstehet in den Schiffen ein jammervolles Elend, Gestank, Dampf, Grauen, Erbrechen, mancherlei Seekrankheiten, Fieber, Ruhr, Kopfweh, Hitzen, Verstopfungen des Leibes, Geschwulste, Scharbock (Skorbut), Krebs, Mundfäule und dergleichen, welches alles von alten und sehr scharf gesalzenen Speisen und Fleisch, auch von dem sehr schlimmen und wüsten Wasser herrühret, wodurch viele elendiglich verderben und sterben. (…) Dieser Jammer steigt alsdann aufs höchste, wenn man noch 2 bis 3 Nächte Sturm ausstehen muß, dabei jedermann glaubt, daß das Schiff samt den Menschen werde zugrunde gehen. In solcher Not betet und schreiet das Volk erbärmlich zusammen.
(...)
Wie es den gebährenden Weibern in den Schiffen auf der See mit ihren unschuldigen Kindern ergehet, das kann man sich schwerlich vorstellen. Es kommen von solcher Klasse wenige und selten mit dem Leben davon, und wird eine manche Mutter samt ihrem Kind, wenn solche gestorben, ins Wasser geworfen. (...) Kinder von 1 bis 7 Jahren überstehen die See-Reise selten, und müssen die Eltern ihre Kinder manchmal durch Mangel, Hunger, Durst und dergleichen Zufälle elendiglich schmachten, sterben und ins Wasser geworfen sehen.
(...)
Wenn die Schiffe bei Philadelphia nach der so langen Seefahrt angelandet sind, so wird niemand herausgelassen, als welche ihre Seefrachten bezahlen oder gute Bürgen stellen können; die anderen (...) müssen noch so lange im Schiffe liegen bleiben, bis sie gekauft und durch ihre Käufer vom Schiff losgemacht werden.
(...)
Der Menschen-Handel auf dem Schiff geschiehet also: Alle Tage kommen Engländer, Holländer und hochdeutsche Leute aus der Stadt Philadelphia und ansonsten allerorten (...) und gehen auf das neu angekommene Schiff, welches Menschen aus Europa gebracht und feil hat, und suchen sich unter den gesunden Personen die zu ihren Geschäften anständigen (geeigneten) heraus und handeln mit denselben, wie lange sie für ihre auf sich habende See-Fracht, welche sie gemeiniglich noch ganz schuldig sind, dienen wollen. Wenn man nun des Handels eins geworden, so geschieht es, daß erwachsene Personen für diese Summe nach Beschaffenheit ihrer Stärke und Alter 3, 4, 5 bis 6 Jahre zu dienen sich schriftlich verbinden. Die ganz jungen Leute aber, von 10 bis 15 Jahren, müssen servieren (dienen), bis sie 21 Jahre alt sind.
Viele Eltern müssen ihre Kinder selbst verhandeln und verkaufen wie das Vieh, damit nur die Eltern, wenn die Kinder ihre Frachten auf sich nehmen, vom Schiff frei und los werden. Da nun die Eltern oft nicht wissen, zu was für Leuten oder wohin ihre Kinder kommen, so geschieht es oft, daß nach dem Abscheiden vom Schiff manche Eltern und Kinder viele Jahre oder gar lebenslang einander nicht mehr zu sehen bekommen.
(...)
Wie elend und betrübt ist es schon so vielen tausend deutschen Familien ergangen, 1) da dieselben durch die so lange und schwere Reise um ihr gehabtes Vermögen gekommen, 2) viele von denselben elendiglich gestorben und ins Wasser geworfen worden, und 3) wegen großer Armut die meisten Familien erst noch im Lande drinnen, Alte und Junge, getrennt und weit voneinander verkauft worden.
(...)
In Pennsylvanien oder anderen englischen Kolonien werden den Neuländern, welche herausreisen, öfters viele Briefe mitgegeben. Wenn sie damit nach Holland kommen, so lassen sie diese Briefschaften aufbrechen oder brechen sie selbst auf; und so jemand lamentabel und die Wahrheit geschrieben, so wird ein solcher Brief entweder fälschlich decopiert (abgeschrieben) oder gar hinweggeworfen."
(...)

(Quelle zit. n. Gerhard E. Sollbach: Reise des schwäbischen Schulmeisters Gottlieb Mittelberger nach Amerika 1750-1754, Wyk auf Föhr: Verlag für Amerikanistik 1992, Seite 32-48)

Mittelbergers Reise nach Pennsylvanien im Jahr 1750.

Mittelbergers Reise nach Pennsylvanien im Jahr 1750.